Blicken wir zurück in das Jahr 1999. Für die IAA kündigte Seat damals ein „Schrägheckversion des Toledo“ an. Die kompakte Stufenhecklimousine auf Basis des VW Golf IV war frisch auf dem Markt. Das Hatchback-Derivat folgte dann im Herbst des gleichen Jahres. Der Name: Leon.
Manchmal schlägt die Geschichte Purzelbäume. Während den Namen Toledo heute kaum noch jemand kennt, nachdem er in den frühen 2000ern als halbherziger Stummelheck-Van sowie anschließend bis 2019 als Skoda Rapid Abklatsch in den Verkaufsräumen stand, ist der Seat Leon ein bis heute sehr erfolgreiches Modell und eine der tragenden Säulen im Programm der spanischen Volkswagen-Tochter.
Über zwei Millionen Leon seit 1999
Über zwei Millionen Leon wurden bisher über drei Generationen hinweg verkauft. Jetzt steht Leon Nummer vier in den Startlöchern. Auch sie bedient sich aus dem aktuellen Konzernregal – und das geschickter denn je. Wie die ebenfalls taufrischen Verwandten Audi A3 Sportback, Skoda Octavia und VW Golf 8 nutzt der neue Seat Leon den MQB-Evo Baukasten, eine Weiterentwicklung der bekannten Architektur für Autos mit quer eingebautem Motor innerhalb des VW-Konzerns.
Damit ziehen die neuesten Infotainment-Lösungen, Onlinezugang und großen Displays in den Kompakten ein. Schon die ersten Testkilometer im neuen Seat Leon zeigen aber, dass die schöne neue Digitalwelt vieles nicht einfacher macht.
Die Bedienung war früher einfacher
Um die Sitzheizung zu aktivieren, muss mit beiden Fingern auf den „Slider“ unter dem 10 Zoll großen Display auf der Mittelkonsole gedrückt werden. Das gelingt nicht immer auf Anhieb. Alternativ kann man die (zu) kleinen Bedienfelder auf dem Touchscreen verwenden oder das Auto auch ansprechen. Auf „Hola, Hola“ reagiert der Spanier, dann lassen sich Befehle in Klarsprache einsprechen. Zum Beispiel eben auch „Sitzheizung aktivieren“.
Ein Feuerstuhl ist der zum Fahrbericht angetretene Seat Leon FR 1.5 eTSI (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 5,8 l/100 km, CO2-Emissionen kombiniert 132g/km²) zwar auch mit heißen Sitzen nicht, wohl aber ein stets mehr als ausreichend motorisierter Alltagswagen. Der Vierzylinder mit 110 kW/150 PS stellt sein maximales Drehmoment von 250 Newtonmeter schon ab 1.500 U/min bereit. Damit lassen sich Überholvorgänge und die eilige Kurvenhatz gleichermaßen dynamisch gestalten. Endlich wurde auch dem 7-Gang-DSG-Getriebe mit dem Übergang zur „Shift-by-wire“-Technologie, neben dem großen Wählhebel, auch das teils ruppige Anfahrverhalten genommen.
Im Teillastbetrieb knipst der Benziner derlei wie gewohnt zwei der vier Zylinder aus. Das ist nur am Aufleuchten einer kleinen Anzeige im Kombiinstrument zu sehen, weder Geräusche oder Ruckler künden vom situativen Zweizylinder.
Teamwork von Mild-Hybrid und Fahrassistenten
Aber der eTSI kann noch mehr. Beim „einfach-mal-so-dahinfahren“ werden nicht nur zwei Zylinder, sondern etappenweise gleich der ganze Motor schlafengelegt. Im Freilauf rollt der Leon dann mit möglichst wenig Reibungsverlusten und ohne Momentanverbrauch. Signalisieren Topographiedaten des Navigationssystem oder die Verkehrsschilderkennung ein kommendes Tempolimit, zum Beispiel bei einer Ortseinfahrt, schaltet sich der Motor wieder zu. Das DSG schaltet ein oder zwei Gänge herunter und die Motorbremse wird zur Verringerung der Geschwindigkeit genutzt. Außerdem erscheint ein Hinweis im Display, dass der Fahrer nun nicht Gas geben sollte.
