Noch bevor der Hype um die Sport Utility Vehicles richtig einsetzte, haben Volvo und Audi Ende der 1990er Jahre Offroad-Varianten ihrer Mittelklasse-Kombis V70 und A6 auf den Markt gebracht. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an höhergelegten Kombinationskraftwagen, wobei die bekanntesten Vertreter jener Zunft weiterhin auf die Beinamen Cross Country und Allroad hören.
Seit beinahe vier Jahren bietet Volvo jetzt den V90 Cross Country in aktueller Generation an, Anfang 2020 gab es die letzte Überarbeitung – primär unter der Haube. Die regulären Benzin- und Dieselmotoren haben seither ausgedient und werden immer um ein 48-Volt-Mild-Hybrid-System erweitert. Im Grunde nach handelt es sich um die gleiche Antriebsauswahl wie beim regulären V90, mit dem entscheidenden Unterschied, dass für den V90 Cross Country keine Plug-in-Hybride zur Verfügung stehen.
Im Testwagen arbeitet derweil der neue Mild-Hybrid-Benziner B5 mit 184 kW beziehungsweise 250 PS (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 8,0 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 182 g/km²). Ein durchzugsstarker Motor, ohne Allüren, aber auch ohne Emotion. Im Normalfall säuselt der Vierzylinder-Turbo leise vor sich hin, drängt sich allerdings bei höheren Drehzahlen unangenehm in den Vordergrund. Wenngleich die zwei Liter Hubraum und maximal 350 Newtonmeter Drehmoment für den alltäglichen Verkehr vollends ausreichend sind – zum V90 Cross Country würde auch ein sämiger Sechs- oder ein bulliger Achtzylinder passen. Wobei auch diese nach aktueller Volvo-Philosophie höchstwahrscheinlich bei Tempo 180 abgeregelt wären.
Wir wissen darum, dass Volvo wohl keine größeren Motoren mehr anbieten wird. Dass Downsizing aber seine Grenzen hat, zeigt der Verbrauch des Volvo V90 Cross Country B5. Gut und gerne 10 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer solltest du einplanen, etwas weniger ist nur mit viel Zurückhaltung zu erreichen. Längere, motorfreie, Segeletappen durch das Mild-Hybrid-System sind dabei nur im Eco-Fahrmodus zu erreichen, der aber jedes Mal von Hand aktiviert werden muss. Dass der Turbo-Benziner über eine Zylinderabschaltung verfügt, die im Teillastbereich zwei von vier Zylindern deaktiviert, bekommst du während der Fahrt nicht mit.
Auch das achtstufige Automatikgetriebe macht vor allem durch seine Unauffälligkeit von sich reden. Fahrstufen werden stets passend hereingegeben, der Gangwechsel erfolgt unmerklich. Beim Allradantrieb setzt der V90 Cross Country derweil auf ein situationsbedingt arbeitendes System. So wird die Motorkraft primär an die Vorderräder geleitet um bei festgestelltem Schlupf die hinteren Räder blitzschnell hinzuzuschalten. Wählst du per Fahrerlebnisrädchen das Offroad-Programm, so werden die Antriebsmomente im Grundverhältnis 50 zu 50 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt.
Zusammen mit einer Bodenfreiheit von 210 Millimeter gelingt sodann der Aufstieg zur Skihütte, die Fahrt zum Weingut oder das Erklimmen des Bordsteins am Supermarkt ohne Probleme. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch: Volvo bietet für den V90 Cross Country einzig ein optionales Luftfahrwerk für die Hinterachse an. Zwar wird hier das Fahrzeugniveau beim Beladen oder während des Anhänger-Zugbetriebs automatisch nivelliert, in der Höhe lässt sich das Fahrwerk aber nicht verstellen.
Unabhängig davon gleitet der große Schwede sanft über allerhand schlechten Straßenbelag und selbst auf Feldwegen macht die Federrate eine gute Figur. Die überaus weiche Fahrwerksabstimmung führt allerdings auch zum wohl größten Kritikpunkt im Fahrkapitel: der Lenkung. Sie ist aus der Mittellage heraus zu schwammig geraten und könnte über mehr Rückmeldung verfügen.
In Hinblick auf den Innenraum gibt es gewohnten Volvo-Chic zu betrachten. Alles sitzt und passt, die Materialauswahl wirkt hochwertig. Auch die optionalen Nappa-Leder-Komfortsitze sind urst bequem und mehr als eine Empfehlung für Langstreckenfahrer. Obwohl wir hier über ein Auto mit einer Gesamtlänge von 4,94 Meter schreiben: der Innenraum ist nicht so luftig ausgefallen, wie wir uns das erwartet hätten. Vorne ist es das massive Armaturenbrett, das den Beifahrer früh in seiner Bewegungsfreiheit stört. Hinten sitzen größere Erwachsene nur nach Absprache mit der ersten Reihe einigermaßen kommod. Vor allem die stark nach hinten gewölbten Vordersitze schränken die Kniefreiheit ein.
Fragen wirft manches Mal auch die Bedienung auf. Wie in allen anderen aktuellen Volvo-Modellen gibt es einen hochgestellten Infotainment-Touchbildschirm in der Mittelkonsole, darunter finden sich prominent angebrachte Titelsprungtasten und der Lautstärkenregler. Die Klimasteuerung befindet sich aber weiterhin nicht ideal im Bedienmenü versteckt, die Schriftart der kleinteiligen Menüs könnte gerade für ältere Generationen etwas größer gestaltet sein. Nicht nur die digitale Anzeige hinterm Lenkrad wirkt mittlerweile etwas angestaubt, auch die Sprachbedienung hinkt dem Mitbewerberumfeld hinterher. Dafür gibt es endlich die Möglichkeit sein Smartphone induktiv zu laden.
Wer den Volvo V90 Cross Country neben seiner optischen, auch wegen seiner praktischen Reize interessant findet, wird sich über einen gut zu beladenden Kofferraum mit 560 bis 1.526 Liter Stauvolumen freuen. Anders als bei den kleineren Volvo-Modellen ist die Laderaumabdeckung im V90 automatisch an die serienmäßig elektrische Heckklappe gekoppelt. Die Rücksitze lassen sich vollständig und ebenerdig umlegen. An den Haken nehmen kann der Cross Country darüber hinaus maximal 2.400 Kilogramm und zieht damit mehr als eine Mercedes E-Klasse All Terrain (2.100 Kilogramm). Ein Audi A6 Allroad mit Sechszylinder-Diesel darf dagegen immer 2.500 Kilo ziehen.
Der Volvo V90 Cross Country ist ein sehr bequemes Langstreckenauto für Abenteurer oder all jene, die den optischen Reiz eines SUV lieben, jedoch keines fahren möchten. Um sieben Zentimeter höhergelegt als der normale V90 Kombi bietet der stets allradgetriebene Cross Country mehr Flexibilität auf schlechten Straßen, ist mit einem Einstandspreis von 60.096 Euro (inkl. 16% MwSt.) aber auch kein Sonderangebot. Zum Abenteuer weniger passend ist der emotionslose und alternativlose Vierzylinder-Antrieb, das Infotainment wirkt mittlerweile angestaubt. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)