Dem skandinavischen Land beschert diese Dimension eine, abgesehen von Stockholm, recht geringe Bevölkerungsdicht. Und dem V90 jede Menge Platz im Kofferraum. Zwar nimmt dieser es mit einer maximalen Zuladung von 1.526 Litern nicht mit ganz so viel Gepäck wie ein Mercedes E-Klasse T-Modell auf, in dessen Gefilden der Schwede wildern möchte. Dafür hat er aber eine Herz für Elche entwickelt. Der große Hirsch ist das Nationaltier der Schweden. In freier Wildbahn ist er recht schön anzuschauen, doch steht der Elch auf der Straße, kann das schnell brenzlich werden. Deshalb entwickelte Volvo eine erweiterte „Fußgänger“-Erkennung, die nun auch drohende Kollisionen mit dem Getier detektiert. Stellt sich also der Elch röhrend in den Weg des V90, warnt dieser rechtzeitig und rettet mit einer Notbremsung das Leben von Mensch und Tier. Aber natürlich wird nicht nur das Nationaltier vom Sensor erfasst – auch Pferde, Kühe, Rehe, oder Schafe werden erkannt, die hierzulande deutlich häufiger anzutreffen sind.
Zu viel Sicherheit kann es bei einem Volvo ohnehin nicht geben: Die Auswahl an Assistenzsystem scheint kein Ende zu nehmen. Neben den Klassikern wie Tot-Winkel-Warner oder der erwähnten Notbremsfunktion wartet der V90 auch mit einer Road-Edge-Überwachung auf. Die greift ein, wenn der Wagen droht von der Fahrbahn abzukommen. Am fortschrittlichsten aber ist sicher der Pilot Assist, der Assistent für teilautonomes Fahren bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h – zusammen mit dem Abstandstempomat folgt der Volvo wie von Geisterhand der Spur.
Anders als bei Mercedes, wo die Technik auch bei Tempo 210 noch arbeitet, kann der V90 aber noch keine Überholvorgänge vornehmen. Und natürlich muss man auch im Volvo immer noch eine Hand am Lenkrad haben. Autonomes Fahren Stufe II nennen das die Experten. Die dritte Stufe wollen die Schweden übrigens gänzlich überspringen und werden ab sofort mit Tests für vollautonomes Fahren, also Stufe IV, in Göteborg, London und China beginnen.
Auf zu neuen Fjorden
Volvo kann schon seit über 60 Jahren auf die Tradition von Kombis zurückblicken. Als Familienkutsche, als Surfers-Liebling oder des Handwerkers-Lastentier schrieben die buckeligen Schweden schon viele Geschichten, die vom Leben berichten. Aber auch Geschichte muss sich stetig weiterentwickeln. Deshalb verwundert es nicht, dass der schöne Schwede auch immer relevanter im Business-Bereich wird.
Entschied sich das geschäftige Klientel aus einer Art Tradition heraus in der Vergangenheit für einen BMW 5er Touring, einen Audi A6 Avant oder den eingangs erwähnten Benz, greifen in der letzten Zeit immer mehr dieser Kunden zum Volvo. Warum auch nicht? Obwohl sich die Maße des V90 imposant lesen, schafft es die Designschmiede dem Dickschiff ein klares und schickes Kleid zu schneidern, mit dem man sich schon optisch von der etablierten Konkurrenz abheben kann.
Die skandinavische Zurückhaltung setzt sich auch im aufgeräumten Innenraum fort. Als besonderes Highlight springt als erstes das Navigations-Infotainment-System ins Auge. Es nutzt nicht wie bei anderen Hersteller üblich die Horizontale, sondern die Vertikale ausnutzt. Mittels Fingertips und -wischs lässt sich das System bedienen und selbst die Tasten für die Klimatisierung oder Sitzheizung sucht man in der Mittelkonsole vergebens. Alles wird über das iPad-artige Display gesteuert. Ab und zu braucht man allerdings ein wenig Fingerspitzengefühl, denn die oft kleinen Symbole wollen genau getroffen werden.
