Gran Turismo Sport steht bei Porsche bereits seit Anfang der 1960er Jahre für besonders sportliche, besonders ausgewogene Rennmaschinen. In den Dekaden zwischen damals und heute entwickelten sich die GTS-Baureihen weiter und schaffen es nunmehr, die große Spreizung zwischen bedingungsloser Fahrfreude und uneingeschränkter Alltagstauglichkeit miteinander zu verbinden. Die 718 GTS Modelle machen hier bekanntlich keine Ausnahme, doch gab es beim seit 2016 angebotenen Mittelmotor-Sportwagen immer ein großes Manko: Es fehlte in der gesamten Baureihe der Sechszylinder.
Der Vierzylinder ist tot, es lebe der Sechszylinder
Spätestens nach dem Debüt von Cayman GT4 und 718 Spyder (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,9 l/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 249 g/km²) hat man bei Porsche diesen „Fehler“ allerdings korrigiert und konnte seither zumindest die zahlungskräftige GT-Kundschaft bedienen. Und der Rest? Der fährt ab sofort 718 GTS 4.0 (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,8 l/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 246 g/km²). Denn Porsche bringt den freiatmenden Sechszylinder-Boxer zurück in die Zivilgesellschaft, versieht Cayman und Boxster GTS 4.0 mit einem attraktiven Preisschild und schlittert damit doch ins nächste Minenfeld. So dürfte mancher Vierzylinder-GTS-Kunde vom neuen Modell etwas überrumpelt gewesen sein, vor allem, weil der Preisunterschied in Österreich wenige tausend Euro beträgt. Noch zumindest. Denn mit Ausnahme für den chinesischen Markt, läuft die Produktion des Vierzylinder-GTS in diesem Jahr aus. Aber haben diejenigen, sie sich für den bisherigen 718 GTS entschieden haben, wirklich eine schlechtere Wahl getroffen?
Beim Klang ist sechs Trumpf
Geht es nach dem Klang, dann auf jeden Fall. Bereits nach dem ersten Anlassen der neuen Vierliter-Maschine vermerkt man positiv, dass der Sechszylinder präsenter, rassiger und insgesamt deutlich hörbarer zu Werke geht. Und das sogar im Vergleich zu GT4 und Spyder. So ist es insbesondere der 718 Boxster GTS 4.0 der beim Offenfahren von der spürbar geladenen Klangatmosphäre profitiert, ohne, dass eine Turbopfeife den Hörgenuss stören würde. Bei 7.000 Umdrehungen stemmt der in der Fahrzeugmitte montierte Sechsender 400 PS an die Hinterräder und dreht gar weiter bis auf maximale 7.800 Touren. Das höchste Drehmoment von 420 Newtonmeter liegt gleichermaßen spät und erst ab 5.000 Touren an, was den outgesourcten Vierzylinder eben doch wieder in den Fokus rückt.
Hochdrehzahlkonzept gegen Turbo-Drehmoment
Anders als der bisherige Turbomotor, verfolgt der 4.0-Sauger eine völlig andere Philosophie und arbeitet nach den Regeln des Hochdrehzahlkonzepts. Das kann man ob der beinahe schon digitalen Gasannahme und dem satten Klang mögen, man kann allerdings auch das früh einsetzende Drehmoment vermissen, das beim 2,5-Liter-Vierzylinder bereits ab 1.900 Touren anliegt. Einhergehend mit dem Umstieg auf den Saugmotor sind auch vermehrte Schalteinlagen am 6-Gang-Handgerät, welches man aber hüben wie drüben sehr gerne bedienen mag. Es gibt wohl nur noch eine halbe Handvoll Autobauer, die einen Handschalter so mechanisch präzise und punktgenau abstimmen können – Porsche führt diese Gruppe ganz klar an. Wer dagegen lieber automatisch schalten lässt, der erhält ab Mitte des Jahres die Option auf das bekannte 7-Gang-PDK.
Das Revier des Cayman GTS 4.0 ist die Rennstrecke
Ist es der offene 718 Boxster GTS 4.0, den man lieber für beschauliche Küstenstraße wählt, so ist es auf der anderen Seite der 718 Cayman GTS 4.0, der bei Trackdays zeigen muss, aus welchem Sportwagenholz er geschnitzt ist. Auf der einstigen Formel-1 Rennstrecke im portugiesischen Estoril gilt es die harten Dynamikfakten der Porsche-Pressemappe in erlebbare Fahreindrücke umsetzen - und der neue GTS 4.0 enttäuscht nicht. Wie schon im GT4 hängt der im GTS nominell 20 PS schwächere Sechszylinder heftig am Gas, zieht linear und kraftvoll nach oben und hat gar so viel Power, um einem 992 Carrera ordentlich einzuheizen. Schaltvorgänge gehen locker von der Hand und werden im Sport+ Modus über die dann aktivierte „Auto-Blip-Funktion“ mit gekonnten Zwischengaseinlagen untermalt. Um im Teillastbereich Kraftstoff zu sparen setzt man zudem auf eine adaptive Zylinderabschaltung, die wechselweise eine der beiden Zylinderbänke deaktiviert.
