Wikipedia notiert zum Wort Phantom: „Allgemein eine unwirkliche Erscheinung im Sinne eines Trugbildes oder einer Einbildung“. Der Rolls-Royce Phantom (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 15,0-15,7 l/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 341-356 g/km²) ist mit Sicherheit keine Einbildung, aber durchaus eine unwirkliche Erscheinung. Schließlich kann man an einer Hand abzählen, wie oft man den stattlichen Engländer in aller Öffentlichkeit zu Gesicht bekommt. Selbst auf der Münchner Maximilianstraße tummelt sich eher noch ein Rolls-Royce Ghost oder Cullinan. Wobei dieser Umstand weniger dem Unwillen, sondern eher schon preislichen Attributen geschuldet ist. Denn teuer Autofahren und teuer Autofahren sind zwei Paar Oxford-Schuhe.
Einfamilienhaus oder Auto?
Wo die einen schon jenseits der 350.000 Euro für ein Automobil kalte Füße bekommen, beginnt für die anderen nicht einmal der Einstieg. 446.000 Euro (Preis gültig für Deutschland) sollte man in der einen oder anderen Weise vorliegen haben, damit man überhaupt mit einem Rolls-Royce Phantom liebäugeln darf. Doch tendiert die Wahrscheinlichkeit, dass ein Phantom-Kunde sein edles Gefährt in aller Askese ordert nahezu gegen null. Viel eher ist anzunehmen, dass er oder sie sich in weitere Unkosten stürzt. So gesehen ist die in unserem Testwagen verbaute Sonderausstattung im Wert von 108.000 Euro nur der grobe Einstieg in eine erlauchte Autowelt, die sich allem gutbürgerlichen entzieht. Vor allem aber lässt sie die Individual-Abteilungen der Großserienhersteller beinahe kleinlich wirken.
Rolls-Royce Phantom mit eigener Kunstgalerie
Wen interessiert hier schon all das Leder, Massagesessel, Picknicktische, die sündhaft teure Rolls-Royce Bespoke-Soundanlage oder der wirklich extrem lässige LED-Sternenhimmel? Alles viel zu normal, viel zu ordinär. Richtig Geld lässt man zum Beispiel in der Phantom-eigenen "Gallery", die das einst schnöde Armaturenbrett zum Designhighlight aufwertet. In ihr kann man so ziemlich alles präsentieren, was man selbst sehr großartig findet. Ob nun ein Gemälde, andere bildende (oder nicht so bildende) Kunst oder vielleicht passt auch das Fell des just verstorbenen Stubentigers hinters Glas. Hauptsache das Format lässt sich zwischen Instrumentenkombi und beifahrerseitigem Luftausströmer darstellen. Wem der von BMW beigesteuerte iDrive-Bildschirm die Sicht auf die Dekoration verdeckt, der kann das Display per Tastendruck auch galant hinfort befehligen.
Am Ende des Herrschaftsbereichs
Hinfort geht auch das vom Winde verwehte „Bugfräulein“, wenn man es beim Verlassen vor allzu langen Fingern bewahren möchte. Wahlweise taucht die Spirit of Ecstasy auch während der Fahrt in sichere Gefilde ab. Doch darf sie bei gediegener Fahrt eigentlich nicht fehlen, dient sie doch als Zielgeberin und markiert unumstößlich das vordere Ende des eigenen Herrschaftsbereichs. Und der ist ziemlich groß. Wir notieren 5.762 Millimeter in der Länge und 2.018 Millimeter in der Breite, wobei es da natürlich noch die Langversion gäbe. Bei solchen Dimensionen ist dann auch klar: Eine gekieste Auffahrt samt Rondell sollte es schon sein, um unwürdige Rangiermanöver zu vermeiden. Muss am Ende doch einmal gezirkelt werden, gelingt das mittels der serienmäßigen Hinterachslenkung erstaunlich einfach, ohne Mühen und über das opulente sowie spindeldürre Lenkrad. 360-Grad-Kamera und PDC? Aber selbstverständlich.
So gut wie alles ist möglich
Als Gimmick bekommt man beim Einparken des Rolls-Royce Phantom diesen nicht nur als frei drehbares 3D-Objekt im Bildschirm angezeigt, sondern auch in der korrekten Außenlackierung. Sie lautet im Falle des Testwagens auf "Black Diamond" mit der Kontrastfarbe "Silver". Klassisch könnte man nun schreiben. Etwas bieder aber auch. Denn farblich lassen die Engländer wahrlich keinen Kundenwunsch unerfüllt. Was dann schon einmal in äußerlichen Eskalationen, wie "Arizona Sun" in konträrer Verbundenheit mit "Magma Red" enden kann. Aber der Kunde ist bekanntlich König. Oder der König Kunde? Wie dem auch sei: Wünsche nach Individualität werden in jeder Form und erneut mit Verweis auf das nötige Kleingeld sehr gerne erfüllt. Und bevor wir uns im Weiteren noch einmal dem prunkvollen Innenraum widmen, zunächst ein paar Worte zu den Fahrleistungen.
