Einfach nur ein aufgehübschter Passat ist der elegante Viertürer aber auch nicht: In kaum einen anderen Auto verschmelzen Sportlichkeit, Alltagsnutzen und Schönheit zu so einer gelungenen Kombination. Ein Passat ist praktisch, aber sicher nicht umwerfend schön; der (inzwischen eingestellte Scirocco war sportlich, aber ziemlich unpraktisch, und der neue Touareg sieht zwar gut aus und hat jede Menge Platz, mit der Sportlichkeit ist es aber nicht so weit her. Wie man es auch dreht und wendet, die eierlegende Wollmilchsau gibt es einfach nicht. Oder vielleicht doch? Zumindest kommt der VW Arteon recht nahe ran.
Erstaunlich viel Platz
Auf 4,86 Meter Länge erstreckt sich die geduckte – Marketing-Experten würden sagen „coupéhafte“ – Limousine, die vorne mit einem selbstbewusst-großen Kühlergrill und scharfen Scheinwerfern beginnt und hinten in einem kecken, breiten Bürzel endet. Eine Erscheinung, die auf jeden Fall mehr hermacht, als der Passat, und spätestens wenn sich eine der rahmenlosen Türen öffnet, denkt niemand mehr an den Vertreter-Charme der Mittelklasselimousine, die die technische Basis für den Arteon bereit stellt.
Auch wenn man es dem Arteon von außen nicht ansieht: Unter dem eng sitzenden Blechkleid ist noch jede Menge Platz für Passagiere, selbst Zwei-Meter-Hünen sitzen vorne und (!) hinten hervorragend. Einzig der Ein- und Ausstieg in die tiefen Sessel ist, zumindest mit Rückenbeschwerden, ein bisschen beschwerlicher als im Passat. Der üppige Kofferraum ist dagegen ganz leicht zu beladen, möglich macht es die große, weit aufschwingende Heckklappe, unter der 563 bis 1.557 Liter verschwinden, die auch für ausgedehnte Urlaubsfahrten ausreichen.
Bewährtes Cockpit
Die aufgeräumte Inneneinrichtung selbst stammt tatsächlich großteils aus dem Passat. Das kann man mögen, weil das virtuelle Kombiinstrument und das große Touch-Infotainmentsystem nun mal State of the Art sind, oder nicht, weil man sich ein bisschen mehr Individualität gewünscht hätte. Aber auch wenn viele Bauteile aus dem Konzernregal bekannt sind: Mit der etwas flacheren Dachlinie und der tieferen Sitzposition fühlt sich der Arteon schon anders, sportlicher an als sein klassischer Mittelklasse-Bruder.
Damit die geschürte Dynamik-Erwartung auch vollends erfüllt wird, schlummert in unserem Testwagen das aktuelle Spitzen-Triebwerk: der Zweiliter-TSI, der es auf stattliche 280 PS bringt. Denen gegenüber steht mit 1,7 Tonnen zwar nicht gerade wenig Gewicht, Mühe hat der Vierzylinder damit aber keine. Serienmäßig wird seine Kraft (350 Newtonmeter ab 1.700 Touren) von einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe verwaltet, dass schon beim Anfahren soviel Power bereit stellt, dass der Arteon fast ruppig nach vorne schnellt. Wäre er nicht serienmäßig mit Allradantrieb ausgestattet, hätten die Vorderräder so ihre Probleme, die komplette Kraft auf die Straße zu bringen.
Mehr als genug Power
Nach dem ersten Zucken geht es gleichmäßig weiter und ohne merkliche Zugkraftunterbrechungen nimmt der Arteon fahrt auf, erreicht nach 5,6 Sekunden Landstraßentempo und zieht weiter kräftig durch, bis bei 250 km/h Schluss ist. Der schnell ansprechende Turbo sorgt auch bei spontanen Überholvorgängen dafür, dass ausreichend Power vorhanden ist, im Schiebebetrieb gleitet der Arteon dagegen niedertourig und damit spritsparend im siebten Gang dahin. Die versprochenen 7,3 Liter Durchschnittsverbrauch schafft man zwar nicht ohne Anstrengung, unter zehn Liter aber lässt sich die kraftvolle Limousine auf jeden Fall bewegen.
