Früher war mehr los. Hüpfburgen und Würstchen im Brötchen (lange, bevor man „Hot Dog“ sagte), dazu allerlei Kaltgetränke unterhielten potenzielle und weniger potenzielle Kunden meist ein ganzes Wochenende lang, wenn beim örtlichen Autohaus ein neues Modell präsentiert wurde.
Die Partystimmung ist schon länger dem Kalkül der Kostenwächter zum Opfer gefallen, die Margen und damit die Renditen sinken. Aber auch der Kunde hat gelernt, seine Wochenenden anders zu verbringen. Was nicht unbedingt schlecht ist. Bei der Vielzahl von Premieren käme er aus dem Essen, Trinken und Hüpfen gar nicht mehr heraus. Zwangsläufig führt das zur Magenverstimmung. Und dem Wunsch nach Ruhe.
Für die sorgt der elektrifizierte Antrieb im Seat Leon e-Hybrid (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,2–1,3 l/100km; Stromverbrauch kombiniert: 14,9–15,4 kWh/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 27–29 g/km). Womit wir jetzt eine heftige Brücke in die Neuzeit schlagen. Passt aber, denn die neueste Version des kompakten Spaniers ist eine von unzähligen Neuheiten der Volkswagen-Tochter und ihrer Schwestermarke Cupra im Jahr 2020.
Der Seat Leon Sportstourer TDI AutoScout24 Test
Dem neuen Seat Leon, der im Frühjahr als Fünftürer und wenig später als Kombi mit dem Zusatznamen Sportstourer auf den Markt kam, haben wir uns bereits in den Testberichten des 1.5 eTSI und des 2.0 TDI gewidmet.
Als e-Hybrid soll der Leon jetzt nicht nur von der Förderprämie beim Kauf von elektrifizierten Autos profitieren, sondern vor allem helfen, die CO2-Bilanz des Herstellers zu verbessern. Dafür muss er Qualitäten liefern, die den Käufen gefallen.
Rein optisch punktet der Seat Leon, unabhängig von der Antriebsform, auch in der aktuellen Modellgeneration. Die Designer setzten der MQB-evo-Architektur eine eigenständige, dynamische Form auf. Mit dem im Vergleich zum VW Golf um fünf Zentimeter längeren Radstand (der damit auf dem Niveau des Raumwunders Skoda Octavia liegt), bietet der Leon auch in der zweiten Reihe viel Platz.
Während Fahrer und Beifahrer vorne also manchmal an der arg digitalen Bedienung im knopflosen Cockpit verzweifeln und minutenlang eine Möglichkeit zum Nullen des Tageskilometerzählers suchen, kann man im Fond entspannt die Beine ausstrecken.
Immerhin sind auch Pilot und Copilot gut aufgehoben, zumindest im Seat Leon mit der Ausstattungslinie FR. Deren Sportsitze bieten sehr guten Halt, auch im oberen Rückenbereich. Zusammen mit der optionalen Mikrofaser-Ausstattung des „Dinamica“-Pakets sieht das auch noch ziemlich schick aus. Einige Kunststoffe mögen weniger weich aufgeschäumt sein als im Skoda Octavia, wirken aber deutlich hochwertiger im VW Golf.
Einigkeit herrscht bei allen unter der Motorhaube. Auch der Seat Leon e-Hybrid kombiniert den bekannten 1.4 TSI-Benziner, der 150 PS leistet, mit einem maximal 85 kW starken Elektromotor. Die Systemleistung des Plug-in Hybriden lieg bei 150 kW/204 PS, das Drehmoment bei 350 Nm.
Zum Start drücken wir den rot pulsierenden Knopf in der Mittelkonsole. Der kleine Knubbel des mit Shift-by-Wire-Technologie arbeitenden 6-Gang-DSG flippert in die Drive-Stellung und der kompakte Fünftürer setzt sich in Bewegung.
Die Fahrt beginnt nach Möglichkeit immer im E-Mode, also elektrisch. Voraussetzung ist ein bisschen Strom in der 13 kWh (brutto) großen Lithium-Ionen-Batterie. Sie sitzt unter der Rücksitzbank und vertreibt den Kraftstofftank in Richtung Kofferraumboden. Das führt dazu, dass neben dem Spritvorrat (40 statt 45 Liter) auch das Ladevolumen sinkt. 270 statt 380 Liter sind es beim fünftürigen Steilheck-Leon, beim Sportstourer verringert sich das Gepäckabteil von 620 auf 470 Liter.
