Diesen bieten zum Beispiel zwei britische Fliegengewichte, die querdynamisch zum Maß der Dinge zählen: Caterham Seven Roadstport 175 SV und Lotus Elise SC. Wie unterschiedlich die blutsverwandten Engländer sportliche Härte vermitteln, hat uns beim gemeinsamen Schaulauf am Nürburgring überrascht.
Die Markennamen Caterham und Lotus weisen eigentlich nicht auf das enge verwandtschaftliche Verhältnis der beiden Heißsporne hin. Doch war es Leichtbau-Papst Colin Chapman, der 1957 mit seiner Firma Lotus den Seven in den Markt brachte. Ohne ein Gramm Fett, spartanisch und klein überzeugte der Seven vor allem als Sportgerät der Club-Rennszene. Doch Chapman strebte mit seiner Firma Lotus nach Höherem und überließ ab 1973 dem damaligen Vertragshändler Caterham die Produktionsrechte am Seven.
Seit fast vier Jahrzehnten wird der stetig modifizierte und seinem Ursprung dennoch treue Seven deshalb unter der Marke Caterham gebaut und verkauft. Hierzulande führt er ein Nischendasein, gehört zu den auffälligen Exoten im Straßenverkehr und kann dank seiner simplen und eleganten Oldtimer-Optik erstaunlich viel Begeisterung hervorrufen.
Ungleiches vergleichen
Der Vergleich mit der Elise ist zugegebenermaßen so naheliegend wie ein Test zwischen dem Ur-Porsche 356 und dem Carrera GT. Doch Elise und Seven konkurrieren aktuell um eine kleine Schar Infizierter, die rund 50.000 Euro einfach so übrig haben sollten. In etwa dieses Geld sollte man für einen der beiden Renner in den jeweils angetretenen Versionen investieren.
Die ebenfalls rare und jüngst geliftete Elise ist ein im Vergleich zum Seven optisch durch und durch moderner Entwurf, der mit seiner Schrumpf-Ferrari-Aura ebenfalls viele Blicke auf sich zieht. Direkt nebeneinander wundert man sich, wie mächtig die eigentlich zierliche Elise wirkt. Die deutlich flachere, rollende Zigarre kann sich fast vollständig hinter ihrem Enkel verstecken.
Oldtimer vs. Neuzeit-Racer
Allein die Scheinwerfer verdeutlichen die Unterschiede im Technik-Niveau der beiden Probanden: Beim Seven kommen freistehende Rundleuchten zum Einsatz, die irgendwie noch nach Karbidbrenner aussehen, während die Elise mit schicken LED-Tagfahrlichtern in elegant im Kotflügel integrierten Scheinwerfer-Einheiten modernstes Hightech-Verve versprüht.
Eigentlich hatten wir in Erinnerung, dass der Einstieg in die Elise fortgeschrittene Yoga-Künste voraussetzt. Doch wer sich einmal in die deutlich engere Fahrgastzelle des Seven gezwängt hat, erlebt das Entern in die Lotus-Flunder als fast schon generös. Selbst schlanke und gelenkige Zeitgenossen wundern sich, welch faltintensives Körper-Origami nötig wird, um in den Seven zu schlüpfen. Wie gut, dass sich das Momo-Lenkrad per Schnellverschluss abnehmen lässt.
Von wegen spartanisch
Das ist aber auch der so ziemlich einzige Komfort, den ein Caterham zu bieten hat. Ansonsten wurde hier um den extrasteifen Gitterrohrrahmen ein höchst spartanischer Arbeitsplatz gestaltet, der neben engen Sitzen und den eng beieinander liegenden Pedalen noch ein paar Rundinstrumente und Schalter bietet.
Ganz anders die oft als asketisch gerügte wie gelobte Elise. Hier fühlt man sich im Vergleich zum Seven wie in einem modernen und komfortbetonten Fahrzeug. Für die Kletterpartie über den breiten Einstiegsschweller ist zwar ebenfalls eine gewisse Grundgelenkigkeit gefragt und die Kopffreiheit unter dem hüfthohen Stoffdach etwas mager – doch nach dem Seven sieht man moderne Errungenschaften wie Ablagen, Airbags, Klimaanlage oder einen Getränkehalter mit anderen Augen.
