Die Autonation Frankreich driftete Mitte der 2010er Jahre zumindest bei uns immer mehr in die Bedeutungslosigkeit ab. Doch in letzten Jahren wendete sich das Blatt. Ob nun bei Stellantis oder Renault-Nissan, neue Modelle werden quasi im Monatstakt vorgestellt und haben in aller Regel wenig zu tun mit dem, was der deutsche Autobeschreiber in den letzten Jahren so gern bemängelt hat. Kuriose Formen wichen einem ansehnlichen Design, die Antriebe sind überwiegend elektrisch und auch sonst zeigt sich am hier getesteten Beispiel des neuen Renault Mégane E-Tech Electric (Stromverbrauch kombiniert: 16,1-15,8 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km; elektrische Reichweite: 300-450 km)², dass unsere Nachbarn das Autobauen keineswegs verlernt haben.
Der Konkurrent zum Volkswagen ID.3 sieht dabei nicht nur chic aus, er hat auch ordentlich was unterm Blech. Unseren Testwagen treibt ein 160 kW/218 PS und 300 Nm starker Frontmotor an, wobei die Leistung aus einer vergleichsweise überschau dimensionierten brutto 60 kWh großen Batterie gewonnen wird. Sie reicht laut Hersteller für eine Reichweite von bis zu 450 Kilometern, im eher kühlen Testzeitraum schafften wir dagegen, je nach Fahrprofil, eine Reichweite von 280 bis 350 Kilometer und damit einen Verbrauch um 21 bis 17 kWh auf 100 Kilometer.
Das sind Werte, mit denen es sich im Alltag schon ganz gut leben lässt und die auch der Hauptmitbewerber ID.3 in Maximalausführung meist nicht besser hinbekommt. Neben dem hier gefahrenen 218 PS-Top-Modell EV60 ab 47.800 Euro gibt es auch noch Varianten mit weniger Leistung sowie einer kleineren Akkukapazität – der Basispreis liegt ohne Umweltbonus bei 42.000 Euro. Wer allerdings täglich unterwegs ist, womöglich nicht zuhause laden kann, der sollte definitiv zum größeren Batteriepack greifen. Ob dann die 131 PS-Variante ausreicht, ist Geschmackssache.
Im Hinterkopf behalten sollte man hingegen, dass nur die 60-kWh-Batterie theoretisch mit bis zu 130 kW am DC-Schnelllader Strom ziehen kann. Wählt man dagegen die 40-kWh-Version, sinkt die Ladeleistung auf maximal 85 kW. Bis auf die nackte Basis-Version „Equilibre standard charge“ ist zudem ein 22 kW-Wechselstrom-Lader Serie. Die maximale DC-Ladeleistung konnten wir im Testzeitraum jedoch nicht erreichen – bei gut 75 kW war Schluss, obwohl die Ladesäulen durchwegs 150 kW hätten abliefern sollen.
Begibt man sich von der Lade- hin zur Längs- und Querdynamik, entpuppt sich der 1,8 Tonnen schwere Renault Mégane E-Tech Electric als wahrer Spaßbringer. Satt liegt der Wagen auf der Straße, ist angenehm gefedert und hat bis zur Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h immerzu ausreichend Leistung. Die Lenkung arbeitet sehr leichtgängig, kann aber ihre indirekte Art nie zur Gänze abschütteln. Zum Stillstand kommt der Franzose wahlweise per einstellbarer Rekuperation (in vier Stufen von null bis drei) oder per gut ansprechender Stahlbremsen. Insgesamt liefert der Mégane eine gute Fahrvorstellung ab und ist gleichzeitig nicht verlegen, selbst zügige Etappen auf verwundenen Landstraßen souverän zu meistern.
Ein wahres Highlight ist derweil die Innenraumgestaltung des 4,20 Meter langen Mégane E-Tech Electric. Fahrer oder Fahrerin werden durch ein wohldurchdachtes französisches Design empfangen (einzig der Stoff des Armaturenbretts spiegelt sich ungünstig in der Frontscheibe) und nicht durch Wolfsburger Tristess-Barock.
Anders als beim direkten Mitbewerber wirkt das Cockpit durchaus wertig, die Stoffsitze sind bequem und bieten auch festeren Staturen genügend Platz. Letzterer geht in der zweiten Reihe und im Kofferraum leider verloren, auch der Blick aus der Schießscharte namens Heckscheibe ist wenig alltagsfreundlich, wobei die fehlende Rundumsicht wahrscheinlich eines der größten Mankos beim elektrischen Mégane ist. Eine Rückfahrkamera ist zwar Serie, die empfehlenswerte 360-Grad-Ansicht gibt es hingegen erst bei den höheren Ausstattungsvarianten automatisch dazu.
Und was wäre ein heutiges Elektroauto ohne Konnektivität? Hier hat Renault spürbar dazugelernt und es vor allem vermieden, wie VW, die Bedienung mit einem eigens entwickelten System für den Endkunden unzumutbar zu machen. Dagegen setzt man auf Android Automotive, nutzt Google Maps als Navigationsanbieter und zeigt auch sonst, was eine fähige Hard- und Software alles leisten kann. Hin und wieder fallen zwar auch beim Mégane kleinere Bedienschnitzer auf, durch die gute Google Sprachbedienung lässt sich so manches Unheil allerdings umschiffen. Smartphones lassen sich selbstverständlich kabellos spiegeln, es gibt je zwei USB-C-Anschlüsse vorne und hinten – jedoch keinen USB-A-Anschluss.
Ein paar Worte noch zur Anänge- und Dachlast des Renault Mégane E-Tech Electric: In der Basis können maximal 500 Kilogramm, in der 220 PS-Top-Version dagegen immerhin 900 Kilogramm an den Haken genommen werden. Die Dachlast beträgt immer 80 Kilo. Diese Werte mögen nicht für jeden von Belang sein, zeigen aber, dass man in Frankreich mitunter eher noch ein Auto für den Kunden oder die Kundin baut als andernorts. Denn beide Werte sind beim Volkswagen ID.3 im Datenblatt mit „nicht vorhanden“ angegeben.
Der Renault Mégane E-Tech Electric überzeugt als fähiges Elektroauto, punktet bei Design, Bedienung und durch seine insgesamt harmonische Abstimmung. Weniger gut gefallen hat uns dagegen die schlechte Rundumsicht, der sehr kleine Kofferraum sowie der beengte Fond. Preislich bewegt man sich dagegen im neuen „Normal“ der europäischen Kompaktklasse – unter 47.000 Euro mit etwas Ausstattung geht kaum etwas. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Hersteller)
*Herstellerangaben