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Zeiten ändern sich: Porsche Taycan Turbo S im Test

Der Porsche Taycan erregt die Gemüter. Zu teuer, kein Motorensound, niedrige Reichweite und angeblich keine Porsche-Faszination. Doch ist das so? Ich finde es im Test des Taycan Turbo S heraus.

Ich gebe es zu: Ich zähle mich zu den Ewiggestrigen. Ich liebe Verbrennungsmotoren. Ich bevorzuge es, selbstbestimmt Auto zu fahren. Ich liebe den Klang der unterschiedlichen Motorenkonzepte, finde eine knackige Handschaltung großartig, schnupper gerne Benzin und Öl (Porsche Taycan Turbo S: Stromverbrauch kombiniert 26,9 kWh/100 km; CO2-Emission kombiniert 0 g/km²).

Das ging über viele Jahre richtig gut. Autos aller Couleur konnten in mir - mal mehr, mal weniger - Emotionen auslösen. Doch dann kam, schleichend aber bestimmt, die Elektromobilität. Ich reagierte wie so viele in meinem Umfeld, ob jung oder alt: Mit Skepsis. Diese Skepsis kam gemeinsam mit der Angst. Der Angst, Liebgewonnenes in naher Zukunft aufgeben zu müssen. Keine faszinierende Verbrennertechnik mehr erleben zu dürfen. Nicht mehr selbst fahren zu können, sondern von Computern überstimmt zu werden. Kein Geruch, kein Sound, keine Emotionen. Mein Umfeld teilte diese Angst, die sich mit der Zeit schon beinahe in Wut auf jedes neue E-Automobil umwandelte.

Porsche Taycan Turbo S Back 2

"Turbo", elektrische Reichweite und Altwagen für den Rest meines Lebens

Dann wurde der Porsche Taycan vorgestellt. Und meine Skepsis? Die blieb. Ich witzelte über den Namen, wollte die Bezeichnung "turbo" auf einem Elektroauto nicht verstehen, fand die technischen Daten und insbesondere die elektrische Reichweite nicht gerade prickelnd. Nie und nimmer konnte und wollte ich mir vorstellen, dass dieser Wagen Emotionen in mir auslösen würde. Und hatte mich insgeheim schon damit abgefunden, für den Rest meines Lebens in Altwagen durch die Gegend zu cruisen. Deren Schicksal jedoch angesichts immer stärkeren Restriktionen auch begrenzt gewesen wäre und es immer noch ist.

Porsche Taycan Turbo S Side 1

"Wir sehen uns dann in etwa 20 Jahren."

Meine Einstellung erhielt erstmalig einen Knacks, da war ich den abgebildeten Taycan Turbo S in Mambagrün noch keinen Meter gefahren. Ein kleiner Junge im prägendsten Alter - ich schätze ihn auf sieben oder acht Jahre - hielt mit seinem Fahrrad vor dem Taycan, rieb sich verwundert die Augen und stand wie paralysiert vor der Kofferraumhaube. Auf meine Frage, ob ihm das Auto gefallen würde, nickte er nur andächtig. Meine nächste, ob er sich denn mal reinsetzen wolle, wird er wahrscheinlich sein Leben lang nicht mehr vergessen. Und seine Eltern auch nicht, denn die werden das gesamte Osterwochenende nur noch "Porsche" von ihrem Sohn gehört haben.

Porsche Taycan Turbo S Interiordetail 1

Es gibt sie noch: Die Porsche-Faszination

Das zeigte mir: Es gibt sie immer noch, die Faszination Porsche. Sie ist echt, sie ist ungebrochen und vor allem ist sie: Unabhängig von der Art des Antriebs. Dem siebenjährigen Max war es völlig egal, ob der Taycan nun drei insgesamt 761 PS starke Elektromotoren, einen 4,8 Liter großen Achtzylinder oder einen luftgekühlten Boxermotor unter der Haube hatte. Für ihn zählte die Optik - und das springende Pferd auf güldenem Grund auf der Haube. Das allein reichte, um in ihm Begehrlichkeiten zu wecken.

Porsche Taycan Turbo S Front 1

Für mich wiederum zählt in erster Linie, wie das fährt, für das sie bei Porsche in Zuffenhausen die vergangenen Jahre so hart gearbeitet und so viel Geld hineingepumpt haben. Und das, werte Ewiggestrigen und Gusseisernen, ist so gut, so echt, so handfest, so ehrlich, so berechenbar und präzise, wie es nur ein Porsche sein kann. Fakt.

