Architekten lieben ihn. Vorstadt-Mamis ebenso. Und auch allerhand Autofahrer die bislang eher deutsche Premium-SUVs bevorzugt haben, fahren voll auf ihn ab. Die Rede ist vom Volvo XC90. Nicht erst seit dem Remake des großen Schweden im Jahr 2015 sichert sich der 4,95 Meter lange Allradler seinen Platz am großen Tisch der hochbeinigen Familienkombis. Haben viele den Vorstoß Volvos, nur noch kleine Benzin- und Dieselmotoren in selbst große Autos zu verbauen, anfangs eher belächelt, scheint die Rechnung nunmehr aufzugehen.
Kleiner Motor, leicht elektrifiziert
Zum Downsizing-Erfolg Volvos beigetragen hat dabei sicherlich die frühe Teilelektrifizierung der Marke. Setzte man zunächst auf Plug-in-Hybride, runden nun moderne Mild-Hybrid-Systeme das Portfolio nach unten ab. Eines der frischesten Beispiele für diese 48-Volt-Technik ist dabei der Antrieb im hier gefahrenen Volvo XC90 B5 AWD.
Hinter der eher nichtssagenden Zusatzbezeichnung kann sich übrigens auch ein Diesel-Mild-Hybrid verbergen, was die Sache beim Händler zunächst nicht einfacher machen wird. Wir hingegen sind mit der benzingetriebenen Mild-Hybrid-Variante B5 AWD unterwegs, die derlei mit 184 kW/250 PS und 350 Newtonmeter Drehmoment aufzuwarten weiß (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 8,4-9,7 l/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 191-221 /km²).
Seit April 2020 gilt bei Volvo maximal Tempo 180
Was sich bei einem über zwei Tonnen schweren Auto eher überschaubar liest, bleibt es auch auf den zweiten Blick. Getreu dem Klischee des sicherheitsbewussten und defensiv auftretenden Volvo-Fahrers, ist der XC90 B5 AWD kein Auto für Raser und Heizer. Dennoch ist der 7-Sitzer kein untermotorisiertes Verkehrshindernis auf der Landstraße.
In knapp acht Sekunden gelingt der Standardsprint von 0 auf 100 km/h, wobei der Vortrieb unseres Probanden noch bei Tempo 215 enden darf. Mit Letzterem ist allerdings seit April 2020 Schluss. Seither gilt die eigens auferlegte Selbstbeschränkung bei Volvo, wonach Neufahrzeuge schon bei 180 km/h abgeregelt werden. Ausgenommen davon sind lediglich Einsatzfahrzeuge.
Volvo XC90 B5 AWD mit Aha-Effekt
Ein großer Verlust ist diese Reglementierung freilich nur am abendlichen Stammtisch. Im Alltagstest mussten wir beim noch freilaufenden 2019er Baujahr des Volvo XC90 B5 AWD nämlich feststellen, dass alles über 180 Stundenkilometer mehr Mühe, denn Fahrfreude bedeutet. Ist der Schwede sonst ein Hort der Ruhe und Gelassenheit, drängt sich der Vierzylinder-Turbo bei hohen Geschwindigkeitsarien eher negativ in den Vordergrund.
Auf der anderen Seite ist es aber die generell harmonische Abstimmung von Luftfahrwerk (optional), elektrischer Lenkung und 8-Gang-Automatik, die im Dynamik-Modus des XC90 für einen großen Aha-Effekt sorgt. Zwar ist man dank des etwas schwachbrüstigen 2,0-Liter-Motors nicht der schnellste auf der Passstraße, aber das subjektive Gefühl vermittelt einen sehr flotten, einen sehr runden Fahreindruck.
Im Normalfall reichen 10 Liter Benzin
Nichts im Volvo XC90 B5 animiert zum Schnellfahren und so ist es auch keine Schande, stets im Eco-Modus herumzufahren. Hier kann man das 48-Volt-Mild-Hybrid-System am besten bei seiner Arbeit beobachten, zum Beispiel, wenn der große Wagen im „Coasting-Modus“ über weite Strecken ohne Benzinantrieb dahinsegelt. Der Umschaltvorgang zwischen Schub- und Zugbetrieb gelingt beinahe unmerklich und wer das Gaspedal selten voll durchdrückt, wird am Ende mit Verbräuchen um zehn Liter auf 100 Kilometer belohnt.