Fahrleistungen mehr als „ausreichend“
Als „ausreichend“ hätte man sie bei Rolls-Royce vor ein paar Dekaden noch deklariert, doch das zieht heute nicht mehr. Die teils selbstfahrende und jünger werdende Kundschaft wünscht standesgemäße Zahlen, die dann auch mehr als standesgemäß ausfallen. 12 Zylinder. 6,75 Liter Hubraum. Zwei Turbolader. 571 PS. Wahnwitzige 900 Newtonmeter Drehmoment. All dies reicht, um die fahrbereit 2,7 Tonnen schwere Fuhre in nur 5,3 Sekunden auf Landstraßentempo zu katapultieren, dirigiert über eine famos arbeitende 8-Gang-Wandlerautomatik von ZF. Drehzahl, Gangwahl oder gar Schaltpaddels sucht man vergebens. Dafür zeigt die Power Reserve in 90 Prozent aller Fälle an, dass der Maschinenraum seinem Kapitän noch mehr als genügend Leistung zur Verfügung stellen kann. Doch wer würde schon im vollen Galopp über die Autobahn bügeln wollen? Vor allem, da das Wohlfühltempo bei derlei 100 Stundenkilometer liegt. Nicht, dass der Phantom über dieser Geschwindigkeit aus seiner Komfortzone fährt, doch bis dahin wird das Luftfahrwerk per Stereo-Kamera stets über die Fahrbahnbeschaffenheit informiert.
Ein fliegender Teppich mit scharfen Kanten
Blitzschnell stellen sich die Dämpfer auf den Untergrund ein und in Verbund mit den wohl flauschigsten aller Lammwollfußmatten, entsteht in der Tat der Eindruck eines fliegenden Teppichs. Hier kennt Rolls-Royce kein Wenn und Aber. Hier kann ihnen keiner das Wasser reichen. Wie leise, sanft und harmonisch der Phantom abrollt, das schafft kein anderer Hersteller in keinem anderen Automobil. Eine Wahrheit ist allerdings auch, dass das Fahrverhalten in der flott angegangenen Kurve eher von schwammiger Natur ist. Womit wir abschließend noch einmal in den Innenraum blicken. Wie erwähnt sind alle erdenklichen Teile in Leder gefasst, selbst die Innenschweller sind bezogen. Die Sitze sind vorne wie hinten sagenhaft gepolstert und insgesamt überzeugt das Cockpit-Assemblee durch eine äußerst hochwertige und stilvolle Verarbeitung. Bis auf zwei Ausnahmen: Zum einen sind sichtbare Schnittkanten der mit – wie könnte es anders sein – Leder bezogenen Sonnenblenden bei dieser Preisliga kaum zu rechtfertigten. Und zum anderen ist es ein ziemlich günstiger Cupholder in der zweiten Sitzreihe, der nicht nur etwas instabil, sondern auch noch mit scharfen Kanten daherkommt. Übrigens: Das Kühlfach im Fond ist nicht zum Temperieren größerer Biermengen geeignet, fasst aber wohl eine Flasche Dom Perignon nebst zweier Kristallgläser.
Fazit
Mehr automobiler Luxus geht nicht. Der Rolls-Royce Phantom markiert zurecht das obere Ende der Nahrungskette, gleitet von allen weltlichen Problemen losgelöst durch den Alltag und gibt sich nicht nur äußerlich opulent herrschaftlich. Über Kraftstoffverbräuche spricht man in derlei Wagenklasse eher selten, wir vermerken aber dennoch und beinahe schon kommode 16-17 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer. Das Interieur gleicht vorne wie hinten einer Wohlfühloase; ziemlich viel edles Holz, Aluminium und natürliches Leder fügen sich zu einer einmaligen Symbiose zusammen. Kritikpunkte? Kleinere Nachlässigkeiten in der Kabine sowie der Umstand, dass manch (Plastik-)Schalter auch aus der BMW-Großserie stammen könnte. Doch sind wir uns gewiss, dass der eine oder andere lockerer Euro sicherlich auch hierfür eine Lösung bietet. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Rolls-Royce Phantom SWB
- Motor: Zwölfzylinder-Biturbo, 6.749 ccm
- Leistung: 571 PS (420 kW) bei 5.000 U/min
- Drehmoment: 900 Nm bei 1.700 U/min
- Antrieb: Heckantrieb, 8-Gang-Automatik
- Verbrauch kombiniert: 15,0-15,7 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 341-356 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 5,3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 5,76 m/2,02 m/1,65 m
- Gewicht ca: 2.560 kg
- Tankvolumen: 100 l
- Grundpreis DE: ca. 446.000,00 Euro
*Herstellerangaben