Lassen sie uns doch mal über Promille sprechen. Nein, damit soll das Thema nicht auf Alkohol am Steuer gelenkt werden, denn hier empfehlen wir penibel den vollständigen Verzicht! Ein Promille ist eine Maßeinheit, nämlich ein Tausendstel Teil eines großen Ganzen. Diese mathematische Herleitung sei zur Einordnung erlaubt, wenn es um den Toyota Camry geht. Toyota Camry? Selten gehört oder noch nie gesehen?
Ein globaler Bestseller
647 Exemplare der achten Modellgeneration, mit der Toyota das Comeback der Limousine in Deutschland begeht, wurden 2019 bei uns erstmals zugelassen. Weniger als ein Promille des weltweiten Absatzes. Mit circa 700.000 Autos im Jahr ist der Camry die wohl meistverkaufte Limousine der oberen Mittelklasse. Vor allem in den USA, aber auch in Asien, Australien und Russland ist der Japaner ein Bestseller. Nach dem Ende des zuletzt glücklosen Mittelklassemodells Avensis entschied Toyota, anstelle eines Nachfolgers den eine halbe Klasse höher angesiedelten Camry zurückzubringen. Wenn man schon auf wenig aussichtsreichem Posten gegen die übermächtige Lokalkonkurrenz kämpft, dann spart man sich zumindest das Entwicklungsbudget.
Reine Verbrenner, darunter auch ein V6, wie in den USA gibt es bei uns aber nicht unter der Motorhaube des Camry. Er ist ausschließlich als Hybrid (Kraftstoffverbrauch kombiniert 5,3 l/100 km, CO2-Emissionen 120 g/km²) lieferbar. Damit folgt er der Tradition von Toyota, mittlerweile sind die meisten Autos der Marke bei uns mit Hybridantrieb unterwegs. Der Camry basiert auf der TNGA-Plattform (Toyota New Global Architecture), der „japanische MQB“ sozusagen. Diese Grundlage teilt er sich unter anderem mit den Modellen Corolla und C-HR, aber auch mit dem edlen Bruder Lexus ES 300h.
Hybrid mit 218 PS Systemleistung
Aus dem Lexus ist auch der Antriebsstrang des Toyota Camry Hybrid bekannt. Ein 2,5 Liter großer Vierzylinder-Benziner, der Saugrohr- und Direkteinspritzung miteinander kombiniert, leistet 131 kW/178 PS. Er wird von einem maximal 88 kW/120 PS starken Elektromotor unterstützt, die Systemleistung liegt bei 160 kW/218 PS. Angesichts der nackten Zahlen kann man verstehen, warum Toyota in der Verkaufsliteratur vom „Dynamic Force Hybridantrieb“ spricht. Auf der Straße wird man aber direkt zurückgepfiffen.
Ein Dynamiker ist der Toyota Camry Hybrid nämlich keinesfalls, und das will er auch gar nicht sein. Vielmehr erzieht er schon auf den ersten Metern, die er meist elektrisch zurücklegt, zur Gelassenheit. Sofern sich der rechte Fuß zurückhält, stromert man leise und lokal emissionsfrei aus dem Wohngebiet heraus und auch noch ein Stück die Hauptstraße entlang.
Wenn sich der Verbrennungsmotor zuschaltet, geschieht das kaum spür- oder hörbar. Aufschluss gibt am ehesten noch die Energieflussanzeige, die sich auf dem Display zwischen den Rundinstrumenten oder via des Infotainmentbildschirms beobachten lässt. Im steten Wechsel unterstützt der Elektromotor den Vortrieb, kümmert sich allein darum oder speist überschüssige Energie in die Batterie. Externes Aufladen ist weder möglich noch nötig.
