Tatsächlich steckt in ihm ein schick eingekleideter Golf, der sich in diesem Vergleich DEM Franzosen-Golf stellt – jeweils mit großem Gepäckraum und kleinem Diesel. Optisch herrscht weitgehend Einigkeit, denn eigentlich jeder scheint den neuen Leon als das gefälligere Auto wahrzunehmen. Wobei ihm vor allem seine feinen LED-Leuchten als auch seine dank modernster Blechfalttechnik sehr präzisen Lichtkanten sein Erscheinungsbild besonders aufwerten.
Der Mégane mag zwar in die Jahre gekommen sein, doch steht er auch ohne derart verfeinertes Technik-Chichi noch immer ansehnlich da, zumal er ein wenig anders ist und damit Charakter zeigt. Das ist nicht zwingend schön, bietet aber Kunden mit individuellerem Geschmack die gewünschte eigenständige Note. Und in beiden Fällen muss es nicht die kompakte Limousine sein, denn selbst mit Kombiheck stehen beide Probanden wohlproportioniert da.
Autoschlüssel im EC-Karten-Format
Auch beim Innenraum bietet der Mégane das eigenwilligere Arrangement. Kurios ist bereits das große Rechteck im EC-Kartenformat, welches als Autoschlüssel herhalten darf und nach dem Einsteigen in einem Schlitz verschwindet, während der Motor per Knopfdruck gestartet wird. Dann erstrahlt auch im Kombiinstrument die immer noch sehenswerte als auch unkonventionelle Kombination aus analogem Drehzahlmesser und einer Digitalanzeige für den Tacho.
Konventioneller gibt sich der Leon, bei dem Materialwahl und Ergonomie zudem recht deutlich an den VW Golf erinnern. So reibt sich auch hier ganz wie beim Golf das rechte Fahrerknie in oft störender Weise an der breiten Mittelkonsole. Anders als im Golf, und auch als im Mégane, gibt es im Leon noch einen großen manuellen Handbremshebel statt des bereits ziemlich weit verbreiteten Knopfs für die elektrische Feststellbremse. Ganz auf der Höhe der Zeit ist der spanische Golf allerdings bei der Qualität, die im Vergleich zum Renault neben den oft feineren Materialien auch mit einem solideren Aufbau und einer besseren Verarbeitung punktet.
Mégane mit Schwächen im Detail
Hier offenbart der Mégane an einigen Stellen zum Teil deutlich sichtbar eine kostenoptimiertere Machart. Ein Blick in die Heckklappen zum Beispiel verdeutlicht die Unterschiede: Während der Renault hier mit offenporigen und etwas unsauberen Schweißnähten liederlich gemacht wirkt, präsentieren sich beim Seat vergleichbare Stellen im Sichtbereich mit tadellosem Finish.
Auch beim Platzangebot ist der Renault um Nuancen schlechter und punktet der Seat, zumal angesichts seiner geringeren Länge und des geringeren Radstands, mit der besseren Raumökonomie, die vor allem den Fondgästen mehr Kniefreiheit beschert und auch mehr Platz für Gepäck bereithält. 587 Liter sind es normal im Leon, beim Renault hingegen 524 Liter.
Mehr Platz mit Falt-Trick
Das Blatt wendet sich allerdings, wenn man maximalen Stauraum will. Dieser lässt sich beim Seat mit der einfach umlegbaren Rückbanklehne und gegen 195 Euro Aufpreis über Fernentriegelungshebel maximal auf 1.470 Liter erweitern. Beim Grandtour kann man, wenn auch etwas umständlich, die Sitzflächen der Rückbank hochklappen, was dann die Möglichkeit bietet, die Rückbanklehne besonders flach zu machen und so Platz für 1.595 Liter zu schaffen.