Enttäuschend und überraschend
Kommen wir zu den Motoren. Oder sollten wir lieber sagen Motörchen? Wo die deutschen Premiumhersteller immer noch auf großvolumige Sechs- und Achtzylinder-Motoren bauen, will Volvo lediglich mit Zweiliter-Vierzylinder-Motoren überzeugen. Das ist umweltpolitisch vorbildlich und leistungsmäßig auf jeden Fall ausreichend, fühlt sich aber zumindest in der größten V90-Ausbaustufe, dem T6, nicht immer so souverän an, wie ein Sechszylinder aus München, Ingolstadt oder Stuttgart. Benziner gibt es für den V90 mit 254 PS und 320 PS (T5 und T6), bei den Selbstzündern steht das Zwei-Liter-Aggregat in den Leistungsstufen 190 PS und 235 PS (D4 und D5) bereit. Eine Plug-In-Hybrid-Variante (T8) mit einer Systemleistung von 407 PS wird nachgereicht.
- Technische Daten – Volvo V90
Länge: 4,94 Meter, Breite: 1,88 Meter (inkl. Außenspiegel 2,02 m), Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 2,94 Meter, Kofferraumvolumen: 560 bis 1.526 Liter
Motoren:
T5: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner, Frontantrieb, 187 kW/254 PS bei 5500 U/min, maximales Drehmoment: 350 Nm bei 1.500-4.800 U/min, 0-100 km/h: 7,0 s, Vmax: 230 km/h, Durchschnittsverbrauch: 6,8 Liter, CO2-Ausstoß: 154 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: k. A., Preis: ab 53.000 Euro
T6 AWD: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner mit Kompressor, Allradantrieb, 235 kW/320 PS bei 5.700 U/min, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 2.200-5.400 U/min, 0-100 km/h: 6,1 s, Vmax: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch: 7,4 Liter, CO2-Ausstoß: 169 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: k. A., Preis: ab 60.600 Euro
T8: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner mit Kompressor, Allradantrieb, 235 kW/320 PS bei 5.700 U/min, maximales Drehmoment: 230 Nm bei 2.200 U/min, E-Maschine 65 kW/240 Nm, Systemleistung 407 PS/640 Nm, 0-100 km/h: 5,2 s, Vmax: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch: 2,1 Liter, CO2-Ausstoß: 44 g/km, elektrische Reichweite 45 km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: k. A., Preis: k. A.
D4: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel, Frontantrieb, 140 kW/190 PS bei 4.250 U/min, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 1.750-2.500 U/min, 0-100 km/h: 8,5 s, Vmax: 225 km/h, Durchschnittsverbrauch: 4,5 Liter, CO2-Ausstoß: 119 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: k. A., Preis: ab 45.800 Euro
D5: 2,0-Liter-Vierzylinder-Biturbodiesel mit Kompressor, Allradantrieb, 173 kW/235 PS bei 4.000 U/min, maximales Drehmoment: 480 Nm bei 1.750-2.250 U/min, 0-100 km/h: 7,2 s, Vmax: 240 km/h, Durchschnittsverbrauch: 4,9 Liter, CO2-Ausstoß: 129 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: k. A., Preis: ab 57.500 Euro
Trotz der üppigen Abmessungen, lässt sich der Volvo V90 im Alltag leicht und handlich dirigieren. Die Lenkung ist äußerst direkt und tut das was sie soll — ohne umschweifen den richtigen Kurs halten. Das hervorragend abgestimmte Fahrwerk schluckt alles an Unebenheiten weg, sodass einem gemütlichen dahingleiten nichts im Wege steht. Apropos schlucken: Die Diesel-Versionen wollen auf 100 Kilometer mit weniger als fünf Litern gefüttert werden, die Ottos sind etwas durstiger; sie nehmen rund sieben Liter auf 100 Kilometer. Die später folgende Hybrid-Version soll sich laut Volvo mit nur 2,1 Liter begnügen – allerdings nur, wenn die Batterie beim Start voll ist. Optisch, in Sachen Fahrkomfort und bei der Ausstattung kann der Volvo V90 problemlos mit der einheimischen High-Class mithalten. Aber auch der Preis steht den deutschen Mitbewerbern in nichts nach. Für den Einstiegsdiesel D4 werden mindestens 45.800 Euro fällig und der kleinste Benziner schlägt mit 53.000 Euro zu buche. Zum Vergleich: Das günstigste E-Klasse T-Modell kostet 48.665 Euro, für den A6 Avant werden 42.750 Euro fällig und einen 5er Touring gibt’s für 43.200 Euro.