Die ausgemachte Zielgruppe für den Camry in Deutschland, neben entspannten Privatkunden ohne Statusbedarf? Taxi- und Chauffeurunternehmen, die den großen Toyota im täglichen Einsatz haben. Dann dürfte er weniger oft „getreten“ werden, also nicht die maximale Beschleunigung in 8,3 Sekunden auf 100 km/h vorführen oder bei 180 km/h in den elektronischen Begrenzer geschubst werden. Fahrer und Passagieren wird der bei solchen Aktionen hochdrehende Motor also nicht auffallen. Beim Gleiten spielt das stufenlose Planetenradgetriebe seine Vorteile aus, nicht bei der Bestzeitenjagd.
5,9 Liter Testverbrauch
So gefahren überzeugt der Hybridantrieb dann auch beim Verbrauch. 4,3 Liter Benzinverbrauch auf 100 Kilometer verspricht die Norm, im Testalltag waren es gut und gerne 5,9 Liter. Im reinen Stadtverkehr sind auch Werte um fünf Liter problemlos möglich, wenn vorausschauend gefahren und somit oft Energie rekuperiert wird. Das sind beachtlicher Werte. Denn er wird mit einer 4,89 Meter langen Limousine erzielt, die ein fast schon verschwenderisches Raumangebot für Passagiere in beiden Sitzreihen bietet und damit manch größere Premiumlimousine übertrifft. Abstriche müssen bei der optischen und haptischen Materialqualität gemacht werden. Hieran erkennt man den Fokus des Camry auf den US-Markt.
Auch das Infotainmentsystem kann mit den meisten Mitbewerbern nicht mithalten. Im Testwagen, der als Grundmodell Business Edition anrollte, ist ein sieben Zoll großes Display eingebaut, Navigation gibt es als Zubehör beim Händler. Der Camry Executive hat die Routenführung mit einem 8-Zoll-Display bereits ab Werk. Beide zeigen eine wenig hochauflösende Kartengrafik und träge Reaktionen. Aktuelle Neubestellungen dürften jedoch bereits ein neueres Modul eingebaut haben, womit dann auch endlich die Smartphone-Integration via Apple CarPlay und Android Auto möglich ist.
Preise ab 39.990 Euro
39.790 Euro kostet der Toyota Camry in der Business Edition, die mit 17 Zoll großen Leichtmetallfelgen einen mehr als ordentlichen Federungskomfort bietet. Außerdem sind hier Klimaautomatik, Spurhalteassistent, Verkehrszeichenerkennung, adaptive Geschwindigkeitsregelanlage, Rückfahrkamera und beheizbare Ledersitze an Bord.
Darüber rangiert der Camry Executive (in Österreich nicht erhältlich) für 2.400 Euro Aufpreis und mit besserer Ausstattung. Das äußere Erkennungszeichen sind 18-Zoll-Räder und eine andere Signatur der LED-Scheinwerfer. Mehr Komfort und Sicherheit bieten der Spurhalteassistent mit Gegenlenkfunktion, das oben erwähnte Navigationssystem mit acht Zoll großem Display, induktives Laden für das Smartphone und ein Assistent zur Überwachung des toten Winkels.
Fazit
Achtung, Ansteckungsgefahr! Das entspannte Wesen des Toyota Camry färbt vom ersten Tag an auf den Fahrer ab. Mit großartigem Komfort und viel Platz verwöhnt der Japaner die Insassen, während der laufruhige und ausgereifte Hybridantrieb stets zu neuen Spritsparrekorden ermuntert. Für den eiligen Außendienst ist die große Limousine weniger geeignet, weshalb der Camry auch in Zukunft eher selten auf deutschen Straßen anzutreffen sein wird (Text und Bild: Bernd Conrad).
Technische Daten*
- Modell: Toyota Camry Hybrid Business
- Motoren: Vierzylinder-Benziner, 2.487 ccm + Elektromotor
- Systemleistung: 160 kW/218 PS
- Drehmoment: Benziner: 221 Nm, Elektromotor 202 Nm
- Antrieb: Frontantrieb, stufenloses Getriebe
- Verbrauch kombiniert: 5,3 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 120 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 8,3 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,89 m/1,84 m/1,45 m
- Gewicht: ca. 1.600 kg
- Grundpreis AT: ab 39.790 Euro
*Herstellerangaben