25 Jahre Mittelmotor, 25 Jahre Oben-offen-Vergnügen, 25 Jahre Porsche Boxster. Aus dem anfangs belächelten Einsteigerporsche wurde ein ernstzunehmender Sportwagen, dessen Faszination sich auch manch 911-Enthusiast nicht entziehen konnte. Sagt man dem großen Bruder heute gerne nach, er sei zu behäbig und zu gewichtig geworden, blieben sich Boxster und Cayman (seit 2005) über die Jahre überwiegend treu.
Als beide Modelle im Jahr 2016 unter der Nummerierung 718 zusammengefasst wurden, musste die Fangemeinde indes Stärke beweisen. Die Sechszylinder-Saugboxer viel vorübergehend dem Rotstift zum Opfer, das gesamte Motorenangebot wurde dagegen auf Vierzylinder-Turbomotoren umgestellt. Ohne Zweifel ein Stilbruch, den Porsche bis in das Jahr 2019 beibehielt. Damals eroberte sich Zuffenhausen mit 718 Cayman GT4 und 718 Boxster Spyder so manches Sportfahrerherz zurück, um im Jahr 2020 auch die GTS-Varianten beider Sportler wieder mit 4,0-Liter-Saugmotor anzubieten (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,9-9,6; CO2-Emissionen kombiniert: 249-219 g/km²).
400 PS darf der Sechszylinder-Boxer im 718 GTS 4.0 leisten, um Kraftstoff einzusparen wird im Teillastbereich wechselseitig eine Zylinderbank deaktiviert. Dabei geht der neuentwickelte Antrieb mit dem eingespritzten Super Plus ohnehin recht zivilisiert um. Wer den präzise und knackig arbeitenden 6-Gang-Handschalter (optional 7-Gang-PDK) sinnig bedient, wird sich über Langstreckenverbräuche unter neun Liter auf 100 Kilometer freuen. In der Regel sind es aber 12-13 Liter, mit denen bei zügiger Fahrweise gerechnet werden muss.
Ob ein bis 7.800 Touren drehender Sportmotor, der überdies 293 km/h Spitze läuft, jedoch zum Spritsparen gebaut wurde, darf freilich bezweifelt werden. Per Fingerzeig am Mode-Knopf wird aus dem braven Feierabendcruiser ein fixer Begleiter auf der kurvenreichen Hausstrecke. Allen voran das serienmäßige PASM-Fahrwerk beweist im Sport Plus Modus bedingungslose Härte, was zu den hiesigen Straßenverhältnissen nicht immer passen mag.
Das Stoffhäubchen mit echtem Heckglaseinsatz wird innerhalb von 10 Sekunden (und bis 50 km/h) im Fahrzeugheck verstaut und gibt zugleich der Geräuschkulisse des Boxermotors mehr Raum. Gänzlich an alte Zeiten anknüpfen kann der 4,0-Liter-Motor akustisch aber nicht. Ottopartikelfilter hemmen den einst rotzigen Boxerklang, Schubblubbern ist nur vereinzelt zu vernehmen. Besser als der Vierzylinder klingt er dennoch.
Was nicht heißt, dass am verflossenen GTS 2.5 alles falsch und alles schlecht war. Zwar hängt der Sechszylinder sehr direkt am Gas, das maximale Drehmoment von 420 Newtonmeter steht aber erst ab 5.000 Umdrehungen pro Minute parat. Bereits ab 1.900 Touren stand das gleiche Drehmoment beim Vierzylinder zur Verfügung und ermöglichte noch spontanere Fahrmanöver, die nicht immer mit Schalteinlagen verbunden waren.
Dynamische Getriebelager, eine serienmäßige Hinterachs-Querrsperre sowie Porsches Torque Vectoring System (PTV) erhöhen derweil die Fahrzeugperformance, insbesondere bei Kurvenfahrten. Obgleich am Testwagen nur Winterreifen aufgezogen waren, überzeugten das hohe Grip-Niveau, die bestens gewichtete elektromechanische Lenkung sowie das damit einhergehend sehr neutrale Einlenkverhalten.
Mit deaktivierten Fahrhilfen ist dagegen Fingerspitzengefühl gefragt. Auch ein 718 Boxster verfügt über teils giftige Mittelmotor-Eigenheiten, die man kennen muss.
Wenngleich der Porsche 718 Boxster GTS 4.0 im Fahrkapitel ohne Wenn und Aber glänzen kann, im Innenraum zeigt sich die alternde Fahrzeugbasis und nicht alle möglichen Ausstattungsoptionen sind auch sinnvoll. Wer den Boxster gerne als Wochenend- oder Spaßauto nutzen möchte, sollte Abstand von den teuren Vollschalensitzen (5.355 Euro) nehmen.
Sie verhindern nicht nur einen passablen Ein- und Ausstieg, mangels alltagstauglicher Verstellmöglichkeiten passen sie zudem nicht zu jeder Statur. Empfehlenswerter für den Roadster ist dagegen das wesentlich bequemere adaptive Sportgestühl für 2.814 Euro, für das es auch die Option auf eine Sitzheizung gibt.
Das altbackene PCM-System im Boxster verrichtet seinen Dienst zwar tapfer, ist optional aber nur Apple CarPlay-fähig, die Integration von Android Auto fehlt genauso wie eine induktive Lademöglichkeit für Smartphones. Frech ist die Tatsache, dass für die alternde Navigation samt Connect-Diensten weiterhin 2.261 Euro verlangt werden.
Sind dies Dinge, die den puristischen Sportwagenfan eher nicht abschrecken, hinterlassen beidseitig angelaufene Heckleuchten nach einem Waschanlagenbesuch einen eher faden Beigeschmack. Bei einem Qualitätsprodukt ab 84.813 Euro sollte dies eher nicht passieren.
Der Porsche 718 Boxster GTS 4.0 ist mehr als eine Empfehlung für die Frischluftsaison 2021. Er geht schon fast als Geheimtipp für die zukünftige Sammlergarage durch. Klar, GT4 und Spyder stehen ebenso auf der Wunschliste, der GTS 4.0 ist aber das zivilisierte und natürlich günstigere Objekt der Begierde. Viele freiatemende Saugmotoren wird es nicht mehr geben, die in Tateinheit mit Hinterradantrieb, dem feudalen 6-Gang-Schaltgetriebe und natürlich mit einem zu öffnenden Stoffhäubchen für altgedienten Fahrspaß sorgen. Am Infotainment nagt jedoch der Zahn der Zeit und hier fällt der Porsche auch klar hinter die Konkurrenz zurück. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)