Die Gesamtabstimmung überzeugt
Ab Werk setzen sowohl Boxster als auch der Cayman GTS 4.0 auf ein um 20 Millimeter niederes und adaptiv geregeltes PASM-Fahrwerk, das sich insbesondere auf dem Rundkurs positiv bemerkbar macht. Der Cayman saugt sich förmlich in die Kurven, liegt äußerst stabil auf dem Asphalt und zeigt dem Fahrer auch durch die Rückmeldung in der gefühlvoll abgestimmten elektromechanischen Lenkung, was als nächstes passiert. Typisch Mittelmotor-Sportwagen, reichen die Fahrbewegungen vom dezenten Untersteuern, bis zum giftigen Übersteuern und bei hart getroffenen Curbs hebt der Wagen auch gerne die kurveninneren Räder. Doch selbst wer mit aller Vehemenz versucht den Cayman aus dem Gleichgewicht zu bringen, wird den im Verhältnis 44 zu 56 Prozent austarierten GTS 4.0 sehr leicht und präzise wieder einfangen können. Unterm Strich macht es der 718 seinem Fahrer leicht, eine äußerst schnelle Runde hinzulegen.
Angestaubtes Interieur
Gebremst wird vor der nächsten Haarnadel serienmäßig mittels 350er Stahlscheiben an der Vorder-, und Stoppern im Durchmesser von 330 Millimeter an der Hinterachse. Unsere Testfahrzeuge hatten jeweils die sündhaft teure Porsche Keramikbremse verbaut, die zwar ohne Fehl und Tadel verzögert, für den nicht alltäglichen Rennstreckeneinsatz aber schnell zu viel des Guten ist. Womit wir insgesamt auch beim Preis angelangt wären. Er beläuft sich für den 718 Cayman GTS 4.0 in Österreich auf mindestens 102.400 Euro und für den 718 Boxster GTS 4.0 auf mindestens 104.893 Euro. Mit Blick in den Innenraum kann man über den einen oder anderen abverlangten Euro streiten, sitzen wir zwar in einem hochwertigen und gut bedienbaren Interieur, aber insbesondere beim Infotainment-Angebot ist der 718 mittlerweile deutlich ins Hintertreffen geraten. Eine Option auf den Entfall des Systems, wie etwa beim GT4, gibt es übrigens beim GTS 4.0 nicht.
Erstes Fazit
Sind die 718 GTS Modelle mit Sechszylinder nun besser als jene mit Vierzylinder? Ansichtssache. Für den 4.0 spricht der emotionale Part. Der Sound, die analoge Kraftentfaltung durch vier Liter Hubraum und die Tatsache, dass es derlei nicht mehr viele neue Autos zu kaufen gibt. Auf der anderen Seite war es der 2,5-Liter-Turbo im GTS, der durch sein frühes Drehmoment und die locker aus dem Ärmel geschüttelte Leistung überzeugen konnte. Auch das Thema Verbrauch wird bei einem Alltagssportwagen eine Rolle spielen – wie sich die 718 GTS 4.0 Modelle hier schlagen, kann allerdings erst ein ausgiebiger Fahrbericht auf heimischen Straßen klären. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Frank Ratering, Rossen Gargolov)
Technische Daten*
Modell: Porsche 718 Cayman GTS 4.0
Motor: Sechszylinder-Boxer, 3.995 ccm
Leistung: 400 PS (294 kW) bei 7.000 U/min
Drehmoment: 420 Nm zwischen 5.000 und 6.500 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, 6-Gang-Schaltgetriebe
Verbrauch kombiniert: 10,8 l l/100km²
CO2-Emissionen kombiniert: 246 g/km²
Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 293 km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,41 m/1,80 m/1,28 m
Gewicht DIN ca.: 1.405 kg
Grundpreis AT: 102.400 Euro
Modell: Porsche 718 Boxster GTS 4.0
Motor: Sechszylinder-Boxer, 3.995 ccm
Leistung: 400 PS (294 kW) bei 7.000 U/min
Drehmoment: 420 Nm zwischen 5.000 und 6.500 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, 6-Gang-Schaltgetriebe
Verbrauch kombiniert: 10,8 l l/100km²
CO2-Emissionen kombiniert: 246 g/km²
Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 293 km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,39 m/1,80 m/1,26 m
Gewicht DIN ca.: 1.405 kg
Grundpreis AT: 104.893 Euro
*Herstellerangaben