Die folgenden Zeilen dürfen gerne zur kontroversen Stammtischdiskussion anregen, aber die Fahrt mit einem Wasserstoffauto hat das Potenzial, gestandene Petrolheads zur E-Mobilität zu bewegen. Lassen wir den definitiv zu führenden Dialog um die Wasserstoff-Herstellung noch für ein paar Zeilen ruhen, so hat dieser Treibstoff einen unumstößlichen Vorteil: Ich verbringe lediglich wenige Minuten an einer vollwertigen, überdachten und nicht am Rande einer Raststätte abgeschobenen Zapfsäule, bevor ich meine Fahrt fortführen kann. Da guckt der Tesla-Fahrer am Irschenberg, der sein Pausenbrot neben der SB-Waschanlage futtern muss.
Dort, im bayerischen Süden, entlang der Autobahn A8, befindet sich eine von aktuell 91 aktiven H2-Stationen Deutschlands, die unter anderem vom Mineralölkonzern OMV so selbstverständlich in eine bestehende Tankstelle integriert wurde, wie man sich das eigentlich auch von E-Ladesäulen wünscht. Ok, der Eigennutz der Österreicher als medienwirksamer Förderer der Wasserstoff-Mobilität und Anteilseigner der H2 Mobility GmbH ist nicht von der Hand zu weisen, die Lösung gefällt aber dennoch. Und obwohl bei vielen weiterhin die unbegründete Angst mitschwingt, beim Betanken mit Wasserstoff könne man mitsamt seiner Umgebung in die Luft fliegen – der Tankvorgang als solcher entpuppte sich als kinderleicht und ist wahrscheinlich sogar sicherer als das Zapfen von Benzin und Diesel.
Was uns an dieser Stelle endlich zum Testwagen, den mindestens 63.900 Euro teuren Toyota Mirai II führt (Wasserstoffverbrauch kombiniert: 0,89-0,79 kg/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²). Dieser hat mit seinem von 2014 bis 2020 gebauten Vorgänger nur mehr die Antriebsart gemein. Eine haifischartige Frontpartie, die feine Seitenlinie und ein gelungener Heckabschluss machen den zweiten Mirai seit Anfang 2021 zum Star auf jedem Supermarktparkplatz. Dass es sich um einen Toyota handelt sehen viele Passanten erst auf den zweiten Blick. Unter dem Blechkleid arbeitet derweil eine ganze Technikarmada daran, gasförmigen Wasserstoff in elektrische Energie und damit in Vortrieb umzuwandeln.
Klingt komplex? Ist im Wesentlichen aber schnell erklärt: Die Brennstoffzellen-Einheit im Bug des Fahrzeugs besteht aus 330 einzelner Zellen, die durch eine chemische Reaktion (auch "kalte Verbrennung" genannt) aus dem mitgeführten Wasserstoff und von außen angesaugtem Sauerstoff Elektrizität erzeugen. Der so entstehende Strom wird anschließend vom 184 PS starken Elektromotor an der Hinterachse für die eigentliche Fortbewegung genutzt. Überschüssige Energie kann zudem in einer kleinen Hochvoltbatterie (1,24 kWh) zwischengespeichert und beispielsweise zum Anfahren oder Überholen genutzt werden.
Als Fahrer oder Fahrerin merkst du davon kaum etwas. So fährt sich der Toyota Mirai II wie jedes andere Elektroauto, sprich nahezu geräuschlos und natürlich lokal emissionsfrei. Beim Beschleunigen ist maximal ein leises Surren oder Zischen zu vernehmen und hin und wieder muss der Japaner auch „austreten“. So entsteht bei der Reaktion aus Wasserstoff und Sauerstoff neben Strom und Abwärme als einziges Abfallprodukt reines Wasser, das in einem kleinen Behälter gesammelt und von Zeit zu Zeit abgelassen werden muss. Der Wasserstoff selbst wird in drei 700 bar Hochdrucktanks gespeichert, wobei der Toyota Mirai II maximal 5,6 Kilogramm mitführen kann.
