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Erster Test: VW Gol 1.6 – Dom Promillo

Unter den erfolgreichsten VW-Modellen rangiert er mit über sieben Millionen verkauften Exemplaren auf Platz drei. Er ist ein Star, seit einem Vierteljahrhundert unangefochtene Nummer Eins in Brasilien.

Und doch müssen wir in Europa keineswegs traurig sein, dass „Das Auto“ Südamerikas hierzulande nicht zu haben ist, wie wir auf einer Testfahrt feststellen durften. Die Rede ist vom VW Gol, der mittlerweile in seiner sechsten Generation (drei Grundtypen/drei Facelifts) in Brasilien angeboten wird. Anders als es der Name eigentlich vermuten lässt, handelt es sich dabei nicht um eine südamerikanische Golf-Interpretation sondern vielmehr um ein Polo-Derivat, welches aus einem technischen Sammelsurium älterer VW-Modelle, unter anderem auch des Golfs, zusammengestrickt ist.

Während die erste Generation noch wie eine Mischung aus dem ersten Scirocco und dem ersten Polo anmutete, trug der zweite Gol starke Züge der ebenfalls zweiten Generation des Seat Ibiza. Erst mit der Präsentation des aktuellen Gol, der im Juli 2008 sogar der damalige brasilianische Präsident Lulea beiwohnte, trägt er ein vergleichsweise eigenständiges Blechkleid, welches selbst auf den zweiten Blick nicht nach Polo aussieht, obwohl der Gol auf eben jenen Kleinwagen-Modell aufbaut.

Eher schlicht als schön

Entsprechend ist das viertürige und fast 3,90 Meter lange Exemplar noch deutlich vom Längenmaß der Kompaktklasse entfernt. An den Golf erinnert höchstens die im Juli 2012 eingeführte neue Frontoptik, die von einer die Horizontale betonenden Einheit aus Kühlergrill und Scheinwerfern geprägt wird. Ansonsten handelt es sich um ein etwas rundlich wirkendes und insgesamt unscheinbares Steilheckmodell mit großen, glatten Flächen. Feine und verspielte Sicken, scharfe Lichtkanten oder ausdrucksstarke LED-Lichttechnik? Fehlanzeige.

So kann das brasilianische Allerweltsauto wohl auch einen breiten Geschmack treffen, denn weder eckt der Gol an, noch vermag er beim Betrachter auch nur ansatzweise Begeisterung wecken. Damit wird aber auch nicht zu viel versprochen, denn der Innenraum ist ebenfalls von Sachlichkeit geprägt. Platz ist selbst für europäische Erwachsene vorne wie hinten ausreichend vorhanden und zudem ist der Kofferraum für die alltäglichen Dinge ausreichend variabel und groß dimensioniert.

Ananas-Bodenmatte

Bei der Qualitätsanmutung zeigen sich allerdings im Vergleich zu den in Europa angebotenen VW-Modellen deutliche Unterschiede. Die Materialien sind einfach, die grauen Kunststoffoberflächen hart und werden weder von Auge noch Hand als sonderlich schmeichelhaft erlebt. Qualitativ sogar schlecht wirkt die teilweise etwas grobschlächtig ausgeschnittene Bodenmatte. Ökofreunde mögen vielleicht frohlocken, dass diese aus Ananas-Pflanzenfasern besteht, doch die von VW so oft beschworene Wertigkeit bleibt bei diesem Naturprodukt auf der Strecke.

Auch ausstattungsseitig mag so ein Gol den Gepflogenheiten moderner Autos in unseren Breitengraden nicht gerecht werden. Selbst ABS bekommt man nur gegen Aufpreis und müssen andere Wünsche sogar für finanzkräftige Kunden unerfüllt bleiben: Ein schöner, vollintegrierter Navi-Multimedia-Alleskönner, eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik oder intelligente Assistenzsysteme – alles nicht verfügbar. Fensterheber, Borcomputer, CD-Radio und eine manuelle Klimaanlage sind das Höchste der Gefühle.

Kein Freund flotter Kurven

Apropos Gefühle: In Bezug auf das Fahrverhalten mochten sich auf unserer Testfahrt keine lustvoll-freudigen einstellen. Die Lenkung ist teigig, der Komfort angesichts der oft groben Straßenbeläge Brasiliens immerhin ordentlich, doch scheinen dem nicht sonderlich feinfühligen Fahrwerk gehobene Querdynamikfreuden fremd. Wenn es sie denn in Brasilien ansatzweise geben würde, müsste man Kurven mit einer gewissen Behutsamkeit durchtasten, denn sonderlich vertrauenserweckend reagierte der Gol auf Richtungswechsel nicht.