Zum Minderverbrauch trägt auch eine Zylinderabschaltung bei, die bei weniger als 3.000 Touren Zylinder eins und vier deaktiviert. So wird auch das absehbare Ende des Diesels bei Volvo ein verschmerzbarer Umstand sein, wenn klein Otto kaum mehr Kraftstoff verbraucht als Bruder Rudolf.
Gut sitzend, in Wolle gebettet
Entspannt und gut gefedert spult man im Volvo XC90 B5 daher gerne längere Strecken ab, was auch am erstklassigen Gestühl liegen mag. Unser Testwagen, in der Ausstattungslinie Momentum Pro als 7-Sitzer, fährt dazu in der ersten Reihe mit bestens geschnittenen Sportsitzen samt Wollbezug vor (Seit Modelljahr 2020 nur noch ab Ausstattungslinie Inscription). Platz gibt es genügend, was auch für die zweite Sitzreihe zutreffend ist. Nur stellen wir uns die Frage, wer ganz hinten sitzen soll oder vielmehr sitzen muss. Schon der Einstieg bereitet keine Freude und vollbesetzt muss auch die zweite Reihe kräftig nach vorne rutschen, damit die Notbestuhlung im Kofferraum für kürzere Wegstrecken ausreichend ist.
Das Geld kann man sich sparen. Oder man investiert es in das feudal klingende Harman/Kardon Soundsystem und hat dann sogar noch Geld übrig um den Innenraum mit Echtholzeinlagen in Black Ash zu verschönern. Die Verarbeitung gefällt und die Materialauswahl zumindest unseres Volvo XC90 B5 AWD, überwiegend ohne Leder, wirkt beinahe schon ökologisch korrekt.
So praktisch wie ein Ikea-Regal
Wer nun aber eher auf die praktischen Qualitäten des hochgebauten Nordlichts aus ist, der wird erfreut lesen, dass beim nächsten Umzug eine Fuhre weniger vonnöten ist. Denn im gut nutzbaren und 302 bis 1.886 Liter großen Kofferraum finden zahlreiche Kartons, Lampen oder gar eine Couch Platz. Und im nächsten Campingurlaub dient die knapp zwei Meter lange Ladefläche als großzügige Übernachtungsmöglichkeit. Doch gibt es bei so viel Flexibilität im wahrsten Sinne einen Haken. Denn mit 2.400 Kilogramm Anhängelast darf der XC90 B5 AWD Mild-Hybrid zwischen 300 und 800 Kilo weniger schleppen als viele Mitbewerber.
Erfreulicher ist da schon eher, dass der Allradantrieb des Schweden auch auf Schnee bestens funktioniert, wie wir Anfang 2020 auf einer ersten Proberunde eindrucksvoll erfahren durften. Wer das SUV-Flaggschaff also für den nächsten Ski-Urlaub einplant, macht betont keinen Fehler.
Fazit
Der Volvo XC90 B5 AWD (Benziner) wird dazu beitragen, dass wir die Schweden-Marke noch öfters vor heimischen Garagen sehen werden. Nicht nur bei der typischen Klientel, sondern bei allen die ein großes, sicheres und sparsames Auto für den Alltag und die lange Reise suchen. Günstig ist der Spaß allerdings nicht zu haben. Ab 80.412 Euro steht der XC90 B5 AWD 7-Sitzer in der österreichischen Preisliste, unser gut ausgestatteter Testwagen kostete in Deutschland gar über 90.000 Euro. Für so viel Geld sollte man in naher Zukunft vor allem ein innovativeres Multimedia-System erwarten dürfen. Zudem fällt die Anhängelast im Vergleich zur Konkurrenz deutlich geringer aus und die dritte Sitzreihe ist maximal für kürzere Strecken geeignet. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Weitere Bilder: Hersteller)
Technische Daten*
- Modell: Volvo XC90 B5 AWD Momentum Pro 7-Sitzer
- Motor: Vierzylinder-Benziner, 1.969 ccm
- Leistung: 250 PS (184 kW) bei 5.500 U/min
- Drehmoment: 350 Nm bei 1.800 U/min
- Antrieb: Allrad, Achtgang-Automatikgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 9,7-8,4 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 221-191 /km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 7,9 s
- Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h (abgeregelt)
- Abmessungen (L/B/H): 4,95 m/1,97 m/1,78 m
- Gewicht: ca. 2.100 kg
- Grundpreis (7-Sitzer) AT: ab 80.412 Euro
- Testwagenpreis DE: 91.580 Euro
*Herstellerangaben