Das reicht laut Toyota für sehr optimistische 650 WLTP-Kilometer. Im echten Leben sollte man dagegen eher mit 400 bis 450 Kilometer rechnen, was einem Testverbrauch zwischen 1,35 und 1,25 Kilogramm Wasserstoff pro 100 Kilometer entspricht. Mit diesen Angaben könnt ihr nichts anfangen? Wir auch nicht. Daher hilft es die Energiekosten in Relation zu setzen. So kostet ein Kilogramm Wasserstoff in Deutschland aktuell 9,50 Euro, was im günstigsten Fall Kraftstoffkosten in Höhe von 11,90 Euro je 100 Kilometer bedeutet. Für das gleiche Geld bekommt man vielerorts (Stand: November 2021, Werte für Bayern) keine sieben Liter Benzin (E5) mehr.
Aber ist ein Brennstoffzellenauto, dessen genutzter Wasserstoff nach wie vor sehr energieaufwändig aus Erdgas hergestellt wird, wirklich umweltfreundlicher als ein normaler Verbrenner oder ein batterieelektrisches Fahrzeug (BEV)? Darauf gibt es weiterhin keine pauschale Antwort, da viele äußere Faktoren eine Rolle spielen. Wenngleich Toyota selbst den CO2-Ausstoß des Mirai II „Well-to-Wheel“ mit 121 Gramm beziffert und einen vergleichbaren Benziner mit 241 Gramm je Kilometer gegenrechnet – es fehlt seitens des Herstellers der seriöse Vergleich zum BEV.
Was gibt es über den Toyota Mirai sonst noch zu wissen? Zum Beispiel, dass die Wasserstoff-Limousine über ein sehr komfortables Fahrwerk verfügt, deswegen aber nicht verlegen ist, auch auf kurvenreichen Strecken eine noch ausreichend gute Figur zu machen. Die 182 PS und 300 Newtonmeter Drehmoment des elektrischen Heckmotors beschleunigen den gut zwei Tonnen schweren Wagen in etwas über neun Sekunden auf Tempo 100, elektronisch abgeregelt wird bei einer Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h. Die Gasannahme erfolgt indes, je nach Betriebszustand, mit etwas Verzögerung, der Lenkung würde mehr Präzision guttun.
Insgesamt empfiehlt sich der Mirai als entspannter und sehr leiser Langstreckencruiser, dessen Innenraum sauber verarbeitet und ergonomisch gut durchdacht daherkommt. Beim Bordinfotainment bleibt sich Toyota seiner selbst treu und liefert viele Funktionen, gewohnt altbacken dargestellt. Nachbesserungsbedarf besteht bei der technisch fragwürdigen Integration der induktiven Ladeschale, ohne Möglichkeit das Handy gegen Wegrutschen zu sichern.
Der größte Kritikpunkt bezieht sich allerdings auf die Raumausnutzung im Mirai II. Die Fondsitze sind nicht zuletzt durch die eingeschränkte Kopffreiheit kaum zu nutzen und auch der Kofferraum fällt mit 300 Liter mehr als mager aus.
Toyota verfolgt mit der zweiten Mirai-Generation weiter den ambitionierten Plan, zukünftig nicht alle Karten alleinig auf die batterieelektrische Fortbewegung zu setzen. Den Japanern sind große Batterien in noch größeren Autos seit je her suspekt und daher gilt für sie die Brennstoffzelle als Königsweg. Auch im AutoScout24-Test schlägt sich der Toyota Mirai II in weiten Teilen souverän, sofern sich die noch ausbaufähige Infrastruktur in Standortnähe befindet und die einzelnen Stationen nicht gerade im Wartungsmodus verharren. Als Auto klassifiziert sich der Stromer derweil als langstreckentaugliche Limousine für zwei, da sowohl der Fond als auch der Kofferraum viel zu klein ausfällt. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)