Gusseiserne 911er-Fans werden jetzt den Zeigefinger mahnend erheben: Das sei doch gar kein Porsche. Sondern ein Volkswagen. Womit sie – zumindest teilweise – auch nicht unrecht haben. Und uns stimmt es tatsächlich nachdenklich, dass wir an keiner Stelle des Autos das Porschewappen finden. Beinahe etwas verschämt und eingerahmt von VW-Logo und Modellbezeichnung trägt unser 914 aus dem Bestand des Porsche Museums einen schwarzen Porsche-Schriftzug am Heck. Und das war es. Bis auf die drei klassischen Rundinstrumente stilisiert sich der Zweisitzer mit Targadach nicht zum Zuffenhausener-Sportwagen, sondern stapelt tief. Jetzt verstehen wir auch, weshalb die US-Varianten von den jeweiligen Importeuren umgehend Porsche-Embleme spendiert bekamen. Sonst hätte wohl kaum ein doch so auf Außenwirkung bedachter Amerikaner jemals einen 914 gekauft.
Ein Sportwagen mit 85 PS
Doch verdiente der dieses Logo überhaupt? Mit Leistungsdaten, die nach heutigen Maßstäben keinen Kleinwagen mehr aus der Garage hervorlocken? Jetzt müssen sogar wir mahnend den Zeigefinger heben: Im Jahr 1969 war die Welt eben noch eine andere. Punkt. Die Autos waren kleiner, leichter und daher konnten sie auch leistungsärmer sein. Es brauchte keine 300 PS plus zu einer Zeit, in der Porsche den 912 anbot. Der eigentlich ein 911 war, aber mit 356-Technik und 90 PS zum Sparmodell avancierte. Heute unvorstellbar. Zwar verkaufte sich der 912 auch damals alles andere als gut. Doch wenn man danach geht, wäre es jedenfalls kein Frevel, den 914 einen Porsche-Sportwagen zu nennen.
Boxer-4 von VW, Boxer-6 von Porsche
Letzten Endes war allerdings der Erfolg des Porsche 914 ein ebenfalls wenig durchschlagender. Die zwanghafte Liaison von Volkswagen und Porsche, die aus der von VW selbst herbeigeführten Not herrührte, unbedingt einen Nachfolger des Karmann Ghia bauen zu wollen, war nicht unbedingt glücklich. Zwei Motorvarianten wurden zum Start im Jahr 1969 angeboten. Und schon die zeigten schonungslos, dass hier zwei Konzerne „zusammen“ arbeiteten. Wurde der 1,7-Liter große Vierzylinder-Boxer direkt dem VW 412 entnommen und der 914/4 bei Karmann in Osnabrück zusammengebaut, fertigte man bis 1973 den 914/6 mit Zweiliter-Boxer-Sechszylinder direkt in Stuttgart-Zuffenhausen. Das vergleichsweise negative Image des „Volks-Porsche“ schlug jedoch auch auf den 110 PS starken Sechszylinder durch, was nach nichtmal 4.000 Exemplaren dessen Aus bedeuten sollte.
Danach setzte man zum Modelljahr 1974 alle Karten auf die Vierzylinder aus dem VW-Konzern. Der 1,8 Liter große Motor aus dem 412 S fand seinen Weg in den 914 und leistete dank zweier Solex-Vergaser 85 PS (5 mehr als zuvor). Er sitzt so auch im regennassen Fotomodell.
Regen, Nebel, Fahrfreude
Es regnet in Strömen im Großraum Stuttgart und das beinahe ohne Unterlass. Wahrhaft ideale Bedingungen, einen beinahe 50 Jahre alten Mittelmotor-Sportwagen mit spärlicher Heizung zu bewegen. Das Targadach des 914 hält schonmal dicht, doch das ist nicht die wichtigste Erkenntnis des Tages. Diese kommt erst nach der Warmlaufphase von Maschine und Mensch, der sich auf Eigenarten wie das 901er-Getriebe samt erstem Gang hinten links vertraut machen muss, bevor er kräftig angast. Und dann feststellen muss: Der 914 ist ein Porsche!
