Im Süden wenig Neues
Wenn es um einen stilvollen Auftritt geht, sind die Damen und Herren von Alfa Romeo stets ganz weit vorn dabei. Nicht nur ihre Fahrzeuge erstrahlen in Glanz und Gloria, auch die Produktpräsentationen, und seien die Veränderungen zum letzten Modelljahr noch so gering, versprühen eine gewisse Noblesse, die sich manch deutschem Hersteller wohl nie erschließen wird. Dass hier, in Umgebung der altehrwürdigen Villa Rothschild in Königstein im Taunus, im Zweifel nur neue Scheinwerfer, ein digitales Instrumentenkombi und manch optische Feinretusche vorgestellt wird, gehört gewiss zum gelebten Verständnis der Italiener und ihrer „belle Automobili“.
Im Falle von Alfa Romeo Giulia und Stelvio fallen die Modelljahresanpassungen 2023 in der Tat ein wenig übersichtlich aus, was auch daran liegen mag, dass beide mittlerweile sieben respektive sechs Jahre auf dem Buckel haben. Die Ablösung droht in Form neuer Elektroautos, irgendwann zur Mitte der Dekade. Bis es so weit ist, genießen die ungleichen Plattformgeschwister eine Art letzte Salbung, bekommen endlich Matrix-Licht spendiert und legen ab Werk die analogen Messinstrumente hinter dem Lenkrad beiseite. Dass die Giulia nunmehr auch die NFT-Technologie des kleinen Tonale erbt, also unter anderem einen fälschungssicheren Nachweis der getätigten Wartungs- und Servicearbeiten mit sich herumfährt, geht als nerdige Randnotiz durch, dürfte wahre Alfisti allerdings herzlich kalt lassen.
Quadrifoglio-Versionen kommen später
Diese würden sich wohl lieber über die potenten Quadrifoglio-Modelle unterhalten, müssen aber vorerst mit den eher normalemotionalen Vierzylindern vorliebnehmen. Es dauert noch ein paar Monate, bis Alfa Romeo wieder die Sechszylinder springen lässt und so hat man als geneigter Italolover derzeit die Auswahl zwischen einem Diesel und einem Benziner. Den weiterhin rau klingenden Selbstzünder lassen wir gerne stehen, denn in die Karossen von Giulia und Stelvio gehören zumindest Ottomotoren – auch wenn diese wie gehabt nur zwei Liter Hubraum messen.
Immerhin war es die starke 280-PS-Variante (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 8,1-8,0 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 183-182 g/km)², die das andauernde Vielfalt-Streichkonzert bei den Italienern überlebte und sowohl bei der Limousine als auch beim SUV zum Einsatz kommt. Immerzu gekoppelt an ein Achtgang-Automatikgetriebe und den Allradantrieb Q4, gibt es hüben wie drüben nur wenig zu schreiben über Traktions- oder Komfortprobleme. Nur bei der Lust nach Kurven, da hat die wilde Giulia weiterhin die Motorhaube vorn. Sie schüttelt am Scheitelpunkt ihre italienischen Rennpferde einfach lockerer aus dem Ärmel, hängt deutlich besser am Gas und dann diese exzellente Gewichtsverteilung – ein Gedicht! Gleichermaßen regt die sehr leichtgängige, aber präzise Lenkung zu schnellen Manövern an, der Alfa Romeo Stelvio hingegen folgt stets (aber ebenfalls auf sehr hohem Niveau) ein bisschen „calma“ – will sich nicht recht hetzen lassen. Gemein haben beide, dass sie mittels elektronisch geregelter Dämpfer einigermaßen kommod auf der Straße liegen. Der Abrollkomfort derweil steigt mit der Reisegeschwindigkeit.
Exzellente Straßenlage, enggeschnittene Innenräume
Für mehr Feuer (und ein deaktivierbares ESP) gibt es ja dann noch die besagten Kleeblatt-Versionen, wenngleich das Gestühl der getesteten Veloce-Versionen schon jetzt maximale Sportlichkeit vermitteln möchte. Platz für breite Hüften gibt es da eher weniger und besonders in der Giulia fühlt man sich als großgewachsener Mitteleuropäer in jeder Hinsicht etwas überdimensioniert. Anders als über die neuen Scheinwerfer, über die wir an diesem freundlichen Frühlingstag im März ausleuchtungstechnisch kaum etwas berichten können, lässt sich zumindest festhalten, dass das digitale Instrumentenkombi den Innenraum spürbar aufwertet. Im Gegensatz zum mickrigen Infotainment-Screen gefällt sogar die Auflösung. Die generelle Bedienung beider Modelle profitiert weiterhin von echten Tasten und Schaltern (zum Beispiel für die Klimasteuerung) und auch die eingesetzten Materialien wirken weitestgehend wertig.
Zur Vollendung italienischer Fahrfreuden scheint es ebenfalls zu gehören, eher selten den Blinker zu benutzen. Damit das auch alle nördlich der Alpen endlich kapieren, setzt Alfa Romeo auf einen derart nervigen Abbiegeton, dass man es sich vor der nächsten Kreuzung zweimal überlegt, den schlecht erreichbaren Lenkstockhebel in die Finger zu nehmen.
Erstes Fazit
Wer es nicht weiß, wird die Modelljahresunterschiede bei Alfa Romeo Giulia und Stelvio kaum zur Kenntnis nehmen. Die wesentlichen Änderungen beschränken sich auf neue Matrix-LED-Scheinwerfer und das digitale Kombiinstrument. Dazu gibt es ein paar neue Farben und natürlich angepasste Ausstattungstrimms. Das Allerwichtigste jedoch: Beide Alfas fahren sich weiterhin herrlich leichtfüßig, die Giulia mehr als der Stelvio. Letzterer bietet dafür umso mehr Platz für die Familie. Teuer sind dagegen beide. Die Alfa Romeo Giulia startet mittlerweile ab 54.250 Euro, der Stelvio folgt mit 57.650 Euro. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Hersteller)