Selbst bei den schwächsten Motoren wird der Kraftstoff heutzutage, elektronisch dosiert, in die Brennräume gespritzt und nicht mehr durch einen Vergaser geschickt. Als VW 1976 den Golf als GTI ins Rennen schickte, war das I samt der dahintersteckenden Mechanik jedoch noch etwas ganz Besonderes, und in Wolfsburg ahnte kaum einer, dass dieses Konzept zu einer festen Größe im Sortiment werden würde: Ein auf Sportgerät getrimmtes Allerweltsauto galt seinerzeit als exotisch, weshalb nur eine Sonderserie mit 5000 Exemplaren geplant war. Das zahlende Publikum reagierte anders, und so wurde der Begriff GTI zu einem Synonym für VW-Modelle mit ausgeprägt sportlichem Charakter und der stärksten in einer Baureihe verfügbaren Motorisierung, auch wenn das nicht immer zutraf.
Jüngstes Mitglied der VW-Spitzensportler-Abteilung ist der neue Polo; er setzt die GTI-Tradition in einer Weise fort, die einerseits stark an die Anfänge erinnert und andererseits alles bietet, was die Kundschaft vom Topmodell einer neu aufgelegten Baureihe erwartet: In puncto Fahrsicherheit und -komfort liegen wahrlich Welten zwischen dem 1976er GTI und seinen gut 40 Jahre jüngeren Nachfolgern, die serienmäßig mit einer Vielzahl von Komfort-, Kommunikations-, Infotainment- und Fahrerassistenzsystemen ausgestattet sind. Das zeigt sich nicht zuletzt auf der Waage: Der GTI im Golf I war rund 500 Kilogramm leichter als der mit ähnlichen Insignien ausgerüstete aktuelle Polo.
Rennstrecken- und alltagstauglich
Die dynamischen Qualitäten des Polo GTI-Jahrgangs 2017 verdienen sich dennoch das Prädikat „einfach Spitze“. Agil und handlich ist der 4,05-Meter-Viertürer obendrein und damit näher dran am 3,71-Meter-Original als der inzwischen auf 4,26 Meter gestreckte Golf GTI. Den in beiden Fällen nicht unerheblichen Massenzuwachs lassen zusätzliche Pferdestärken und eine enorme Zugkraft-Steigerung vergessen: Der Polo ist bei 200 PS und satten 320 Nm angelangt, beides schon bei niedrigen Drehzahlen abrufbar. Er ist damit, obwohl schwerer, erheblich flotter zu bewegen als ein Golf GTI der ersten Stunde, dessen 1,6-Liter-Vierzylinder bei 6100 Kurbelwellenumdrehungen pro Minute maximal 110 PS und bei 5000/min gerade mal 137 Nm freisetzte.
Damit war seinerzeit eine Höchstgeschwindigkeit von 182 km/h zu erreichen und der Wagen in 9,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Diese Werte, die in der heutigen Zeit niemanden mehr vom Hocker reißen, beeindruckten das autofahrende Volk in den 1970er Jahren mehr als die 237 km/h und 6,7-Sekunden-Sprints des neuen Polo GTI heute tun, obwohl diese Zahlen belegen, dass das neue Modell absolut rennstreckentauglich ist (und dort nach Experten-Darstellung schnellere Rundenzeiten als der PS-stärkere Golf erzielt).
Zur Verbesserung der Straßenlage ist die Batterie beim Polo GTI im Kofferraum untergebracht und ein Sportfahrwerk (gegen Aufpreis verstellbar) serienmäßig. Für den Verkehrsalltag ist der auf 245er Reifen daherkommende Polo genauso gut gerüstet. Ab Werk sind jede Menge elektronischer Helfer an Bord, unter anderem ein Front Assist inklusive City-Notbremsfunktion, Fußgängererkennung und Multifunktionsbremse.
Rot, Schwarz plus Karo – typisch GTI
Mit dem Sportgerät von früher - Grundpreis: 13.850 Mark (entspricht laut Wikipedia nach heutiger Kaufkraft und inflationsbereinigt immerhin 17.200 Euro) - hat der wesentlich rasantere, um Längen sicherere, erheblich besser ausgestattete Polo GTI (ab 23.950 Euro) in erster Linie Sichtbares gemeinsam. Die konsequente Verwendung der Farben Rot und Schwarz im Innenraum beispielsweise. Sie finden sich – gemischt mit Hell- und Dunkelgrau - sogar in den karierten Sportsitzbezügen. Deren Clark-Muster ist GTI-typisch; es genießt VW zufolge „Kultstatus“.
Ein weiteres Indiz für die Traditionspflege liefern rote Bremssättel und der rote Streifen im Kühlergrill. Dahinter verrichtet ein High-Tech-Direkteinspritzer seine Arbeit. Der 2,0-Liter-Turbobenziner mit spezieller Brennraumkühlung tritt derzeit nur mit einem Doppelkupplungsgetriebe und damit einer Gangwechsel-Technik an, die für einen GTI-Fahrer vor vier Jahrzehnten schlechthin unvorstellbar war. Traditionalisten müssen sich noch ein bisschen gedulden, doch auch sie bekommen demnächst, was sie wollen: Ein klassischer Schalthebel und sechs Gänge zum Selberwechseln.