Luise ist sein Geschöpf. Gemeinsam mit vier Freunden hat er rund 5.000 Arbeitsstunden in diese VIP-Lounge auf Rädern gesteckt. Manche würden den überdimensionalen VW-Bus wahrscheinlich Stretch-Bulli nennen, offiziell darf das aber keiner, denn wenn jemand unautorisiert den Begriff „Bulli“ für ein Fahrzeug in Anspruch verwendet, reagiert der Volkswagen-Konzern verschnupft.
Schnapps-Idee entstand bei Biertrinken
Den Gedanken, aus mehreren T3-Volkswagen eine Stretch-Limousine zu bauen, kann man wohl getrost als Schnaps-Idee bezeichnen. Allerdings stand Bier im Vordergrund, als auf einer Grillparty mit Freunden der Vorsatz reifte. Christian Lemke beschäftigt sich seit Jahren mit VW-Bussen, hat sie in seiner Werkstatt in Berlin-Hohenschönhausen repariert, restauriert, ge- und verkauft, sogar einmal eine Version mit stark verkürztem Radstand zusammen geschweißt. Derzeit sind in zwei Hallen rund 80 Exemplare untergebracht, darunter auch Autos von Kunden, die ihre Lieblinge dort warten und pflegen lassen.
„Wir wollten etwas machen, was es noch nicht gab“, erinnert sich Bernhard Sander, langjähriger Freund von Christian Lemke und für die Konstruktion verantwortlicher Maschinenbau-Ingenieur. „Qualitativ hochwertig und nutzenorientiert wollte das Ergebnis natürlich auch sein.“ Als Prüfsachverständiger für Kraftfahrzeuge fiel es Sander leicht abzuschätzen, was zulassungsfähig ist und was nicht. Schnell stellte sich heraus, dass T3-Busse allein als Spender-Fahrzeuge nicht reichen würden. Vor allem musste ein kräftigerer Motor her, der das Achtmeterfünfzig-Monstrum mit ordentlich Schub versorgt.
Fetter Passat-Diesel
Beim Passat wurde die fünfköpfige Bastler-Truppe fündig. Ein V6-Turbodiesel mit 2,5 Litern Hubraum und 180 PS erschien als geeignetes Aggregat. Natürlich ist der Motor wie beim Original-Bulli hinten eingebaut. An den beiden Hinterachsen kommen Scheibenbremsen vom VW Sharan zum Einsatz. Ein Wohnmobil spendete die Klimaanlage. Viele Teile, wie zum Beispiel die Seitenscheiben oder die 2,55 Meter breite Schiebetür, mussten hingegen speziell angefertigt werden. Vier T3-Busse der Baujahre 1996 bis 1990 gaben schließlich ihr „Bestes“, um Luise in Form zu bringen.
Doch ein Einfach-mal-so-aneinander-schweißen reicht nicht, auch wenn vier Gasflaschen und rund 15 Kilo Schweißdraht draufgingen. Ein Laser-Messgerät musste helfen, damit die Teile auch in exakt gerader Linie angeordnet werden konnten. Für die notwendige Stabilität und Verwindungs-Steifigkeit sorgen ein Leiterrahmen und massive Träger im Unterbau. Das machte Luise denn doch etwas füllig: 3.300 Kilogramm bringt die weiß gekleidete Diva auf die Waage.
Stolze Teamarbeit
Auch wenn sich die technischen Herausforderungen dank des Sachverstandes der Beteiligten immer wieder lösen ließen, stand das Projekt doch einige Male auf der Kippe. „Das Schwierigste war“, erinnert sich Christian Lemke, „den Zusammenhalt des Teams zu sichern und immer wieder neu zu motivieren“. Rund neun Monate lang traf sich die Truppe jeden Tag nach der Arbeit, die Wochenenden wurden selbstverständlich ebenfalls verbastelt, was letztlich auch den Partnerinnen der Teammitglieder einiges abverlangte. „So um die 5.000 Arbeitsstunden“, schätzt Kfz-Mechaniker Lemke, „dürften es wohl gewesen sein, die wir da reingesteckt haben“.
Eine lange Karosserie macht noch keine Stretch-Limo, weshalb der 36-jährige und seine Mitstreiter nicht weniger Energie in den Innenausbau steckten. Weiß, Grau und Rot sind die dominierenden Farben im üppig mit Leder ausgeschlagen rollenden Partyraum. Mehrere Getränkekühler fehlen ebenso wenig wie ein 47-Zoll-LED-Bildschirm, mit dem sich auf vielfältige Art für Unterhaltung sorgen lässt. Die groß dimensionierten Bass-Lautsprecher sind von den Gästen zwar nicht zu übersehen, viel an Hightech ist aber versteckt installiert. Die Endstufen der 7600-Watt-Soundanlage erblickt etwa nur, wer die Heckklappe öffnet. Und um die Lasershow richtig genießen zu können, muss es dunkel draußen sein.
Aufrüstungsmaßnahmen
Damit alles noch ein bisschen bequemer wird, soll die schwere Schiebtür demnächst einen elektrischen Antrieb bekommen. Die Kommunikation mit dem Fahrer erfolgt via Bordtelefon und der Chauffeur sieht per Video-Monitor, ob die gute Laune der Insassen auszuufern droht.
Um den immensen Strombedarf in der höchsten Party-Eskalationsstufe zu decken, reichte einfache Passat-Elektrik nicht mehr aus. Eine Batterie ist allein für das Starten des Motors zuständig, vier weitere versorgen die diversen Verbraucher. Die Lichtmaschine wurde vorsichtshalber aus einem VW Touareg entnommen.
Miet mich
Am 15. Februar 2012 war es schließlich soweit: Jungfernfahrt. Die führte direkt zur Zulassungsstelle und weil das ganze Projekt unter den wachsamen Augen von Prüf-Ingenieur Bernhard Sander realisiert wurde, blieben die frischgebackenen Besitzer des längsten T3-Busses dort von Überraschungen verschont.
Normale Stretch-Limousinen taugen heute kaum noch als Aufreger, „aber nach unserer Luise drehen sich die Leute immer wieder um“, hat der 35jährige festgestellt. Mit der Fertigstellung des Umbaus begann gleich eine neue Arbeitsphase – die der Vermarktung. Für rollende Partys, Junggesellen-Abschiede, PR-Aktionen oder Hochzeiten kann man den Wagen inklusive Chauffeur mieten. „Geld verdienen“, heißt es jetzt für Luise, schließlich hat sie ihren Schöpfern lange genug auf der Tasche gelegen. Ein Wertgutachten, das Lemke und sein Team vorsichtshalber haben anfertigen lassen, spricht von 170.000 Euro. (ampnet/ab)