Um diesem Ziel näherzulommen, hat die VW-Nutzfahrzeugsparte in Kooperation mit Großkunden den Crafter zum e-Crafter weiterentwickelt, einen im Umkreis von 35 bis 50 Kilometer um den Firmensitz oder die Beladestation einsetzbaren Hochdach-Kastenwagen. Dieses Konzept ist exakt auf zumeist im innerstädtischen Bereich operierende Unternehmen zugeschnitten, die wie die Kurier- und Logistikdienste den im Marketingjargon „last mile“ genannten letzten Abschnitt der Warenauslieferung bedienen, aber auch Handwerksbetriebe, Einzelhändler oder Energieversorger.
Die Reichweite des bis zu 290 Nm und 100 kW/136 PS bereitstellenden e-Crafter liegt im Test nach (veralteter, aber nach wie vor anwendbarer) Norm bei 173 Kilometer. Im Verkehrsalltag sind die Kraftreserven normalerweise schneller erschöpft, obwohl die Maximalgeschwindigkeit auf 90 km/h begrenzt ist. Realistisch, erklärt VW, seien 120 bis 130 Kilometer - immerhin deutlich mehr, als die potenzielle Käufer benötigten. Den e-Crafter auf eine größere Reichweite auszulegen, hat man sich verkniffen, obwohl unter dem Laderaumboden noch Platz für weitere Akku-Pakete vorhanden ist: VW und den 25 die Testflotte von 38 Fahrzeugen vorab erprobenden Großkunden aus vier Ländern erschien es wichtiger, zugunsten bestmöglicher Nutzlast auf unbenötigte Kilometerleistung zu verzichten. 975 bzw. 1720 Kilogramm können in den knapp sechs Meter langen, als 3,5- oder 4,2 Tonnen erhältlichen e-Crafter eingeladen werden. Der 3,45 Meter lange und 1,86 Meter hohe Laderaum fasst 10,7 Kubikmeter.
15.000 Euro teurer als die Dieselvariante
Knapp 70.000 Euro netto (= ohne Mehrwertsteuer) kostet der elektrisch angetriebene Kastenwagen, 15.000 Euro mehr als ein gleich großer, vergleichbar ausgestatteter Crafter mit Dieselmotor. Ob sich die Investition lohnt, ist schwer zu berechnen, denn nicht alle Faktoren, die für die Anschaffung eines E-Fahrzeugs sprechen, sind in Euro und Cent zu erfassen. Dazu gehört, dass der Einsatz von Elektrofahrzeugen von Umweltbewusstsein zeugt, also das Firmenimage stärkt, laut VW sicherstellt, dass dieser Teil der Firmenflotte mit allen weltweit erdenklichen Umweltzonen kompatibel ist: Von Einfahrverboten, wie sie zum Beispiel in Hamburg oder Paris je nach Schadstoffklasse und Antriebsart umgesetzt werden, ist der e-Crafter auch langfristig nicht betroffen. Den Mehrpreis allein über die günstigeren „Treibstoff“kosten auszugleichen, dürfte kaum gelingen, obwohl pro 100 Kilometer lediglich Strom im Gegenwert von etwa 2,1 Liter Diesel verbraucht wird. Auch die geringeren Werkstattkosten wirken sich allenfalls kostendämpfend aus.
Maximale Bremskraftrückgewinnung
Wie jeder Crafter fährt sich auch die e-Variante wie ein Pkw. Die Fahrer stellt der Umstieg auf Elektroantrieb vor keinerlei Probleme. Allerdings müssen sie ein paar neue Regeln beachten. Es ist beispielsweise unmöglich, den E-Motor zu starten, wenn die Tür nicht geschlossen und der Gurt nicht angelegt ist, der Wahlhebel nicht auf P und der rechte Fu§ nicht auf der Bremse steht. Läuft der Motor, geht es dank zugkräftiger Antriebseinheit und Ein-Gang-Automatik sehr flott und nahezu lautlos voran. Schalten muss der Fahrer nicht und bei vorausschauender Fahrweise auch nur sehr selten aufs Bremspedal treten: Der e-Crafter wird äußerst wirksam verlangsamt, sobald das Gaspedal entlastet wird, denn die Technik geht in diesem Moment in den Rekuperationsmodus, wandelt also Bremsenergie in Batterieladung um.
