Beim Alltagstest musste er nicht nur seine äußeren Formen, sondern auch seine inneren Werte unter Beweis stellen. Die nicht mehr ganz jungen Autofahrer werden sich noch an den ersten Twingo (1993 – 2007) erinnern: Klein, frech und praktisch eroberte er mit seinen Kulleraugen-Leuchten und dem optionalem Faltdach die (Frauen)-Fahrerherzen im Sturm. Kleinstwagen-Fahren war plötzlich nicht mehr peinlich, sondern hipp. Der zweiten Generation - obwohl technisch das deutlich bessere Auto - gelang es dagegen nicht, an die Erfolge des Vorgängers anzuknüpfen.
Putzig, aber auch praktisch
Twingo Nummer Drei setzt vordergründig auf Bewährtes und spielt wieder die Niedlichkeitskarte aus. Mit Erfolg: Die Front erinnert an ein freundliches Gesicht, das selbst dem bärbeißigsten männlichen Betrachter in unserer Nachbarschaft ein Lächeln abringt. Kurze Überhänge, knuffige Radhäuser und ein wohlgeformtes Hinterteil „runden“ den 3,60 Meter kurzen Kleinen ab. Das Interieur ist farbenfroh und fröhlich gestaltet. Viele Ablagen – darunter ein geschlossenes Handschuhfach und ein herausnehmbares Ablagefach in der Mittelkonsole samt Deckel – helfen Ordnung zu halten. Allerdings kollidiert die Box in der Mittelkonsole gerne mit den Unterschenkeln von Fahrer und Beifahrer. Natürlich lässt sich der Fünftürer wie bei unserem Testauto noch nach Belieben zum Beispiel mit Dekoraufkleber oder extra schönen Leichtmetallfelgen individualisieren.
Moment mal: Fünftürer? Die dritte Generation kommt nun mit fünf Türen serienmäßig vorgefahren. Die sind besonders bei so einem Winzling praktisch. Ein-und Ausstieg gelingen so leicht. Die zusätzlichen Portale sind übrigens nicht die einzigen Neuerungen. Der Motor sitzt wie bei seinem Konstruktionspartner Smart forfour jetzt hinten und auch der Antrieb erfolgt über die hintere Achse.
Ein freundlicher Stadtgefährte
Zu einer Heckschleuder ist der Twingo derweil nicht mutiert, auch nicht mit der von uns gefahrenen 90 PS starken Topmotorisierung. Das Fahrwerk ist gutmütig abgestimmt und die Elektronik greift bei Bedarf sanft ein. Die 90 PS werden aus einem 0,9-Liter-Dreizyinder generiert, sie verhelfen dem Franzosen zu recht flotten Antriebswerten und bei höheren Tempi zu den typischen Surrgeräuschen. 135 Newtonmeter sorgen ab 2500 Umdrehungen für passable Durchzugskraft, es hilft aber auf jeden Fall, das klassenübliche Fünfgang-Getriebe gezielt einzusetzen. Ebenfalls wichtig: Das Bremspedal sollte man ordentlich durchtreten. Der Verzögerungseffekt greift relativ spät. Der Standardspurt gelingt in 10,8 Sekunden, allerdings ist bereits bei Tempo 165 die Höchstgeschwindigkeit erreicht. Auf der Autobahn zeigt der Motor samt Getriebe dies durch unwilliges Knurren und Rütteln an. Obwohl der Kleine auch auf der Autobahn keine schlechte Figur abgab – und mitnichten das langsamste Fahrzeug war – ist sein idealer Einsatzort natürlich eher die Stadt oder die Landstraße. In der Stadt verblüfft der Twingo die anderen Verkehrsteilnehmer durch seinen knappen Wendekreis von nur 8,60 Metern. Wo andere noch kurbeln, ist man längst schon weg.
Verblüfft ist man selbst beim Blick auf die Verbrauchsanzeige, leider nicht unbedingt positiv. Wie auch bei anderen kleinen Turbos übersteigt der praxisnahe Alltagsdurst des getesteten Dreizylinders den theoretischen Normverbrauch erheblich. Statt 4,3 Litern flossen 6,5 Liter durch die Leitungen.
Ein kleines Raumwunder
Für eine positive Überraschung sorgt dagegen das Gepäckteil. Es fasst in Normalstellung 219 Liter, kein schlechter Wert für einen Winzling. Durch Umklappen der zweigeteilten Rücksitzlehne stehen bis zu 980 Liter zur Verfügung. Das Umlegen der Lehnen geschieht ganz einfach durch Ziehen eines Hebels. Das Schöne: Es entsteht ein ebener Ladeboden. Klappt man noch den Beifahrersitz um, passen Gegenstände bis zu 2,31 Meter Länge ins Fahrzeug. Auch wenn man nicht ständig sperrige Möbelpakete transportiert: Sechs große Wasserkästen sind auch gute Beispiele für die Praxistauglichkeit des Twingo.
Das Ladegut muss nicht darben, auch die bis zu vier Passagiere können sich angesichts der Grundfläche des Fahrzeugs nicht wirklich über Platzmangel beschweren. Natürlich sind die Fondnutzer auf den guten Willen ihrer Vorderleute angewiesen, sollen sie nicht ihre Knie verrenken müssen. Eine verschiebbare Rückbank gibt es nicht, frische Luft lassen hinten nur Ausstellfenster hinein.
Apropos Ausstattungsdetails: Wie auch beim Fiat 500 oder Opel Adam müssen Interessenten schon ein wenig liquide sein, wenn sie den Zwergencharme in vollen Zügen genießen wollen. Der Test-Twingo kostet in der höchsten Ausstattungsstufe Luxe ab 13.590 Euro, unter anderem mit Klimaanlage, Nebelscheinwerfer, elektrisch einstell- und beheizbaren Außenspiegeln, vorderen elektrischen Fensterheber, 15-Zoll-Leichtmetallfelgen, Spurhalteassistent sowie Lederlenkrad. Und natürlich kann noch weiteres Geld investiert werden – aber das ist der Welt der „ach-wie süß-und-schnuckelig-ist-der-denn“-Winzlinge nichts Ungewöhnliches und verursacht bei den Kunden keine Aufruhr. (as/sp-x)