Es ist so etwas wie die sprichwörtliche Hassliebe, die sich auftut, wenn eingefleischte Elfer-Fans anfangen über den Cayenne zu sprechen. Meist reichen Blicke aus der Luftgekühlt-Fraktion, um die Fronten zu klären. Wir, die auf einem Parkplatz fasziniert um unsere Blechberge herumstehen, haben wenig gemein mit denen, die gleichenorts ihre Raritäten um G-Modell, 964 oder 993 Hüten wie den heiligen Sportwagen-Gral. Macht aber nichts! Denn insgeheim weiß der 911-Enthusiast ja, dass der Fortbestand des Mythos Porsche in dieser Form nur möglich war, weil in Zuffenhausen Anfang des neuen Jahrtausends der Mut aufgebracht wurde, einen echten Geländewagen auf die Straßen zu bringen (Cayenne GTS – Kraftstoffverbrauch kombiniert: 14,1-13,3 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 319-301 g/km)².
Der Porsche Cayenne 9PA als Gebrauchtwagen
Der Cayenne der ersten Generation, gebaut von 2002 bis 2010, wurde von Porsche Ende 2021 in den Classic-Olymp gehoben. Das bedeutet, dass die Stuttgarter nun vermehrt Teile nachproduzieren und neues Zubehör entwickeln. Ebenfalls dürfte dieser Schritt das Ende der sehr niedrigen Gebrauchtwagenpreise einläuten. Denn obwohl nicht ohne Schwachstellen - in vielen Bereichen wirkt der Cayenne 9PA auch heute noch überentwickelt gut. Wenngleich die Innenraumqualität zu Beginn gerne kritisiert wurde, finden sich heute nur selten Modelle, die ein wirklich abgewohntes Cockpit zeigen. Auch bei der Hauptuntersuchung gibt sich der Porsche Cayenne selten die Blöße, sofern seine Vorbesitzer auf einen ordentlichen Pflegezustand geachtet haben. Hier geht es zum vollständigen Gebrauchtwagen-Check.
Vor genau 20 Jahren erblickte damit der erste Cayenne das Licht der Welt und legte den Grundstein für eine wahre Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält. Mehr als 1,1 Millionen Einheiten wurden mittlerweile über drei Generationen hinweg gebaut und sicherten so nicht nur das Überleben des einstmals angeschlagenen Autobauers, sondern ebenfalls die kostenintensive Weiterentwicklung des eigentlichen Aushängeschildes der Marke – den Porsche 911. Überspitzt ausgedrückt ist man heute dank der hohen Absatzzahlen von Cayenne und Macan mehr ein SUV-, denn ein reinrassiger Sportwagenhersteller. Dass sich wiederum beides sehr gut ergänzt, zeigen unsere beiden Fotomodelle.
Beide verbindet das Sportabzeichen GTS, das in bester Porsche-Tradition für „Gran Turismo Sport“ steht und damit den Alltagssportler in der Modellpalette definiert. Damals, 2007, war die GTS-Adelung des Cayenne etwas gänzlich Neues. Mit dem bereits früher erschienenen Turbo beziehungsweise dem bis zu 550 PS starken Turbo S zeigte man zwar deutlich, dass der auf dem VW Touareg basierende Cayenne flott nach vorne gehen kann – er war aber mehr eine rasende Sänfte denn ein ausgewiesener Sportwagen. Nicht so der GTS. Mit ein paar richtig gesetzten Kreuzchen in der Preisliste wurde der 2,2 Tonner zu einer fünfsitzigen Elfer-Alternative. Das bisweilen sehr straffe, um 24 Millimeter niedere Sportfahrwerk samt adaptiver Dämpferregelung war bereits Serie, gegen Aufpreis konnte neben der Luftfederung zusätzlich eine aktive Wankstabilisierung geordert werden. Für den Cayenne GTS einzig nicht verfügbar war das Offroad-Technik-Paket samt geregelter Hinterachs-Differenzialsperre.
Sportlichkeit definierte sich ab 2007 derweil noch über ein entsprechendes Getriebe und so verwundert es bei Porsche kaum, dass ein eng geführtes 6-Gang-Handschaltgetriebe zum Serienumfang zählte. Die allermeisten Kunden entschieden sich allerdings (wie auch bei den Versionen Cayenne Basis und Cayenne S) für das sechsstufige Automatikgetriebe von Aisin, was trotz seiner vergleichsweise schnellen Reaktionszeiten nur bedingt zum quirligen Charakter des Cayenne GTS passen mag. Echte Sportfahrer greifen daher besser selbst zum Schaltknüppel und holen sich dank der enormen Seltenheit gleichzeitig einen Garant für Wertstabilität in die Garage.