Leitet der Fahrer diesen Vorgang rechtzeitig ein, kommt der e-Crafter vor einer roten Ampel zum Stillstand, ohne dass der Fahrer per Pedal nachgeholfen hat. Die Bremswirkung lässt sich nicht variieren; aufgrund der Tests mit Großkunden in vier EU-Ländern (Niederlande, Großbritannien, Deutschland und Schweden) wurde entschieden, auf zwei der drei ursprünglich vorhandenen Rekuperationsstufen zu verzichten. Die verbliebene Stufe sichert maximale Bremsenergie-Rückgewinnung.
e-Crafter nutzt eGolf-Technik
Die Antriebstechnik stammt aus dem eGolf. Die Batterie-Speicherleistung mit 35,8 Kilowattstunden wurde unverändert übernommen, die Peripherie jedoch verstärkt. Gebaut wird die e-Version des Crafter in Polen: die Endmontage der elektrischen Komponenten erfolgt allerdings im Stammwerk der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover. Das kompakte Modul, bestehend aus Motor, Getriebe und Differenzial, wird im Komponentenwerk Kassel produziert. Zu den weiteren technischen Elementen des die Vorderachse antreibenden Systems gehören das Motorsteuergerät und die sogenannte Leistungselektronik. Sie steuert den Hochvoltenergiefluss zwischen Elektromotor und Batterie. Der in der Lithium-Ionen-Batterie gespeicherte Gleichstrom (DC) wird dabei durch die Leistungselektronik in Wechselstrom (AC) umgewandelt. Hinzu kommt ein DC/DC-Wandler, der für das Bordnetz 12 Volt Spannung bereitstellt.
Dockt der e-Crafter an einer Schnellladestation des Typs CCS an, ist die Batterie nach 45 Minuten wieder zu 80 und nach weiteren 20 bis 30 Minuten zu 100 Prozent geladen. An einer 7,2-Kilowatt-Wandbox dauert dieser Vorgang fünf Stunden und 20 Minuten. Auch das Laden per Schuko-Steckdose ist möglich - allerdings muss der e-Crafter in diesem Fall bis zur Vollladung 17 Stunden pausieren.
Umfangreiche Serienausstattung
Erwartet wird, dass die Absatzzahlen im ersten vollen Jahr nach Verkaufsstart im vierstelligen Bereich liegen. Der Preis - 69.500 Euro - gilt sowohl für die 3,5- als auch die 4,2-Tonnen-Ausführung. Serienmäßig treten die e-Crafter mit einem umfangreichen Ausstattungspaket an. Enthalten ist unter anderem eine Einparkhilfe inklusive Flankenschutz (reduziert dank 16 rund um das Fahrzeug verteilten Ultraschallsensoren das Risiko, beim engen Rangieren den eigenen Wagen oder andere Fahrzeuge zu beschädigen) und eine Rückfahrkamera. Des Weiteren verfügt der e-Crafter über LED-Scheinwerfer für Abblend-, Fern- und Tagfahrlicht, eine Klimaautomatik, Sitzheizung, Wärmepumpe und beheizte Frontscheibe, Komfortsitze und das Navigationssystem „Discover Media“ inklusive „App-Connect" zum Einbinden von Smartphone-Apps, Sprachbedienung und Mobiltelefon-Schnittstelle. Zudem ist der e- wie jeder Crafter, als erstes Nutzfahrzeug seiner Klasse, mit einer serienmäßigen Multikollisionsbremse ausgestattet, die Folgeunfälle verhindern kann.