6er wie CLS firmieren als Coupé. Der BMW, weil er als zweitüriger 2+2-Sitzer eines ist. Der Benz, weil Mercedes ihn so nennt. Trotz vier Türen bringt er zumindest eine schwungvoll abfallende Dachlinie mit. Beeindruckende Erscheinungen sind beide, jeder auf seine Art.
Der BMW steht flacher, angriffslustiger da, polarisiert mit seiner breiten Nase, den hängenden Augen und vor allem mit dem gebirgsmassiven Kofferraumdeckel. Dagegen wirkt der tatsächlich fast zehn Zentimeter längere und auch breitere CLS graziler - trotz des am Testwagen angebrachten AMG-Optikpakets mit den wuchtigen Schürzen und Seitenschwellern. Die hochgezogenen Frontscheinwerfer, die sehr hohe Schulter und die extrem schmalen Seitenfenster strecken den Sternträger ungemein.
Grundverschieden ist auch die Atmosphäre im Innenraum. Nobel und mit einem Schuss Retrostyle, zeigt der Mercedes jedem seiner maximal vier Insassen: Das ist die Luxusklasse. Bei der Gestaltung des Armaturenbretts nahmen es die Designer wörtlich, setzten auf einen durchgehenden Edelholz-Riegel. Selbst die die Fondbank teilende Mittelkonsole ist holzgetäfelt.
Form vor Funktion
So viel Luxusambiente täuscht nicht darüber hinweg, dass es sich im Fond nur bedingt bequem reisen lässt. Die Beinfreiheit ist ausreichend, doch mangelt es an Kopffreiheit. Auch vorne, wo 185-Meter-Männer wegen des Schiebedachs ebenfalls den Himmel berühren. Nicht weniger ärgerlich: Wird bei Regen die Fondtür geöffnet, schwappt ein Wasserschwall auf die Sitzfläche.
Im BMW geht es hinten noch enger zu und der Einstieg ist trotz Entry-Funktion alles andere als easy ein Zweitürer eben. Eine Mittelarmlehne zwischen den zwei eng geschnittenen Sitzmulden im Fond gibt es nicht. Stattdessen ziert nur ein loses Polster die Skisackabdeckung. Im 6er sitzt man eben besser vorne. Am liebsten natürlich links hinter dem griffigen Lederlenkrad. Das Cockpit ist auf den Fahrer zugeschnitten, das Ambiente ebenfalls hochwertig, technischer, aber nicht so betörend wie im CLS.
BMW mag`s funktional: Der Bildschirm sitzt optimal einsehbar hoch, die holzverblendete Mittelkonsole ist nahezu frei von Tasten. Beinahe alle Audio- und Navigations-Funktionen müssen per iDrive angesteuert werden - nicht jedermanns Sache. Dafür hat man im Bayern eine bessere Rundumsicht, und auch der rechte Außenspiegel ist komplett einsehbar. Im CLS wird er teilweise von der A-Säule verdeckt.
In hohem Maße reisetauglich sind beide - vorausgesetzt, man fährt zu zweit. Die Kofferraumvolumina jedenfalls sind üppig. 450 Liter schluckt der BMW, 505 Liter der Mercedes. Umklappen lässt sich die Rückbank bei keinem, doch zumindest ist in beiden Aufpreislisten der Posten „Skisack“ vermerkt (CLS rund 200 Euro; 330 Euro im 6er).
Unterm Blech
Der 3,0-Liter-Reihensechszylinder im BMW 630i leistet 258 PS. Was seinen seidenweichen Lauf, die Drehfreude und die stetig mit der Drehzahl zunehmende Kraft betrifft, steht das Aggregat in bester BMW-Tradition. Kernig knurrt es bei mittleren Touren vor sich hin, trompetet dann hoch, bis ab 6.000 Umdrehungen ein metallisches Flirren mitschwingt. Besonders im Sport-Programm der hervorragend abgestimmten Sechsgangautomatik (€2.050) hängt der Sechser-Riegel ungemein bissig am Gas.
Diese Sportlichkeit fehlt dem CLS 350, dessen V6 immerhin 272 PS aus 3,5 Liter Hubraum schöpft. Doch muss er mit 1,7 Tonnen Leergewicht 150 Kilogramm mehr bewegen. Und die serienmäßige Siebengangautomatik setzt die Kraft spürbar träger um. Selbst im Handschaltmodus erfolgen die Gangwechsel mit merklicher Verzögerung zumindest im direkten Vergleich zum BMW, dessen Automat prompt auf den Schaltbefehl reagiert. Nicht falsch verstehen: Auch der CLS 350 beschleunigt hervorragend, klingt dabei voluminös kernig durchaus sportlich, aber unaufgeregter.