Leichtbau ist nicht alles
Doch ist es eben jener „Luxus“, der die Elise so verfetten lässt. Im Fall der dank Kompressoraufladung immerhin 220 PS starken SC-Version wollen trotz intensiver Leichtbau-Maßnahmen fast 900 Kilogramm bewegt werden. Der Seven SV hat angesichts der immerhin 175 PS seines Ford-Reihen-Vier-Zylinders rund 300 Kilogramm weniger zu wuchten. Das mit extrem kurzen Schaltwegen gesegnete, sich sehr mechanisch anfühlende Fünf-Gang-Getriebe leitet diese Kraft an eine De-Dion-Hinterachse.
Doch Leichtbau allein ist für die Längsdynamik-Performance eher nachrangig. Laut Datenblatt sollte der aufgepumpte und immerhin 45 PS stärkere Ur-Enkel trotz Hüftgold den Seven locker in die Tasche stecken. Statt der angegebenen 4,6 braucht die Elise zwar 5,1 Sekunden für den Standardsprint, doch auch der Seven bleibt mit 5,3 Sekunden exakt eine halbe Sekunde hinter der Werksangabe. Bei der Höchstgeschwindigkeit fährt sich die Lotus-Flunder mit 233 km/h einen noch deutlicheren Vorsprung heraus. Zwar soll der Seven immerhin 208 km/h schnell werden, doch fahren möchte man diese Geschwindigkeit höchstens für kurze Zeit auf einer Zielgeraden.
Säuseln oder hämmern
Bei der Sprint-Disziplin ist der Elise übrigens noch eine elektronische Traktionskontrolle hilfreich, die ein Durchdrehen der Räder zumindest einschränkt, während die kleinen 15-Zoll-Avons beim Seven mächtig mit der Haftung zu kämpfen haben. Neben Reifenquietschen sorgt dabei der Ford-Motor aus dem Edelstahlauspuff für einen hämmernden, ungefilterten Sportklang. Das kompressorgeladene Toyota-Aggregat der Elise SC neigt hier im direkten Vergleich zu einem Säuseln und sorgt erst bei höheren Drehzahlen – so zwischen 6.000 – 8.000 Touren – für einen wilden Klang, bei dem sich irres Kreischen mit dem scheppernden Klang einer kaputten Oboe vermischt.
Der Akustikvergleich verdeutlicht bereits, dass der Seven die Insassen wie kaum ein anderes Automobil massiv den Elementen aussetzt. Mag die Elise vielen als puristisch gelten, im direkten Vergleich mit dem Seven fährt sie sich fast wie ein Corsa. Für wirklich ambitionierte und am besten noch talentierte Querdynamiker, Kurvenräuber und Letzte-Rille-Bremser empfiehlt sich der Seven zur Feinkalibrierung des Popometers. Der Seven ist härter, direkter, radikaler als alles andere auf vier Rädern.
Das wahre Gokart
Wer alle fahrdynamisch relevanten Bedingungen der Straße hautnah und ungefiltert erleben will und auf jede Aktion auch eine unmittelbare Reaktion wünscht, bekommt diesen Service im Seven prompt, absolut ungekünstelt. Ein Wanken der extrem steifen Karosserie in Kurven ist quasi nicht vorhanden, neigt sich bei Richtungswechseln allein der Körper der Insassen zur Seite. Der Seven ist das wahre Go-Kart für Erwachsene, was BMWs Mini – dieser Seitenhieb sei an dieser Stelle erlaubt - trotz gebetsmühlenartiger PR-Leier der Marketingabteilung übrigens nie war oder sein wird.
