Es gibt Sportwagen, die gibt es eigentlich gar nicht. So zum Beispiel den kürzlich vorgestellten Porsche 911 Speedster. Natürlich sind wir ihn (hier) gefahren, doch kaufen konnten ihn nur 1.948 handverlesene Kunden nach ganz bestimmten Kriterien. Eines davon war es in jeden Fall, mindestens 270.000 Euro auf der hohen Kante zu haben. Mit 718 Spyder und GT4 beschreitet Porsche hingegen einen anderen Weg. Beide Autos sind zunächst einmal für jedermann und unter 100.000 Euro zu haben. Wer am Ende dann nach welcher Reihenfolge bedient wird, darüber schweigt sich Zuffenhausen freilich aus.
718 Spyder geht als kleiner Speedster durch
Fest steht allerdings, dass insbesondere der Porsche 718 Spyder bei vielen jene Lücke füllen will, die der famose Speedster aufgerissen hat. Er bietet wie sein Schwestermodell GT4 grundlegend einen freiatmenden Sechszylinder-Boxermotor mit vier Liter Hubraum. Nein, nicht die neuentwickelte GT-Fahrmaschine mit ihren Einzeldrosselklappen die bis 9.000 U/min dreht. Wohl aber ein ebenfalls frisches Triebwerk, das dem Grunde nach auf dem 3,0-Liter-Turbo-Boxer aus dem noch jungen 911 (992) Carrera S basiert. Als technisches Highlight verfügt der Vierliter außerdem über eine adaptive Zylindersteuerung, die abwechselnd eine ganze Bank von der Spritzufuhr trennen kann.
Tolles Gesamtpaket
420 PS und 420 Newtonmeter maximales Drehmoment sind beim 718 Spyder gut für ein Spitzentempo von 301 km/h (GT4 304 km/h), derweil rennt er aus dem Stand auf 100 in gut 4,4 Sekunden. Vielmehr als das schiere Leistungsangebot beeindruckt auf den schottischen Landstraßen allerdings das Gesamtpaket: Durch Lenkung, GT-Fahrwerk und Ceramic Composite Brake (PCCB) zieht sich ein roter Fahrfreude-Faden, nur noch getoppt vom 6-Gang-Schaltgetriebe. Es übernimmt das Zwei-Massen-Schwungrad aus dem GT3, lässt sich leicht und präzise in die Gassen schnalzen und kann nun mittels Auto-Blip auch automatisch Zwischengas geben.
Beim Klang zurückhaltend
Wie allein schon der 718 Spyder auf der Straße klebt ist dabei der helle Wahnsinn, vor allem wer die örtliche Straßenbeschaffenheit in den Highlands kennt. Trotz aktivierter Fahrhilfen lässt sich der offene Mittelmotor-Sportwagen bei Bedarf leicht zum Übersteuern bewegen, bietet im Normalfall aber so viel Grip, dass man es bis dahin schon stark übertreiben muss. Schade fanden wir einzig, dass der 4,0-Liter-Sechsyzlinder klanglich etwas hinter unseren persönlichen Erwartungen zurückbleibt. So verfügt er zwar noch über die rauchige Boxer-Note, man muss ihn aber weit gen 8.000 Umdrehungen drehen, um annährend die gleiche Begeisterung zu verspüren wie in GT3 und Speedster.
Gänzlich manuelles Stoffdach
Dabei gelingt es dem 718 Spyder bauartbedingt natürlich noch etwas leichter als dem geschlossenen GT4, seine Klangfarben in Richtung Cockpit weiterzureichen. Das leichtbauende Stoffdach ist übrigens, mit Ausnahme des Verriegelungshaken, komplett manuell zu bedienen, waschanlagenfest und insgesamt sehr gut gedämmt. So gesehen gibt es mit dem neuen Porsche 718 Spyder auch kein falsches Wetter, sondern nur eine falsche Annahme seitens des Fahrers. Anders als der GT4 verfügt der Spyder zudem über einen automatisch ab 120 km/h ausfahrenden Heckspoiler, der so auch bestens zur stilsicheren und klassischen Erscheinung des Spyders passen mag.