All dies kann man nun bevormundend finden, wobei sich jede Funktion im verschachtelten Menü einzeln aktivieren oder ausschalten lässt, man gewöhnt sich aber überraschend schnell an die Unterstützung des Autos. Im Idealfall adaptiert man dann die Spritsparhinweise des Seat Leon und ergänzt sie durch seinen eigenen, zurückhaltenden Fahrstil. Alle Maßnahmen zusammen ergaben während unseres Testzeitraums einen Verbrauch von gut 6,7 Liter auf 100 Kilometer – laut Bordcomputer.
Längerer Radstand, viel Platz im Fond
Nun gut, aber wo sind nun die Unterschiede zum VW Golf? Beim Antrieb zumindest fallen die Differenzierungen naturgemäß gering aus, da der Mutterkonzern nur sehr begrenzte Eingriffe in den Antriebsstrang durch seine Töchter erlaubt. Also blicken wir zurück in den Innenraum. Passend zum eigenständigen Exterieur präsentiert sich der Seat Leon innen mit einem flachen Armaturenträger, dessen Oberseite angenehm aufgeschäumt ist. Das Sportlenkrad der FR-Version schmeichelt der Hand mit perforiertem Leder an den Griffmulden, auch die Kunststoffe in den Türverkleidungen wirken bei manchem Konkurrenten nachlässiger ausgesucht.
Das große Aha-Erlebnis kommt aber, wenn man hinten einsteigt. Der Seat Leon nutzt, wie der Skoda Octavia, einen 2,69 Meter langen Radstand. Sieben Zentimeter mehr als VW Golf und Audi A3 bieten, die zum größten Teil den Passagieren im Fond zugutekommen. Hier sitzen auch große Menschen mit ausreichend Platz für Knie und Füße, das steile Heck ermöglicht eine mehr als ausreichende Kopffreiheit. Weniger verschwenderisch ging man mit dem Kofferraum um. Er misst weiterhin 380 Liter und damit exakt so viel wie das Ladeabteil des VW Golf, verzichtet im Gegensatz zum Wolfsburger aber auf einen in der Höhe verstellbaren Ladeboden.
Schon jetzt ist klar: Mit dem üppigen Fond dürfte der neue Seat Leon vor allem als Kombi mit dem Namen Sportstourer seine Qualitäten so richtig ausspielen und viele Familien aus ihrem Skoda Octavia zum Spanier herüberschielen lassen.
Fazit
Seat gelingt mit dem neuen Leon ein guter Spagat. In seiner vierten Generation bleibt er mit agilem Fahrverhalten seinem Image als emotionaler Kompaktwagen treu. Gleichzeitig distanziert er sich mit dem größeren Raumangebot im Fond von Golf und A3 Sportback und wirkt zugleich erwachsener als der Vorgänger. Der Konzern nutzt die technische Variabilität bei der Fahrzeuglänge geschickt zur Positionierung. Denn einen spürbaren Preisvorteil des Seat Leon im Vergleich zum VW Golf kann man sich erst nach stundenlangem Vergleich der einzelnen Ausstattungslinien und ihrer Optionspakete herausrechnen. Das Mild-Hybrid-System des 1.5 eTSI arbeitet zuverlässig und diskret und sorgt auch im Alltag für einen spürbar gesenkten Benzinverbrauch. Gut gebrüllt, Löwe!
Technische Daten*
- Modell: Seat Leon FR 1.5 eTSI
- Motor: Vierzylinder-Benziner mit 48V-Mild-Hybrid-System
- Leistung: 110 kW / 150 PS bei 5.000 – 6.000 U/min
- Drehmoment: 250 Nm bei 1.500 – 3.500 U/min
- Antrieb: Frontantrieb, 7-Gang-DSG
- Verbrauch kombiniert: 5,8 Liter / 100km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 132 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 8,4 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 221 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,37 m/1,80 m/1,46 m
- Gewicht: ca. 1.360 kg
- Grundpreis Seat Leon AT: ab 18.990 Euro
*Herstellerangaben