Wer den Seat Leon e-Hybrid als Pendlerauto nutzt, kommt im Alltag meist ohne Einsatz des Verbrennungsmotors aus. 40 Kilometer Reichweite (im reinen Stadtverkehr auch mehr) sind problemlos zu schaffen. Einstellbare Rekuperationsstufen bietet der Plug-in-Hybrid derweil nicht. Die Software regelt den Grad der Energierückgewinnung eigenständig.
Auch der Travel Assist wird hier eingebunden. Das Assistenzsystem, beim Seat Leon Bestandteil eines optionalen Ausstattungspakets, regelt die Geschwindigkeit auch anhand von Navigationsdaten und Sensor-Informationen. Vor einer Ortseinfahrt wird der Fahrer mit einem optischen Signal aufgefordert, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. In der Tat schafft es das System in den meisten Fällen, das Auto von Landstraßentempo 100 so zielgenau zu verzögern, dass man das gelbe Ortsschild mit Tempo 50 passiert.
Tritt man am Ortsausgang das Pedal kräftig durch, wechselt der Leon in den Hybrid-Modus, der Benziner meldet sich zu Wort. Höhere Drehzahlen sorgen für eine typische Vierzylinder-Klangkulisse, die dann im Gegensatz zum ruhigen elektrischen Gleiten steht.
Mit dem Teamwork beider Motoren fährt der Leon e-Hybrid durchaus dynamisch, ohne aber den ambitionierten Sportler zu mimen. Er markiert lieber den Mittelweg. Gutsitzender Sneaker eben, kein reduzierter Sportschuh.
Ähnlich bequem bettet das DCC-Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern die Insassen. Es wird, du ahnst es schon, gegen Aufpreis angeboten und schnallt sich in einem Paket an die geschwindigkeitsabhängige Progressivlenkung. Die Abstimmung des DCC kann man entweder über die einzelnen Fahrmodi vornehmen lassen, oder sich die Parameter im Individual-Programm selbst zusammenstellen. Anstelle von drei Stufen wie früher (Comfort, Normal, Sport) steht jetzt eine stufenlos variable Abstimmung bereit.
Dabei bleibt der Seat Leon aber stets eine Spur verbindlicher als der VW Golf, wird seinem Image als dynamische Alternative aus Südeuropa mehr als gerecht. Vereinfacht ausgedrückt: Im Comfort-Modus federt der Seat auf dem Normal-Niveau des Golfs.
Im Vergleich zum Leon 1.5 eTSI mit DSG wiegt der e-Hybrid etwa 250 Kilogramm mehr. Die zusätzlichen Pfunde sind im Alltag aber kaum spürbar. Lediglich im eiligen Kurvengeschlängel wirkt der Plug-in-Hybrid etwas schwerfälliger und schiebt deutlicher über die Vorderräder. Wer aber auf dem täglichen Arbeitsweg kein Zeitfahren auf Serpentinenstrecken einbaut, der kommt mit dem Fahrverhalten des e-Hybrid gut zurecht.
Davor aber, freust du dich über das Preisgefüge. Der Seat Leon e-Hybrid ist 5.600 Euro günstiger als der entsprechende VW Golf eHybrid. Nach Abzug der besseren Serienausstattung, die sie in Wolfsburg mit einpacken, bleibt immer noch ein Preisvorteil in Höhe von 3.500 Euro zugunsten des Spaniers. Dafür muss man auf die Möglichkeiten, mit Matrix-LED oder Head-up-Display die neuesten Technikspielerein aus dem Konzernregal zu bekommen, verzichten.
Der mild elektifizierte Seat Leon eTSI liegt im Verbrauch mit 6,7 Litern je 100 Kilometer nur knapp über dem e-Hybrid. Der genehmigte sich im Testalltag gut 5,5 Liter Superbenzin und sechs kWh Strom. Preislich trennen beide aber 5.300 Euro – zumindest auf den ersten Blick. Denn nach erfolgreicher Beantragung der Innovationsprämie sinkt der Grundpreis des Leon e-Hybrid um 7.110 Euro – womit er dann günstiger als der eTSI wird. Fahrer eines Firmenwagens profitieren zudem vom halbierten Satz bei der Versteuerung des geldwerten Vorteils.
Auch ohne Party mit Hüpfburg und Snacks zieht der Seat Leon die Blicke auf sich. Als e-Hybrid wird er, nicht zuletzt durch die Kombination aus Raumangebot, Design und Sparmöglichkeiten, zur interessanten Firmenwagenalternative. Nervig ist hingegen weiterhin die knopf- und teilweise kopflose Bedienung. Im Dreiergespann aus Golf, Octavia und Leon ist der Spanier derzeit das günstigste Angebot. (Text und Bild: Bernd Conrad)