Dazu passen die Fahreindrücke. Während der 6er Spurrillen gerne nachläuft und bei niedrigem Tempo auch akustisch vernehmbar durch Schlaglöcher plumpst, bemüht sich der Benz sichtlich um mehr Ruhe. Bei hohem Autobahntempo relativieren sich die Unterschiede, spuren beide souverän dahin, wobei das Geräuschniveau im Mercedes auch hier etwas niedriger ist. Lediglich die ab Tempo 180 auftretenden Windgeräusche an den Außenspiegeln stören die schwäbische Stille.
Getrennte Wege
Sobald die Autobahn verlassen wird und die Landstraße wartet, gehen 6er und CLS getrennte Wege. Der Mercedes ist wie geschaffen für die auf Straßenkarten grün hinterlegten Strecken: Landschaftlich reizvolle Wege mit abwechselnd kurvigen Passagen und Zwischensprint-Geraden. Hier fühlt sich der CLS wohl, hier kann er seine hohen Cruiser-Qualitäten voll zur Geltung bringen. Spurgenau zu dirigieren, lässt er sich durchaus gerne auf Kurven ein. Unterstützt den Fahrer sogar, indem er ihm die kurvenäußeren Sitzwangen entgegenpumpt (Dynamik-Sitz: €655,40). Nur allzu hastig sollten die Links-Rechts-Richtungswechsel nicht aufeinander folgen. Einerseits geht dem Fauteuil dann die Puste aus. Andererseits kann der CLS sein hohes Gewicht nicht wegzaubern.
Ganz anders der 6er. Seine Lieblingsstrecken sehen in der Kartendarstellung aus wie heiße Spaghetti auf dem Teller: Gewunden und verdreht, rauf und runter, kreuz und quer. Die messerscharfe Servolenkung und der aktive Wankausgleich „Dynamik Drive“ (€2.600) verhelfen dem großen BMW-Coupé zu einer Agilität, die man anderswo nicht findet. Wer es richtig sportlich will, kann den weiter gesteckten DTC-Modus der elektronischen Stabilitätskontrolle (DSC) wählen. Von der kompletten DSC-Deaktivierung sollten weniger geübte Fahrer allerdings die Finger lassen, denn im Grenzbereich ist der 630i nicht frei von Lastwechselreaktionen. Kommt man in die Verlegenheit, in einer sehr schnell gefahrenen Kurve scharf bremsen zu müssen, verhält sich der CLS 350 einen Tick neutraler.
Rechenbeispiel
Beim Preisvergleich dann die Überraschung: Mit knapp 56.028 Euro Grundpreis ist der Mercedes deutlich günstiger, zumal er serienmäßig mit Automatikgetriebe vom Werksgelände rollt. Der 6er kostet 60.050, plus 2.050 Euro für die Schalthilfe. CD-Radio, Leichtmetallfelgen und Klimaautomatik haben beide von Haus aus mit an Bord.
Mit weiteren, in dieser Klasse im Grunde obligatorischen Sonderausstattungsposten wie Metallic-Lack, Navigationssystem und Lederausstattung geht die Preisschere noch weiter auseinander, denn die Einzelposten in der Münchner „Möcht’-ich-haben-Liste“ sind zum Teil deutlich teurer.
Fazit
BMW oder Mercedes? 630i oder CLS 350? Das sind Fragen des Geschmacks, des Fahrertypus`, letztlich des Charakters. Beide „Coupés“ ermöglichen spektakuläre Auftritte, verbinden Komfort und mit Fahrdynamik. Nur die Prioritäten liegen anders.
Der CLS ist mehr eine außergewöhnlich elegante Limousine denn ein sportliches Coupé. Er ist der schnelle Cruiser, fährt sich gesetzter, gelassener, komfortabler als der 6er. Der Bayer bietet dafür den Extraschuss an Fahrspaß, ist ein Fahrerauto par excellence. Rückbänkler duldet er - anders als der Benz - nur im Notfall.
Vergleichen lassen sie sich nicht wirklich. Gemein haben sie lediglich die Coupé-Linie, den Status als moderne Design-Ikonen und den Makel, selbst als „Basismodell“ und mit einigen Extras aufgepeppt an der 70.000-Euro-Marke zu kratzen. Andererseits sind beide unvergleichlich begehrenswert - jeder nach Art des Hauses.
Mein Favorit: BMW 630i Der BMW 6er ist eine wundervolle Fahrmaschine. Vor allem der direkte Handschaltmodus seiner Automatik passt perfekt zu diesem glaubhaften und agilen Gran Turismo. Thomas Weiss
Mein Favorit: Mercedes CLS 350 Der Mercedes CLS ist einfach das perfekte Auto für einen schönen Ausflug. Denn egal ob Autobahn oder Landstraßen, der Benz ist stets souverän. Und ein Hingucker ist er obendrein. Sascha Brauer