Während im Heck ein jeweils großzügiges Raumangebot angesagt ist, knausern beide beim Hubraumvolumen im Bug. Im Fall des Renault kommt ein 1,5-Liter-Vierzylinder zum Einsatz, der sich mit einer kultivierten als auch angenehm druckvollen Art gut in Szene setzt. 110 PS und 260 Newtonmeter Drehmoment verschaffen ihm leistungsmäßig einen kleinen Vorteil, den er allerdings nur gefühlt für eine bessere Performance umzusetzen vermag. Im Drehzahlbereich so um 2.000 Touren, wo man in der Regel den Schub zum zügigen Beschleunigen abruft, wirkt der kleinere Diesel etwas fülliger und spritziger als der Motor im Leon.
Wenn weniger mehr ist
Doch bei den Fahrleistungen hat der mit 105 PS und 250 Newtonmeter eigentlich schwächere VW-Diesel mit 1,6 Liter Hubraum dennoch die Nase vorn. Beim Sprint dauert das Null-auf-100-Rennen nämlich recht kurzweilige 11,1 Sekunden, während beim Mégane schon 12,4 Sekunden vergehen. Nahezu Gleichstand herrscht bei der Endgeschwindigkeit, bei der sich der Seat mit 191 km/h um immerhin einen Zähler absetzen kann.
Auch beim Verbrauch gibt sich der Renault nicht ganz so, wie man ob seines Downsizings und seines Prüfstandwertes von lediglich 3,5 Litern vielleicht erwarten sollte. Selbst bei eher verhaltenem Reisetempo von 120 km/h kamen bei unserem Test praktisch zwei Liter obendrauf, Expressfahrten bei 160 km/h werden sogar mit sieben bis acht Litern geahndet.
Sparsamer trotz Fünfgang-Schaltung
Der dezent rauer wirkende 1,6er im Seat bescheidet sich bei ruhiger Fahrt mit 4,9 statt der angegebenen 3,8 Liter, während bei Tempomat 160 die Werte ebenfalls zwischen sieben und acht Litern variieren. Trotz seiner nur fünfstufigen manuellen Schaltung (Mégane hat sechs) bietet der schwächere Leon-Motor die praktisch bessere Performance bei zudem weniger Spritkonsum.
Ein nahezu ähnlich gutes Niveau bieten beide Probanden bei den Fahrwerken, die jeweils mit einem ausgewogenen Spagat zwischen Komfort und Dynamik überzeugen. Der Seat lässt sich noch mit etwas härterer Hand gefühlt präziser durch Biegungen zirkeln, während der früher zum Untersteuern neigende Renault einen etwas angenehmeren Federungskomfort bietet, der allerdings in beiden Fällen ruhig etwas ausgeprägter sein dürfte. Apropos Komfort: Hier schneidet der Leon auf längeren Touren mit den etwas strafferen und angenehmeren Sitzen und bei höheren Geschwindigkeiten außerdem mit den niedrigeren Windgeräuschen besser ab.
Technische Daten
Marke und Modell | Renault Mégane Grandtour | Seat Leon ST | ||
---|---|---|---|---|
Version / Ausstattung | Energy dCi 110/ Dynamique | 1.6 TDI 105 PS/ Refernce | ||
Motor | ||||
Hubraum (ccm) / Bauart | 1.461 / R4-Turbodiesel | 1.598 / R4-Turbodiesel | ||
Leistung (kW / PS) | 81 / 110 | 77 / 105 | ||
Drehmoment (Nm) / Umdrehungen | 260 / 1.750 | 250 / 1.500 - 2.750 | ||
Antriebsart | Frontantrieb | Frontantrieb | ||
Getriebeart | manuelle Sechs-Gang-Schaltung | manuelle Fünf-Gang-Schaltung | ||
Abmessung und Gewicht | ||||
Länge/Breite/Höhe (mm) | 4.559 / 1.804 / 1.507 | 4.535 / 1.816 / 1.454 | ||
Radstand (mm) | 2.703 | 2.636 | ||
Wendekreis (m) | k.A. | k.A. | ||
Leergewicht (kg) | 1.383 | 1.331 | ||
