Lasst uns zuerst einmal die Mottenkiste mit den Vorurteilen und Halbwahrheiten öffnen: Darin finden sich Zettel wie: „Skoda, die Billigmarke“. Das stimmt nämlich, wenn wir es mal ganz genau nehmen, nur für den westlichen Teil der Bundesrepublik. Hier wurden die Produkte der Automarke aus der damaligen CSSR zu sehr günstigen Preisen verkauft. Das galt auch für den Skoda Favorit, der erstmals mit typischem Kompaktformat und italienischem Design (Bertone!) nicht nur über günstige Tarife punkten konnte.
Östlich der innerdeutschen Grenze waren Automobile von Skoda auch schon vor 1990 begehrenswert und angesehen. Menschen, die zu Zeiten der Wende noch Kinder waren oder gar danach geboren wurden, werden damals wie heute eher Dacia als osteuropäische Budget-Marke vor Augen haben.
Testwagenpreis: Fast 38.000 Euro
Soviel zur Einordnung von Skoda als Autobauer. Nun können wir uns dem in auffälligem Rallye-Grün lackierten Testwagen Skoda Kamiq widmen. Er steht nämlich mit fast 38.000 Euro in der deutschen Preisliste. Was sich auf den ersten Blick teuer liest, bleibt es auch auf den zweiten. Dennoch will der Skoda Kamiq, in allerbester Markentradition, ein faires Angebot sein. Denn im Werteverständnis des Volkswagen-Konzerns sollen die Tschechen allen voran mit handfesten Produkteigenschaften punkten.
Ähnlich wie bei Octavia und Superb, nutzt man die gegebene Konzern-Architektur geschickt aus, um das größtmögliche Platzangebot im Innenraum zu offerieren. Wie bei den Schwestermodellen VW T-Cross und Seat Arona basiert auch der Skoda Kamiq dazu auf der MQB-A0-Plattform. Diese abgespeckte Version des „Modularen Querbaukastens“ wird unter jeden Kleinwagen des Volkswagen-Markenimperiums geschnallt. Heißt: Kein Allradantrieb und mit Ausnahme des Polo GTIs endet die Leistungsskala maximal bei 150 PS.
Länger als der VW T-Roc
Trotzdem will der Skoda Kamiq vom Kleinwagenformat nichts wissen. Mit 4,24 Meter überragt er in der Karosserielänge nicht nur den VW T-Cross (4,11 Meter), sondern streckt sich sogar einen Zentimeter weiter als der höher positionierte VW T-Roc. Spürbar wird das, wie könnte es anders sein, vor allem im Fond. Unendliche Weiten für die Knie, und auch größer gewachsene klagen auf der Rückbank nicht über Dachkontakt mit dem Kopf. Unverständlich, warum die „Simply Clever“-Marke dann nicht auch die verschiebbare Rücksitzbank aus dem T-Cross übernommen hat.
400 Liter Kofferraum stehen weiter hinten zur Verfügung. Im Wettbewerbsumfeld ausreichend, aber dann doch 67 Liter weniger als im weitgehend baugleichen Skoda Scala mit längerem Überhang am Heck. 600 Euro günstiger wäre der auch noch, punktet aber eben nicht mit der erhöhten Sitzposition und dem SUV-Bonus.
Kräftiger Benziner
Zuschlag gibt es auch unter der Motorhaube. Mit leichtem Zeitversatz ist der Skoda Kamiq auch als 1.5 TSI mit 110 kW/150 PS und Siebengang-DSG (Kraftstoffverbrauch kombiniert 5,0-5,1 l/100 km, CO2-Emissionen 115-116 g/km²) lieferbar. Spätestens mit dieser Antriebsoption wird das kompakte Tschechen-SUV zum perfekten Alltagsbegleiter, der kaum Wünsche offenlässt. Mit einem maximalen Drehmoment von 250 Newtonmetern, das bereits ab 1.500 Touren anliegt, steht jederzeit die volle Kraftentfaltung des Vierzylinders zur Verfügung. Für mehr Effizienz schaltet der Vierzylinder im Teillastbetrieb zwei Kolben still. Davon hört und spürt man nichts, einzig eine kleine „Eco“-Anzeige im optionalen Digital-Kombiinstrument weist auf den Zweizylinder-Betrieb hin.
Sie leuchtet auch, wenn sich die Steuersoftware für den Freilauf entscheidet. Als weitere Eskalationsstufe in den Bestrebungen, Sprit zu sparen, wird der Motor zusätzlich in den Leerlauf geschickt. Im Gegensatz zum höher positionierten Seat Leon 1.5 eTSI (hier im Test) und seinen Kollegen VW Golf, Audi A3 und Skoda Octavia (Testbericht) verzichtet der kleinere Kamiq aber auf ein Mild-Hybrid-System, das den Verbrenner in jenen Fahrsituationen aktiv unterstützt und überschüssige Energie rekuperiert.
