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Grenzbereich: VW Brezel-Käfer – Unvergesslich

Es ist heiß. Entsprechend müssen die dicken Fenster die ganze Zeit offen bleiben, was es Passanten erleichtert, durch eben jene hindurch die fast immer gleichen Fragen zu stellen: "Welches Baujahr, wie viel PS?" wollen ältere Semester wissen, während jüngere uns bitten, die Blinker zu betätigen.

Hier klappen zur Verblüffung vieler auf Knopfdruck nämlich kleine Wimpel aus den B-Säulen. Und ist der erste Wissendurst gestillt, folgt oft eine persönliche Geschichte: Die, wie man einst im Ur-Käfer die Alpen bezwang und noch echte Abenteuer bestehen musste, um mit Kind und Kegel im sonnigen Italien zu weilen. Der Ur-Käfer – vor allem ältere Mitmenschen verknüpfen mit ihm unvergessliche Erlebnisse. Auch ich werde wohl noch lange von diesem Erlebnis zehren, denn der einst so allgegenwärtige Käfer ist aus heutiger Sicht, vor allem in der von mir gefahrenen Brezelfenster-Version, eine Zeitreise in eine längst vergangene Welt des Automobilbaus, die unweigerlich in mir die Frage aufkommen lässt: Wie konnten sich einst unsere Vorfahren auf langen Reisen derartigen Tortouren aussetzen?

Das Exemplar aus dem Jahr 1951 war ein überaus einfach gestricktes Auto. Abgesehen von einem an eine Dahlbusch-Bombe erinnernden Aschenbecher gibt es keine noch so kleine Annehmlichkeit. Vier unbequeme und enge Sitze, ein Tacho, ein Lenkrad, eine Uhr – Hauptsache, die Kiste fuhr. Mich übrigens an diesem Samstag auf einer Oldtimer-Rallye im Rahmen der 4. Schloss Bensberg Classics. Ich bin Beifahrer und darf meinem Piloten Andreas Mohringer die Anweisungen geben.

Es geht zum Glück nicht um Tempo

Durch das Bergische Land zwischen Bergisch-Gladbach und Wipperfürth geht unsere fast sechsstündige, aus vier Etappen bestehende Tour. Bei einer Oldtimer Rallye ist zum Glück nicht Schnelligkeit gefragt, sonst wären wir mit unserem 24 PS starken Boxer im Heck hoffnungslos untererlegen. Vielmehr gilt es, zu bestimmten Zeiten an bestimmten Punkten anzukommen und außerdem noch zu zeigen, dass man ein feines Gespür für seinen Oldtimer hat. Das Ganze klingt theoretisch banaler als es praktisch ist.

Doch nicht allein die Gleichmäßigkeitsprüfungen oder die als Gymkhanas bezeichneten Geschicklichkeitsprüfungen zehren an unseren Nerven. Es ist vor allem der von VWs Classic-Abteilung zur Verfügung gestellte Käfer, der verdeutlicht, welche enormen Fortschritte Autos in den letzten 60 Jahren vollzogen haben. Der Käfer ist laut, hoppelig und in keinster Weise zum entspannten Dahingleiten ausgelegt. Der an ein für Zwischengasstöße dankbares Viergang-Getriebe gekoppelte Boxer müht sich redlich, doch maximal sind mit endlos langem Anlauf nur 100 km/h möglich.

Shakespeare-Auto

Mohringer bezeichnet den Käfer entsprechend als Shakespeare-Auto, der "viel Lärm um Nichts" macht. Doch nicht allein die Akustik verleidet Hochgeschwindigkeitsaspirationen, denn spätestens ab 90 km/h liegt der Wagen derart schwammig auf der Straße, dass einem Angst und Bange werden kann. Aufgrund der Abwesenheit jeglicher sicherheitsrelevanter Ausstattungsdetails und dem Fehlen einer Knautschzone mutet unsere Zeitreise im Angesicht der heutigen Vollkasko-Mentalität wie ein Himmelfahrtskommando an.

In die Klassik-Abteilung von VW hat es der Brezel-Käfer übrigens erst im Jahr 2009 geschafft. Zuvor fristete er ein tristes Dasein in Schweden, bis ihn mit viel Aufwand und Experten-Wissen das VW-Team wieder in einem technisch einwandfreien und fahrfertigen Zustand gebracht hat. Viele Teile mussten zwar erneuert werden, dennoch hat man bei VW Wert darauf gelegt, das Schmuckstück möglichst im Originalzustand zu belassen beziehungsweise wieder zu bringen.

Mit Aufwand auf Original getrimmt

Die reichlich eingesetzten Textilien (Sitzbezüge, Dachhimmel etc.) sehen tatsächlich wie die historischen Originalstoffe aus. Und auch der Außenlack wurde neu aufgetragen und dabei optisch mit enormen Aufwand den historischen Nitrolacken nachempfunden. Ein Spezialist aus Cottbus hat mit Airbrush-Effekten und viel Polierarbeit ein verblüffendes Ergebnis erzeugt. Viele kundige Oldtimer-Liebhaber streicheln auf den Bensberg Classics mit anerkennenden Gesten über den Retro-Lack unseres mit der Startnummer 10 beklebten Käfers.

Nach dem Ende der Rallye musste ich dann auch noch persönlich das Gaspedal des Brezel-Käfers streicheln. Recht schnell merke ich, dass die Bremsen, auch bedingt durch die Reifen, kaum Wirkung zeigen. Mit Gefühl und am besten mit langem Weg nehmen ich ganz sachte Geschwindigkeit raus, weit vorausschauend und bitte nicht abrupt. Das mögen die Trommelbremsen nicht, der Wagen zieht sonst zur Seite, die Stopper blockieren und in welche Richtung der Käfer dann tendiert, ist schwer vorherzusagen.

Besser ins Museum

Nach wenigen Kilometern gewöhne ich mich an das kapriziöse Verhalten und wage mehr. Doch beim ersten Versuch, mit etwas Schwung ums Eck zu fahren, reagiert die 60 Jahre alte Fuhre bockig. Ein spontanes Bremsmanöver verschärft die Grenzbereich-Situation zusätzlich. Mir reicht dieser persönliche Eindruck. Der Nostalgie-Virus hat mich nicht befallen und werde ich nie vergessen, dass ein 50er-Jahre-Käfer besser ins Museum als in den hektischen Straßenverkehr von heute gehört.

Vergessen werden ich die Ausfahrt im alten Käfer aber auch deshalb nicht, weil diesem Oldtimer unglaublich viel Sympathien entgegengebracht wurden. Kein Neid, sondern stets aufmunterndes, freudiges Winken und freundliche Kommentare begleiteten uns auf den 4. Bensberg Classics.

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