Neues Aerodynamikkonzept sorgt für mehr Abtrieb
An Anpressdruck mangelt es ihm dennoch nicht, dafür sorgt auch das völlig neue Aerodynamikkonzept das Porsche bei Spyder und GT4 angewendet hat. Bugspoilerlippe und Air Curtains vorne, ein gänzlich geschlossener Fahrzeugunterboden, beim GT4 der feststehende Heckflügel und der funktionale Diffusor am Heck sorgen für bis zu 50 Prozent mehr Abtrieb als noch bei den Vorgängermodellen. Optischer Haken: Die beiden Abgasendrohre verlaufen nun nicht mehr mittig, sondern links und rechts um den zentralen Luftkanal.
Mit dem Cayman GT4 auf dem Knockhill Circuit
Der neue Antriebsstrang, die verbesserte Aerodynamik und all die sonst noch stattgefundenen Veränderungen haben vor allem den Porsche GT4 spürbar schneller werden lassen. Verdeutlicht wird dies durch eine Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife von 7 Minuten und 28 Sekunden. Zum Vergleich: Der letzte GT4 brauchte für die Umrundung sage und schreibe 12 Sekunden länger. Womit wir auch im Cayman GT4 Platz genommen haben und uns in der Boxengasse des Knockhill Racing Circuits befinden. Schottlands wohl berühmteste Rennpiste ist die ideale Spielwiese für den neuen GT4 und wenngleich es der hiesige Sommer dank strömenden Regens am zweiten Fahrtag nicht gut mit uns meinte: Der Porsche Cayman GT4 performt auf dieser rund 2,04 Kilometer langen Rennstrecke selbst bei Nässe derart gut, dass wir keine Zweifel an seinen Qualitäten im Trockenen haben.
Pure Verbundenheit mit der Straße
Wie das sprichwörtliche Brett liegt der Cayman auf der Straße, profitiert stets von seiner ausgewogenen Gewichtsverteilung und lässt dank der optionalen Ceramic-Bremsanlage ziemlich späte Bremspunkte zu. Zu jeder Zeit lässt dich der Wagen spüren, was er gerade tut – die Verbundenheit zur Straße ist in der Tat einmalig. Sogar so einmalig, dass wir ihn hier über den neuen Elfer setzen, der sich ob der fortschreitenden Digitalisierung (und zunehmenden Fahrzeuggröße) immer weiter von seiner sportlichen Kerndisziplin hin zu einem Gran Tourer entwickelt. Gewichtstechnisch rangieren 718 Spyder wie auch Cayman GT4 bei gut 1.420 Kilogramm, was nach heutigen Maßstäben zwar nicht schwer, aber eben auch nicht sonderlich leicht erscheint. Es sei aber angemerkt, dass man jene Zahlen beim Fahren bewusst nicht wahrnimmt.
Fazit
Unser erstes Doppelfazit zu Porsche 718 Spyder und Cayman GT4 fällt denkbar kurz aus: Wer auf frei saugende Boxer-Motoren, knackige Handschaltgetriebe und insgesamt auf ein verdammt gutes Fahrzeughandling steht, gerne noch selbst autofährt und der Faszination Mittelmotor-Sportwagen verfallen ist, der sollte schleunigst zum nächsten Porsche Zentrum. Dank 93.950 Euro für den 718 Spyder und 96.206 Euro für den Cayman GT4 ist jenes Vergnügen sogar ein vergleichsweise leistbares. Ob man sich dabei für den offenen oder geschlossenen Renner entscheidet bleibt eine reine Geschmacksfrage. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Galerie Bilder: Porsche)
Technische Daten*
Modell: Porsche 718 Spyder
Motor: Sechszylinder-Boxer, 3.995 ccm
Leistung: 420 PS (309 kW) bei 7.600 U/min
Drehmoment: 420 Nm zwischen 5.000 und 6.800 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, 6-Gang-Schaltgetriebe
Verbrauch kombiniert: 10,9l SP/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 301 km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,46 m/1,80 m/1,27 m
Gewicht DIN ca.: 1.420 Kg
Grundpreis: 93.950 Euro
Modell: Porsche Cayman GT4
Motor: Sechszylinder-Boxer, 3.995 ccm
Leistung: 420 PS (309 kW) bei 7.600 U/min
Drehmoment: 420 Nm zwischen 5.000 und 6.800 U/min
Antrieb: Hinterradantrieb, 6-Gang-Schaltgetriebe
Verbrauch kombiniert: 10,9l SP/100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 304 km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,43 m/1,80 m/1,26 m
Gewicht DIN ca.: 1.420 Kg
Grundpreis: 96.206 Euro
*Herstellerangaben