Technische Daten
Marke und Modell | Caterham Seven Roadsport 175 SV | Lotus Elise SC | ||
---|---|---|---|---|
Motor | ||||
Hubraum (ccm) / Bauart | 1.998 / R4 | 1.798 / R4 | ||
Leistung (kW / PS) | 120 / 175 | 163 / 220 | ||
Drehmoment (Nm) / Umdrehungen | 188 / 6.000 | 210 / 5.000 | ||
Antriebsart | Heckantrieb | Heckantrieb | ||
Getriebeart | manuelles Fünf-Gang-Getriebe | manuelles Sechs-Gang-Getriebe | ||
Abmessung und Gewicht | ||||
Länge/Breite/Höhe (mm) | 3.530 / 1.685 / 1.140 | 3.785 / 1.719 / 1.117 | ||
Radstand (mm) | 2.305 | 2.300 | ||
Wendekreis (m) | 10 | 11,4 | ||
Leergewicht (kg) | 575 | 870 | ||
Kofferraum (Liter) | k.A. | 112 | ||
Bereifung Testwagen | 195/45 R 15 | 175/55 R 16/ 225/45 R 17 | ||
Verbrauch | ||||
Krafstoffart | Benzin | Benzin | ||
Kombiniert laut Werk (l/100km) | 9 | 8,5 | ||
CO2-Emissionen (g/km) / Abgasnorm | 182 / Euro 4 | 199 / Euro 4 | ||
AS24-Verbrauch (l/100km) | k .A. | k.A. | ||
Fahrleistungen | ||||
Werksangabe 0-100km/h (s) | 4,8 | 4,6 | ||
AS24-Sprint 0-100km/h (s) | 5,3 | 5,1 | ||
AS24-Bremstest 100-0km/h (m) | k .A. | k.A. | ||
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 208 | 233 | ||
Preise | ||||
ab (Euro) | 41.500,00 | 46.620,00 | ||
Empfohlene Extras | 15-Zoll-Felgen für 2.400 Euro | Touring- und Sportpaket, zusammen etwa 5.600 Euro | ||
Weitere DatenWeitere Daten |
Auf unseren Runden auf der Nordschleife lehren uns Strecke als auch Seven hohen Respekt. Bei leicht feuchter Fahrbahn und dem bisweilen trickreichen Streckenprofil hat man nach wenigen Kurven die Manschetten an. Ein Seven verzeiht keine Fehler. Wer nicht genau weiß, was er tut, kommt ohne viel Federlesens in Schwulitäten. Wer hingegen sein Handwerk beherrscht und die Eigenheiten des Seven kennt, kann mit spektakulären Drifts den Könner raushängen lassen und beim freien Fahren auf der Nordschleife vielen hochpotenten Gegnern zeigen, wie Leichtbau in Kurvenfahrten die Leistung relativiert.
Elise fährt sich einfacher
Apropos relativieren: Die oft als bretthart, direkt und ebenfalls als Gokart-ähnlich verschriene Elise fühlt sich im Vergleich zum Seven wie der Maybach unter den Asphalt-Flüsterern an. Sollte jemals jemand behauptet haben, die Lotus-Flunder sei ein kompromissloser Sportler, der hat in diesem Moment nicht an das Fahrgefühl gedacht, welches der Seven vermittelt.
Trotz komfortabler Hülle, einer bei niedriger Geschwindigkeit fast schwammigen Lenkung, dem komfortabel und gelassen auf Unebenheiten reagierenden Fahrwerks, darf sich die Elise dennoch zum elitären Kreis hochkarätiger Sportgeräte zählen. Sie schmiegt sich allerdings mit wesentlich mehr Gelassenheit um enge Kurven, verzeiht dabei sogar kleinere Fehler und gibt dem Fahrer ein sehr leicht verständliches Gefühl für Kontrolle. Schnell und handlich ist sie ohnehin, doch kann man mit ihr die Nordschleife wesentlich gelassener genießen.
Fazit
Mit ein paar Extras muss man sowohl für den Seven SV 175 als auch für die Elise SC gut 50.000 Euro hinblättern. Im Fall des Lotus bekommt man dann allerdings deutlich mehr Auto und außerdem noch ein Quäntchen mehr Längsdynamik. Wer ein Spaßgerät mit einem gewissen Maß an Alltagstauglichkeit will, sollte hier zuschlagen. Wer hingegen echte Motorsportambitionen hegt, den besonderen Kick sucht und das wirklich harte Autoleben am Limit als Kult zelebriert, könnte mit dem Caterham – einem durch und durch biestigen Biest - glücklicher werden.
Ein fiktiver Stereotypen-Vergleich vermag die von uns erfahrenen, relativen Unterschiede verdeutlichen: Wenn der typische Seven-Fahrer ein gänzlich Furchtloser mit langem Zottelbart und großem Bierdurst ist, dann wäre der Elise-Pilot ein schwiegermutterkompatibler Jungspund mit einem Faible für Designer-Jeans und guten Prosecco. Zu wem Sie tendieren, dürfen Sie selbst entscheiden.
Wer übrigens auf Rennkursen gerne am Limit fährt – und für solche Grenzbereich-Jünger sind beide Briten gedacht – wird bei den nahezu unvermeidlichen Crashs und den damit einhergehenden Reparaturen beim Seven selber Hand anlegen können. Der Caterham ist ein Schrauber-Objekt in Reinkultur. Die Elise ist für eine hemdsärmelige Do-it-your-self-Garagen-Kultur hingegen zu kompliziert. Fortschritt ist immer auch Ansichtssache.