Dass in der jetzigen Zeit etwas preiswert zu haben ist, ist selten geworden. Mindestens 141.338 Euro für einen mittlerweile stark angegrauten 718 sind auch nicht gerade das, was man als Schnäppchen bezeichnen würde. Und dennoch: Günstiger ist der sagenhafte 4,0-Liter-GT-Motor aus dem 34.510 Euro teureren 992 GT3 (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,0-12,9 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 294-293 g/km)² schlichtweg nicht zu bekommen. Der Preisvorteil kann folglich aber auch genutzt werden, um noch das Weissach-Paket (15.815 Euro), eine Keramikbremse (7.913,50 Euro) sowie ein durchaus empfehlenswertes Liftsystem für die Vorderachse (2.594,20 Euro) zu bestellen. Bleibt am Ende sogar noch Luft für eine tolle Farbe nach Wahl (9.877 Euro).
Das brauchst du alles nicht? Dann entscheide dich für eine der wenigen Null-Euro-Option in der Preisliste: Den Entfall des Audio- und Kommunikationssystems. Porsche verdient dadurch noch ein bisschen Geld zusätzlich und du zeigst der außenstehenden Welt, dass du es ernst gemeint hast mit dem straßenzugelassenen Rennwagen. Radiohören kannst du meist ohnehin vergessen, denn den Ton gibt der hinter dir sitzende freisaugende 4,0-Liter-Sechszylinder-Boxer an. Aus dem aktuellen 992 GT3 entliehen, um 180 Grad gedreht und auch sonst aufwendig auf sein Dasein als Mittelmotor vorbereitet, gibt es wohl derzeit kaum ein – pardon – krasseres Auto in dieser Klasse zu kaufen.
500 PS sind derlei zwar 20 PS (Porsche 718 GT4 RS Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,2 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 299 g/km)² weniger als im großen Bruder, doch nicht etwa ein unbegründeter Ehrfurchtsgedanke zwang die Ingenieure dazu, sondern die extrem komplizierte Titanabgasanlage, die durch ihre Verlängerung gegenüber dem Elfer einfach ein paar Pferdestärken als Tribut einforderte. Aber keine Bange: Der große Motor im kleinen Auto klingt auch samt Euro 6d „Final Edition“ so extrem gut, dass man beinahe die eingebauten Ottopartikelfilter vergessen könnte. Schon knapp unter 3.000 Touren muckt das Triebwerk akustisch erstmals auf, um dann spätestens jenseits der 6.700 Umdrehungen pro Minute richtig das Plärren anzufangen.
Die Ansaugung für das Triebwerk liegt direkt hinter Fahrer und Beifahrer auf Höhe der Ohren und die Dämmung wurde praktisch wegignoriert. Beste Voraussetzungen also, um dem freisaugenden „echten“ Sechszylinder-GT-Motor bei der Arbeit zuzuhören. „Echt“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass er in der Motorsportabteilung in Weissach entwickelt wurde und nicht, wie beim regulären GT4, vom bekannten 3,0-Liter-Sechszylinder-Biturbo des 992 Carrera S abgeleitet wurde. Wie im GT3 dreht der 4,0-Liter-Sauger (Testverbrauch um 13 Liter auf 100 Kilometer) maximal bis 9.000 Umdrehungen, wobei die Maximalleistung bei 8.400 Kurbelwellenumdrehungen anliegt.
Angebunden ist der Mittelmotor an ein ebenfalls aufwändig aus dem GT3 übernommenes Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, das vor allem durch seine sehr kurze Übersetzung auffiel. Per Hand wird bei RS-Modellen traditionell nicht mehr geschaltet, wobei die Automatik mittlerweile auch zu gut wäre, um hier überhaupt noch ein Kupplungspedal bemühen zu wollen. In äußerst glaubhaften 3,4 Sekunden schnalzt der GT4 RS derweil aus dem Stand auf Tempo 100, Ende ist bei 315 km/h erreicht. Ein ausgeklügeltes Aerodynamik-Konzept hilft indes dabei, dass der Sportler immerzu freudig aufs Asphaltband gesogen wird. Zwar ist der, gegenüber dem GT4, um bis zu 25 Prozent gesteigerte Abtrieb anhand des in drei Stufen verstellbaren Schwanenhals-Heckgeflügels legal nur auf der Rennstrecke zu erfahren, doch auch so hegen wir kaum Zweifel an der ausgeklügelten Luftakrobatik.