Der Motor unserer 1,6-Liter-Topversion ist übrigens ein Vollblut-Alkoholiker, der den Wagen entsprechend stramm voranschieben kann. Knapp über 100 PS soll das Saugaggregat aus seinen vier Zylindern herausschütteln und im Idealfall die knapp eine Tonne wiegende, spartanische Leichtbau-Konstruktion in nur 9,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen und fast 190 km/h schnell machen. Wobei Höchstgeschwindigkeits-Ambitionen auf brasilianischen Straßen wohl nur Fahrer mit einer gewissen Todessehnsucht hegen dürften.

Allestrinker

Für die gleiche Motorvariante gibt VW übrigens zwei Leistungs- und Fahrwerte an. Die bislang genannten, spritzigen Werte erreicht der Gol mit seinem hochverdichteten Ottomotor, wenn er von reinem Alkohol beschwipst auf Pistensause gehen darf. Alternativ ist der Gol mit einem Benzingemisch, dem lediglich 22 Prozent Ethanol beigemengt wird, etwas langsamer. Brasilien ist nun mal der weltweit größte Produzent des aus Zuckerrohr gewonnenen Alkohols Ethanol, den man an den Tankstellen in einer 22- oder 100prozentigen Ausführung zapfen kann. Reines Benzin gibt es gar nicht. Deshalb ist der Motor des Gol auch vollflexibel auf Ethanolkonsum eingestellt. Eine Sensorelektronik stellt fest, in welchem Verhältnis Ethanol im Sprit ist, was dann die Motorsteuerung entsprechend berücksichtigt.

Umwelttechnisch bietet der mindestens 22prozentige Ethanol-Anteil im brasilianischen Sprit den Vorteil, aus regenerativen Quellen zu stammen, was bei der Reduzierung der CO2-Emissionen helfen soll. Die Kehrseite sind unter anderem abschreckende Monokulturen der gigantischen Zuckerrohr-Plantagen und der massive Rückbau von Urwald zugunsten von Anbauflächen, die nicht der Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen. Ob damit ein Gol trotz einer vielleicht besseren CO2-Bilanz wirklich umweltfreundlicher unterwegs ist, ist Gegenstand vieler kontrovers geführter Diskussionen.

Brasilien – ein teures Autoland

Ein Liter Ethanol-Sprit kostet übrigens etwas über einen Euro. Wirklich günstiger ist Autofahren in Brasilien im Vergleich zu Deutschland allerdings nicht, denn der Mehrverbrauch steigt bei Ethanol 100 um über 50 Prozent im Vergleich zu reinem Benzin. Auch beim Anschaffungspreis des Autos muss man angesichts des niedrigen Durchschnittseinkommen in Brasilien erschreckend tief in die Tasche greifen. Fast 13.000 Euro kostet der viertürige Gol mit dem vollflexiblen 1,6-Liter-Ottomotor. Das ist zwar etwas günstiger als ein vergleichbarer Polo hierzulande, aber angesichts der mäßigen Qualität und Ausstattung ist der Gol sogar teurer. Eigentlich bekommt man mit dem Gol einen VW auf dem Qualitätsniveau des Dacia Sandero, der hierzulande mit 100-PS-Benziner bereits für 9.800 Euro zu haben ist.

Würde VW seinen brasilianischen Gol nach Deutschland bringen, wäre ein ähnlich günstiger Preis wie beim Sandero kaum machbar. Aufgrund von Wechselkurs, Lohn- und Transportkosten müsste VW den Gol hierzulande wohl für einen ähnlich hohen Preis wie in Brasilien anbieten. So gesehen brauchen wir keineswegs traurig darüber zu sein, dass der Gol ein rein brasilianisches Modell bleiben wird. VW hegt nämlich keine Absichten, das extrem erfolgreiche Modell Gol nach Deutschland zu bringen. Der VW Gol kann in Brasilien zwar auf eine atemberaubende Karriere zurückblicken, doch Eroberungspotenzial bietet er für andere Märkte nicht. Der Gol wurde auf die speziellen Bedingungen Brasiliens hin abgestimmt, was seinen Erfolg dort begründet. In Europa wäre er mit seinen besonderen Eigenschaften allerdings nicht konkurrenzfähig.

Sein unscheinbares Design, die mäßige Qualitätsanmutung und die wenig begeisternden Fahreigenschaften lassen ihn zumindest aus europäischer Sicht alles andere als begehrlich erscheinen. Insofern können wir uns glücklich schätzen, dass VW für Europa deutlich attraktivere Autos im Portfolio hat.

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