Wer braucht schon mehr Leistung?
Es ist nämlich diese unbeschwerte Leichtigkeit auf der Vorderachse, die einen Porsche und den 914 im Speziellen ausmacht. Und die dazu führt, dass man mit einem breiten Grinsen im Gesicht wirklich jede Landstraße entlangräubert. Wobei „räubern“ vor allem subjektiv zu verstehen ist, denn wahrhaft schnell ist man selbstredend bei den eingangs erwähnten Leistungsdaten nicht. Doch das braucht es auch gar nicht. Wir sind erstaunt, wie bissig und spontan der Boxermotor hochdreht, richtig Freude erst oberhalb von 4.500 Umdrehungen aufkommt und den 914 immer auf ein angemessenes Tempo beschleunigt. Und das macht er so gut, dass auf unserer Ausfahrt gar ein paar Überholmanöver machbar werden. Etwas verdutzt mag die Umwelt dreinschauen, erblickt sie dabei zwei großgewachsene Herren mittleren Alters mit beschwingtem Lächeln im 914. Doch ihre Freude ist echt. Ungespielt. Ehrlich.
Früher war manches besser
Das ist vor allem der herrlichen Abwesenheit sämtlicher Hilfs- und Assistenzsysteme zu verdanken, die es im Jahre 1974 schlichtweg nicht gab. Die unmittelbare Übertragung von Lenk-, Gas- und Bremsbefehlen wird im 914 auf die Spitze getrieben. Die Sitzposition in der Mitte des Autos, die ausbalancierte Verteilung des geringen Gewichts und die wunderbare Rundumsicht waren auch für damalige Verhältnisse nicht selbstverständlich, aber noch deutlich normaler. Da kann man auch mal ins Schwärmen von der guten alten Zeit kommen.
Fahrassistent ist der rechte Fuß
Dem großen Volant und den schmalen 185er-Pneus sei Dank vermisst man nichtmal eine Servolenkung. Der 914 lenkt spontan und ehrlich ein, bleibt über weite Strecken absolut neutral und ist selbst bei den widrigsten Wetterverhältnissen nicht aus der Ruhe zu bringen. Vielleicht ist dafür die Motorleistung auch tatsächlich zu gering. Doch dafür muss man nicht ganz so viel Acht auf die Nutzung des rechten Pedals geben, kann sich mehr aufs Wesentliche konzentrieren. Der 914 nimmt es dem Fahrer nicht übel, wenn er sehr häufig voll auf dem Gaspedal steht. Das ist toll und selten geworden in einer Welt, in der man zwar in jeden 600 PS-Schlitten wie ein Wilder reinzimmern kann, aber letzten Endes nur die Elektronik die nächste Kollision vermeidet.
Nach 50 Jahren kommt er noch groß raus
Ja, wir haben den 914 verstanden. Auch die Zeit scheint mit ihm gnädig zu sein, denn nach langer Zeit im sprichwörtlichen Tal der Tränen steigen die Oldtimerpreise auch der Vierzylinder langsam aber stetig an. Das ist richtig und wichtig für die Szene, wusste die es doch schon immer: Der 914 ist ein echter Sportwagen, er ist aber vor allem eines: Ein waschechter Porsche. Und dabei ist es ganz egal, was vorne, hinten und im Innenraum für ein Schriftzug, Logo oder Wappen abgebildet ist. (Text und Bild: Maximilian Planker und Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Porsche 914/4 1.8
- Motor: Vierzylinder-Boxer, 1.795 ccm
- Leistung: 85 PS (63 kW) bei 5.000 U/min
- Drehmoment: 138 Nm bei 3.400 U/min
- Antrieb: Hinterradantrieb, 5-Gang-Schalter
- Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 12,0 s
- Höchstgeschwindigkeit: 178 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 3,99 m/ 1,65 m/ 1,24 m
- Gewicht: ca. 950 Kg
- Neupreis 1971: Rund 12.000 D-Mark
*Herstellerangaben