7,3 Liter Testverbrauch
7,3 Liter Super Benzin laut Bordcomputer genehmigte sich der Skoda Kamiq 1.5 TSI im Testalltag alle 100 Kilometer. Was nicht rekordverdächtig klingt, ist angesichts der teilweise eilig zurückgelegten Etappen und der Größe des Innenraums ein noch akzeptabler Wert. Mehr Kritik muss das Anfahrverhalten einstecken. Es reicht eine leicht feuchte Straße und ein nicht ganz durchgetretenes Gaspedal beim Losfahren an einer roten Ampel, um die angetriebenen Vorderräder an ihre Traktionsgrenze zu bringen. Die Software regelt also fleißig, die Leistung verpufft. Es gibt Situationen, wo das unangenehm werden kann, zum Beispiel beim Einfädeln in fließenden Verkehr an einer Steigung.
Hier sollten sich die Ingenieure nochmal mit dem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und dem Motor an einen Tisch setzen und die Friedenspfeife rauchen. Am liebsten werden sie dabei gewiss auf den seitenhaltstarken Sportsitzen mit integrierten Kopfstützen, die der Skoda Kamiq im Dynamic-Paket mitbringt, Platz nehmen.
Modernes Infotainmentsystem
Im Auto hat man davon einen guten Ausblick auf das moderne Cockpit mit einem bis zu 9,2 Zoll großen Infotainment-Display (auch hier ohne Drehregler) und den vielfach einstellbaren Bildschirm hinter dem unten abgeflachten Multifunktions-Lederlenkrad. Schon diese Aufzählung lässt vermuten, was der reale Eindruck bestätigt: Billig wirkt hier gar nichts, im Gegenteil. Ein Golf 8, um einen kleinen Vergleich zu wagen, wirkt da auch nicht besser oder schlechter ausgestattet bzw. verarbeitet. Wer nicht das neueste Smartphone in der Hosentasche hat, wird sich aber auch im Skoda Kamiq über die konsequent eingesetzten USB-C-Anschlüsse ärgern. Der Zubehörkatalog hält selbstredend entsprechende Adapter für ältere Gerätschaften bereit. Apple CarPlay kann der MIB3 (Modularer Infotainmentbaukasten der dritten Generation) aber auch ohne Kabelverbindung.
Die Aufpreisliste hält weitere Verlockungen wie ein großes, aber nicht zu öffnendes, Panoramaglasdach und verschiedene Felgendesigns bereit. Auch ein einstellbares Sportfahrwerk (SCC) steht zur Wahl. Der Aufpreis muss aber nur dann investiert werden, wenn man es gerne hart mag. Neben der normalen Abstimmung kann man mit „Sport Select“ nämlich nur noch eine sportliche Abstimmung wählen, mit der es dann schon ziemlich rumpelig wird.
Fazit
Der Skoda Kamiq folgt der Tradition, die Modelle der tschechischen Marke geschickt zwischen den üblichen Kategorien einzuparken. Mit einem Basispreis in Österreich von 19.980 Euro (Dreizylinder mit 95 PS) ist er nicht nur günstiger als vergleichbare Kompakt-SUVs, er bietet auch mehr Platz. Das reich gefüllte Konzernregal erlaubt zusätzlich die Wahl vielerlei Ausstattungselemente, die auch den Kamiq schick auftreten lassen. Der 150 PS starke Benziner im Testwagen gefällt mit ausreichend Kraft und akzeptablem Durst, lediglich das Anfahrverhalten des DSG konnte nicht überzeugen. Wer den größeren Kofferraum des Octavia Combi nicht benötigt und zudem gerne etwas höher sitzt, kann mit dem Skoda Kamiq ordentlich sparen. Unterm Strich ist aber auch ein gut ausstaffierter Kamiq kein Schnäppchen mehr. (Text und Bild: Bernd Conrad)
Technische Daten*
- Modell: Skoda Kamiq Style 1.5 TSI DSG
- Motor: Vierzylinder-Benziner, 1.498 ccm
- Leistung: 110 kW / 150 PS bei 5.000 U/min
- Drehmoment: 250 Nm bei 1.500 U/min
- Antrieb: Frontantrieb, 7-Gang-DSG
- Verbrauch kombiniert: 5,0-5,1 Liter / 100km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 115-116 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 8,3 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 213 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,24 m/1,79 m/1,53 m
- Gewicht: ca. 1.440 kg
- Grundpreis AT Skoda Kamiq 1.5 TSI Style DSG: 29.860 Euro
*Herstellerangaben