Porsche Taycan Turbo S Wheel 1

Ansatzlos schnell, überall

Natürlich ist die Längsdynamik dabei immer so eine Sache. Geradeaus schnell können viele. So schnell nur der Taycan Turbo S. Und es sind nicht nur die 2,8 Sekunden auf Tempo 100, es ist die Beschleunigung in jeder Lebenslage und bei jeder Geschwindigkeit, die Dir und allen anderen Verkehrsteilnehmern den Atem raubt. Ansatzlos stürmt der Taycan nach vorne. Egal welche Straßenbedingungen gerade herrschen. Alleine das ist emotional, weil man es in dieser Form in einem herkömmlich angetriebenen Auto noch nicht erlebt hat. Tesla-Fahrer werden jetzt gähnen, die kennen das Kapitel schon. Das war es dann aber auch. Die Gusseisernen, die sich so sehr einen mechanischen Reiz beim Autofahren wünschen, bedient aber nur der Taycan mit seinem Zweiganggetriebe, dessen Schaltvorgänge hörbar und spürbar sind. Beim Herunterschalten meint man sogar einen Zwischengasstoß zu hören. Was natürlich Schwachsinn ist. Mit Verlaub: Der zuschaltbare Electric Sport Sound ist vielleicht künstlich, aber schlicht und ergreifend: geil.

Porsche Taycan Turbo S Back 1

Der Taycan ist so porschig, wie es nur ein Porsche sein kann

Hohe Geschwindigkeiten schocken den Taycan nicht. Zu keinem Zeitpunkt und in keiner Einstellung des hervorragenden Fahrwerks. Man gewinnt sehr schnell Vertrauen, fliegt mit 250 über die Autobahn und der Taycan liegt so stoisch und ruhig, als wäre er für nichts anderes entwickelt worden. Ist er ja auch.

Was bislang auch kein Elektroauto geschafft hat: Querdynamisch mindestens ebensolche Emotionen auszulösen wie längsdynamisch. Bremsen? Muss man im Grunde nicht. Mit einer Geschwindigkeit, die sonst nur mit den GT-Modellen aus gleicher Herkunft möglich ist, halte ich auf das blaue Ausfahrt-Schild zu. Bremse bzw. Rekuperiere kurz an, um den ohnehin schon perfekt gesetzten Schwerpunkt ein wenig Richtung Vorderachse zu verlagern und setze den Taycan millimetergenau auf den imaginären Innencurb der Ausfahrt-23. Die Lenkung ist von einer unvergleichlichen Porschigkeit. Nicht zu schwergängig und nicht zu spitz, sondern perfekt gewichtet, extrem präzise und genau richtig direkt umgesetzt. Nach Belieben lässt sich der Taycan in der Kurve noch versetzen, mit dem Gaspedal erntet man irgendwann ein drängendes Heck, doch bis es so weit kommt, hat man schon sämtliche Regeln der StVO hinter sich gelassen.

Porsche Taycan Turbo S Interior 1

Seitenneigung? Ist ein Fremdwort. Ihr Fehlen trägt dazu bei, dass sich der Taycan in der Kurve so unvergleichlich souverän anfühlt. Und das trotz seiner Masse von über 2.300 Kilogramm. Man merkt ihm diese nie an. Das frühe Untersteuern seiner Konzernkollegen haben ihm die Ingenieure fast vollständig ausgetrieben.

Porsche Taycan Turbo S Interiordetail 2

Ungeahnte Wertigkeit

Neben dieser beeindruckenden Längs- und Querdynamik, die kein Mitbewerber in dieser Form zu bieten hat, ist es die Wertigkeit in jeder Hinsicht, die mich am Porsche Taycan so fasziniert. Alles, was ich anfasse, ansehe, drücke, ist präzise gearbeitet, rastet satt ein, knarzt oder klappert nicht. Ledernähte, ausklappende Türgriffe, die bronzierten Innenraumapplikationen (Sonderausstattung), sämtliche Schalter und Oberflächen sind mit einer millimetergenauen Exaktheit gearbeitet. Natürlich, in einer Preisklasse wie dieser darf man das erwarten. Es trägt abermals zu dem handfesten Eindruck bei, den der Taycan versprüht.

Porsche Taycan Turbo S Side 2

Kritik?