Kofferraum (Liter) | 524 - 1.595 | 587 - 1.470 | ||
Bereifung Testwagen | 205/55 R16 | 205/55 R 16 | ||
Verbrauch | ||||
Krafstoffart | Diesel | Diesel | ||
Kombiniert laut Werk (l/100km) | 3,5 (mit Start-Stop) | 3,8 (mit Start-Stop) | ||
CO2-Emissionen (g/km) / Abgasnorm | 90 / Euro 5 | 99 / Euro 5 | ||
AS24-Verbrauch (l/100km) | 5,5 | 4,9 | ||
Fahrleistungen | ||||
Werksangabe 0-100km/h (s) | 12,4 | 11,1 | ||
AS24-Sprint 0-100km/h (s) | k.A. | k.A. | ||
AS24-Bremstest 100-0km/h (m) | k.A. | k.A. | ||
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 190 | 191 | ||
Preise | ||||
ab (Euro) | 23.350,00 | 22.170,00 | ||
Empfohlene Extras | Abstandstempomat ACC, Teil des Fahrassistenzpakets II für 560 Euro, nur ab Ausstattung Style erhältlich | |||
Weitere DatenWeitere Daten |
Seat-Kunde muss tiefer in die Tasche greifen
In der Summe bewegen sich beide auf einem ähnlich guten Niveau und selbst beim Preis herrscht auf dem ersten Blick Gleichstand. Den Leon gibt es mit 105-PS-Diesel ab 22.170 Euro, für den Referenz-Mégane muss man über 1.000 Euro mehr bezahlen. Allerdings bietet Renault dann bereits die mittlere von drei Ausstattungsniveaus namens Dynamique, die einen satten Preisvorteil von über 2.000 Euro gegenüber einem vergleichbar ausgestatten und motorisierten Leon mit sich bringt.
Wer allerdings nicht so genau auf den Cent schaut und wer dann vielleicht sogar gewillt ist, noch mehr zu investieren, wird sich zudem an den reichhaltigeren Optionen des Leon erfreuen können. Für den Golf-Ableger kann man nämlich noch Nützliches und Angenehmes wie ein adaptives Fahrwerk, eine Progressivlenkung, einen Abstandstempomat, eine City-Notbremsfunktion und die schicken - wenn auch im Vergleich zu Bi-Xenon-Leuchten lichttechnisch nicht wirklich überzeugenden und zudem recht teuren - LED-Scheinwerfer bekommen. Allerdings weist auch der Mégane ein paar Besonderheiten auf, wie die elektromechanische Parkbremse oder das schlüssellose Zugangs- und Startsystem. Auf beides muss der potentiell verwöhntere Leon-Fahrer grundsätzlich verzichten. Sollte es vor allem um Qualitätseindruck bei Verarbeitung und Materialien gehen, wäre der Seat Leon in diesem Vergleich der eindeutige Sieger. In mehreren Punkten meint man dem Renault seinen tatsächlich auch günstigeren Preis anzumerken. Der Seat ist aber noch in weiteren Aspekten zumindest um Nuancen ausgewogener und besser: So bietet er trotz weniger Leistung den flotteren und zugleich sparsameren Antrieb, die Windgeräusche sind niedriger, das Platzangebot an vielen Stellen besser. Und dann kann man noch ein paar fortschrittliche Ausstattungsdetails ordern.
Doch verzichten muss man mit dem Renault Mégane nicht wirklich. Im Gegenteil: Gefühlt bietet sein kleiner und feiner Diesel den fülligeren Vortrieb und beim maximalen Stauraum vermag er den Seat sogar um mehrere Dutzend Liter übertrumpfen. Darüber hinaus bietet der Grandtour ein gewisses Etwas, das eben Franzosen, selbst wenn sie in Spanien gebaut werden, so liebenswert macht. Und dann bietet der Renault-Kombi noch einen deutlichen Preisvorteil, der sich im Fall der von uns getesteten kleinen Dieselmotoren sich auf immerhin rund 1.000 Euro beläuft.