Im normalen Straßenverkehr deutlich einfacher zu spüren sind hingegen die äußerst präzise Lenkung sowie das RS-spezifische Fahrwerkssetup. Kugelgelenke sorgen für eine noch straffere Anbindung an die Karosserie, Feder- und Stabilisatorraten wurden überarbeitet und auch das variable Dämpfersystem wurde nochmals angepasst. Im Vergleich zum Serien-Cayman liegt der Wagen 30 Millimeter tiefer, was aber nicht bedeutet, dass dir bereits bei der ersten Fahrt im GT4 RS die eigenen Bandscheiben einen Drohbrief schreiben. Ist das Straßenwerk nicht allzu schlecht, federt der RS gar ein wenig kommod, was auf jeden Fall für längere Strecken zuträglich ist.
Leichtbau spielte bei der Entwicklung des Über-Cayman sicherlich auch eine große Rolle, doch trotz des großflächigen Einsatzes von Kohlefaserverbundwerkstoffen (z. B. bei Motorhaube und Kotflügeln) wiegt der RS am Ende mit circa 1.415 Kilogramm (nach DIN) nur 35 Kilogramm weniger als der GT4 mit PDK. Das liegt unter anderem an den Verstärkungen im Fahrwerksbereich sowie einer üppiger dimensionierten Bremse. Gegenarbeiten kann man sicherlich im kleinen Stil mit ebenfalls verfügbaren Magnesiumfelgen, die schon ohne Beachtung der Massenträgheit 10 Kilogramm einsparen können, aber auch mit heftigen 14.875 Euro zu Buche schlagen. Im Zubehörkatalog verlangt Porsche sogar 19.873 Euro für die dezente Gewichtersparnis.
Mit Blick in den Innenraum gibt es gewohnte Hochwertigkeit zu betrachten, wobei der 718 sein Alter eben nicht mehr verleugnen kann. Alcantara-Lenkrad mit 12-Uhr-Markierung, Türschlaufen statt echter Griffe und extraleichte Fußmatten unterstreichen ebenfalls den Rennsportcharakter des GT4 RS. Die Montage von Carbon-Zierleisten versteht sich von selbst und natürlich müssen es die erstmals im Supersportwagen 918 Spyder gezeigten Vollschalensitze sein, damit der Über-Cayman komplettiert wird. Wer allerdings größer und breiter gebaut ist, sollte sich vor dem Kauf etwas näher mit dem wenig flexiblen Gestühl beschäftigen. Ansonsten gibt es preisneutral deutlich weniger radikale adaptive Sportsitze zu bestellen.
The Hype is real! Radikaler, unverfälschter und auch "preiswerter" geht es im Hause Porsche derzeit nicht. Zumindest dann, wenn man einen waschechten 4,0-Liter-GT-Motor in einem waschechten RS-Fahrzeug haben will. Der Porsche 718 Cayman GT4 RS ist nicht limitiert, dürfte aufgrund begrenzter Werkskapazitäten (Teile der 718 Produktion müssen wegen der hohen Nachfrage ab 2023 schon in das Volkswagen-Werk Osnabrück ausgelagert werden) aber dennoch nur schwer zu bekommen sein. Dass er spätestens mit Ende der aktuellen Modellgeneration automatisch mehr wert sein wird, gilt als gesichert. Und so hervorragend, wie er sich fahren lässt, ist er auch jeden Euro wert. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
*Herstellerangaben