Freilich gibt es Kritikpunkte an einem Auto, das ich ohne zu zögern zu den besten Autos der Welt zählen würde. Wie der Kollege bereits im ersten Test kurz nach der Präsentation des Taycan (hier nachzulesen) feststellte, gehört das Infotainment-System dazu. Aufgrund seiner sehr kleinteiligen, verschachtelten und ablenkenden Gestaltung, ist die Bedienung kompliziert und wenig intuitiv. Desöfteren wollte die Navigationseingabe auch nicht so, wie ich es wollte. Selbst die ansonsten ordentliche Sprachbedienung konnte nicht weiterhelfen. Die Übersichtlichkeit ist bescheiden, die Kofferraumluke etwas klein und das Platzangebot in der zweiten Sitzreihe sehr beengt.

Porsche Taycan Turbo S Detail 1

Infrastrukturelle Probleme kann man dem Taycan nicht vorwerfen

Doch was letzten Endes dazu führt, dass ich mir den Taycan trotz aller Begeisterung nicht kaufen würde, liegt nicht im Auto begründet. Es ist die Versorgung mit ordentlichen Stromtankstellen. Und "ordentlich" heißt in diesem Fall mit wenigstens einem 150+ kW-Lader. Dort benötigt der Taycan eine knappe Stunde, um von 30 auf 100 Prozent aufzuladen. Wobei 25 Minuten davon auf den Weg von 80 auf 100 Prozent entfallen. Werte, mit denen man auch im Alltag klarkommt. Wären die Ladesäulen in erreichbarer Nähe. In meinem Fall waren sie es nicht.

Eine Beispielrechnung: Realistisch sind im Porsche Taycan Turbo S 300 Kilometer Reichweite. Diese reichen für die tägliche Pendelstrecke von Zuhause ins Büro völlig aus, doch wenn man hier wie dort keine Lademöglichkeit hat, ist man auf öffentliche Ladeanbieter angewiesen, die man am Wochenende aufsucht. Und diese wiederum leisten selbst im Rhein-Main-Speckgürtel seltenst mehr als die üblichen 22 kW, an denen der Taycan gut und gerne vier bis fünf Stunden lädt. Zeit, die ich weder am Wochenende habe, noch Zeit, die ich jedes Wochenende verplanen möchte, damit ich wie gewohnt in der Folgewoche mit dem Auto zur Arbeit fahren kann.

Porsche Taycan Turbo S Detail 3

Das kann man dem Auto nicht zum Vorwurf machen. Es ist aber eine einfache Praxisrechnung die zeigt, dass Elektromobilität für viele potenzielle Käufer nicht so einfach realisierbar ist, wie es sich die Hersteller (und unsere Regierung) vielleicht wünschen. Der Taycan macht keinen Fehler. Ich wünsche mir aber, ihn so einfach "betanken" zu können, wie einen V8-Panamera. Der Taycan könnte das. Nur der Rest ist noch nicht so weit.

Fazit

Der Porsche Taycan hat mir viel Angst genommen. Die Angst, dass ich mit dem Aufstieg der Elektromobilität auf Emotionen, selbstbestimmtes Autofahren begehrenswerter Autos und mechanische Faszination verzichten muss. An jeden, der noch so denkt, appelliere ich, es selbst auszuprobieren. Der Taycan ist emotional, er lässt den Fahrer Fahrer sein, er fasziniert durch seine Dynamik, aber vor allem durch seine unvergleichliche Art, ein Porsche zu sein. Er teilt die Nachteile der Elektromobilität, die ausgemacht werden müssen. Aber auch das wird sich ändern. Wir sehen uns dann in ein paar Jahren. Und ich freue mich darauf.

Technische Daten*

  • Modell: Porsche Taycan Turbo S
  • Motoren: Front und Heck
  • Batterie: 83,7 kWh (netto), 93,4 kWh (brutto)
  • Dauerleistung: 460 kW
  • Maxmimalleistung: 560 kW
  • Drehmoment: 1050 Nm
  • Antrieb: Allradanrieb, 2-Gang-Getriebe
  • Verbrauch kombiniert: 26,9 kWh/ 100 km²
  • CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²
  • Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 2,8 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 4,97 m/ 1,97 m/ 1,38 m
  • Gewicht DIN: ca. 2.370 Kg
  • Grundpreis AT: 189.702 Euro

*Herstellerangaben

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