Jene Eitelkeiten kennt ein Cayenne aus 2021 nicht mehr. „S-GO 8259“ ist dank serienmäßiger 8-Gang-Automatik ohne Handschaltgetriebe aufgewachsen, kann dir dafür aber das Wetter in Katzenelnbogen anzeigen. Hightech und Digitalisierung steht im Vordergrund und wer sich einmal durch den Konfigurator geklickt hat, kann davon ausgehen, dass beim fertigen Auto an jeder Stelle gefedert, gegengewankt, adaptiert und verstellt wird. Eine Nachtsichtkamera gibt es ebenfalls in der Aufpreisliste zu finden und überhaupt verfügt der aktuelle Cayenne optional über ziemlich viel (sehr teuren) Schnickschnack.
Als GTS wiederum hat er sich immerhin das zylinderstarke Herzstück bewahrt. Nach kurzer Abstinenz im Vorgänger 92A, kam 2020 mit großem Getöse der Achtzylinder zurück; doppelt aufgeladen, mit vier Liter Hubraum sowie 460 PS und 620 Nm stark. Vor 15 Jahren wiederum war es ein freisaugender 4,8-Liter-V8, der mit seinen 405 PS und einem beachtlichen Drehmoment von 500 Nm für standesgemäßes Vorwärtskommen sorgte.
Dass er mit der damaligen Werksangabe von 6,1 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h genauso schnell (oder langsam) auf Landstraßentempo eilt wie heute ein Basis-Cayenne, ist eine interessante Randnotiz, sonst aber kaum von Belang. Denn subjektiv hängt der bullige Achtzylinder auch für heutige Verhältnisse sehr gut am Gas und lässt dem aufgeblasenen V8 des Frischlings kaum Luft zum Atmen. Eine Gemeinsamkeit, die an dieser Stelle beide Generationen teilen: Leistung ist stets im ausreichenden, aber nie im überflüssigen Maße vorhanden. Schließlich galt und gilt es weiterhin den bewussten Respektsabstand zum großen Turbo zu wahren.
Mittlerweile auf einer gewundenen Bergstraße angekommen, zeigt zunächst der SUV-Urahn, was er querdynamisch auf dem Kasten hat. Im Dritten beschleunigen wir den Allradler voll auf die vor uns liegende Kehre. Kurz davor kräftig in die Eisen, hinunter in den etwas hakeligen Zweiten geschaltet und dann sauber einlenken. Am Scheitelpunkt geht es wieder voll aufs Gas und es passiert - nichts! Kein Schieben über die Vorderräder, kein Heck, das dich überholen will. Nur Grip, Grip und nochmals Grip! Wir erwarten, nein wir zwangen den Cayenne in diesen Momenten beinahe uns Grenzen aufzuzeigen, doch nicht einmal die Haftungsgrenze der Michelin Latitude Sport 3 schien ansatzweise erreicht.
Dass der im Rückspiegel aufblitzende fahrende Computer von heute jenes Kurvengeschlängel mit Leichtigkeit und viel Gleichmut meistert – eh klar! Währenddessen könntest du dich zudem per Massagefunktion (wählbar bei Komfortsitzen) durchkneten lassen oder dein Smartphone mittels entsprechender Integrationspunkte über das PCM-System steuern. Dinge, die einem alten Cayenne fremd sind. Er kennt nur CDs, navigiert per DVD und hat in der Mittelarmlehne noch ein schnurgebundenes Telefon verbaut. Mit diesem könnte man auch heute noch Gespräche führen, eine SIM-Karte im XXL-Format vorausgesetzt. Aber eigentlich ist dir das auch alles egal, denn es geht beim ersten Cayenne GTS ums Fahren, nicht um das Drumherum.
Untermalt werden die Fahreigenschaften derweil von der serienmäßigen Sportabgasanlage, die mit Druck auf die Sport-Taste noch etwas nachdrücklicher ihre tiefe Melodie in die Außenwelt posaunt. An dieser Stelle steht der neue GTS seinem Anverwandten allerdings in nichts nach. Auch hier klingt es ordentlich aus den vier Fanfahren, gepaart mit rotzig frechem Schubgeblubbere. Wer derlei noch mehr auf die Ohren haben will, greift zum Cayenne GTS Coupé samt optional mittig angeordneter Abgasanlage. Deren Hauptschalldämpfer wurden abermals abgeändert und sorgen wahrlich für beinahe vergessen geglaubte Klangfreuden.
Der erste Cayenne 9PA (2002 bis 2010) wurde just in den Classic-Olymp von Porsche gehoben und vor allem Modelle wie der GTS könnten in den kommenden Jahren ein deutlich gesteigertes Interesse erfahren. Besonders selten bleibt der Handschalter, der das massige SUV noch weiter in die Sportwagenecke schiebt. Sieger im Kapitel Fahrspaß ist dementsprechend auch die erste Generation des Cayenne GTS, wobei das aktuelle Modell schneller, präziser und vor allem komfortabler ist. Aber leider auch etwas distanzierter und weniger nah am Fahrer. Als schnelle Reisewagen qualifizieren sich indes beide, Spritverbräuche zwischen 14 bis 18 Liter muss man sich allerdings leisten können und wollen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)