Einziger Wermutstropfen: Hin und wieder wünscht man sich eine richtige Automatik, mit Drehmomentwandler an Stelle der beiden Kupplungen. Dann würde der Arteon im Stadtverkehr wahrscheinlich einen Tick geschmeidiger anfahren und die Kraft nicht wie ein Überfallkommando auf die Kurbelwelle stürzen, und auch das Hin und und her beim Rangieren wäre etwas fluffiger. Und bei so manchem beherzten Tritt aufs Gas wäre der richtige Gang vielleicht noch ein bisschen schneller gefunden.
Sportlich abgestimmt
Nichts zu meckern gibt’s dagegen am Unterbau, zumindest wenn den sportlichen Anspruch als Maßstab nimmt: Federn und Dämpfer sind so aufeinander abgestimmt, das sie problemlos mitspielen, wenn den Fahrer die Lust am Kurvenräubern packt; präzise werden die Befehle der direkten Lenkung in Richtungswechsel umgesetzt und schon nach wenigen Biegungen kommt richtig Fahrspaß auf. Das dafür Querfugen oder Gullideckel nicht ganz so gut verdaut werden, muss man in Kauf nehmen. Natürlich gibt’s auch für den Arteon ein adaptives Fahrwerk, das zwischen den Stufen Komfort und Sport eine durchaus ordentliche Spreizung erkennen lässt, doch selbst im Bequemmodus sind die kurzen Anregungen im Innenraum spürbar.
Neben den Dämpfern nimmt der Fahrmodus natürlich auch auf Getriebe, Gaspedal und nicht zuletzt auch den Klang Einfluss. Der wird im Sport-Betrieb verschärft und nach einem Tastendruck brüllt der Arteon, fast schon ein bisschen prollig – allerdings nicht aus den beiden breiten und flachen Endrohren. Der vom Soundgenerator erzeugte Klang ist nur im ansonsten trotz der rahmenlosen Scheiben recht ruhigen Innenraum zu hören, von außen gibt sich der Arteon ganz dezent – zumindest akustisch: Mit der auffälligen Kurkuma-gelben Lackierung unseres Testwagens, dem R-Paket mit etwas mehr Chrom und optionalen schwarzen Rädern haut der VW schon ordentlich auf den Putz.
Viele Extras
Aber gut, wer mindestens 50.100 Euro in den stärksten Arteon investiert, darf ja auch ein bisschen klotzen – das sind immerhin gut 15.000 Euro mehr als das Basismodell kostet, und das Ende der Fahnenstange ist damit noch nicht erreicht. Das virtuelle Cockpit, das Head-up-Display (das seine Infos auf eine separat ausklappende Scheibe und nicht in die Windschutzscheibe projiziert), das große Infotainmentsystem, der Abstandstempomat (der auch auf Tempo-Schilder oder Kurven reagiert), das dynamische LED-Licht oder das Dynaudio-Soundsystem stehen extra auf der Rechnung und kosten gut und gern nochmal zehntausend Euro oder mehr. Damit rückt der Arteon dann doch in die Oberklasse auf.
Der Arteon ist der schönere Passat, keine Frage. Aber er kann mehr, als nur gut aussehen: Dank der großen Heckklappe lässt sich ordentlich Gepäck einladen und selbst im Fond bietet er trotz seiner flachen Dachlinie erstaunlich viel Platz. Und er lässt sich ziemlich sportlich bewegen, zumindest wenn man zum Top-Modell mit 280 PS unter der Haube greift kommt ganz schnell Fahrfreude auf. Einziges Manko - wie bei vielen VW-Modellen - ist das Dopplekupplungsgetriebe. Das verrichtet seinen Dienst zwar ordentlich, eine Wandlerautomatik wäre allerdings noch geschmeidiger - und bei einem Preis jenseits der 50.000 Euro durchaus erwartbar.