Der Porsche 911 (992) GT3 RS im Überblick
- Bisher radikalster Porsche 911 Gen. 992
- Aktive DRS-Aerodynamik-Komponenten
- 4,0-Liter-GT-Motor mit 525 PS
- 0-100 km/h in 3,2 s, Vmax 325 km/h
- Basispreis ab 248.157 Euro
Um einen neuen Porsche 911 GT3 RS der Generation 992 (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 305 g/km)² sein Eigen nennen zu können, benötigt es gleich zwei Grundvoraussetzungen. Die eine ist sicherlich Geld. Mindestens 248.157 Euro plus Kleingeld für Sonderausstattung. Die andere: Beziehungen. Denn ohne diese läuft auch beim gehobenen Autokauf nichts. So bekommen die verschiedenen Porsche-Händler exakte Quoten vorgegeben, wie viele GT3 RS (oder andere Sondermodelle der Stuttgarter) sie erhalten. Wem der besagte Händler dann ein Auto zuteilt – das ist mitunter seine persönliche (Will)Kür.
Zwar ist der 525 PS starke GT3 RS offiziell nicht limitiert, aber irgendwann wird Porsche das intern weit im Voraus geplante Produktionsende verkünden. Wer dann noch keinen hat… aber dazu später mehr. Wir hatten im Fall dieses Textes gleich zweimal Glück. Denn weder brauchten wir eine Viertel Million Euro noch gute Beziehungen zum örtlichen Porsche Zentrum. Im Rahmen des jährlich stattfindenden Perfektionstrainings der Kollegen von Sport Auto drückte uns der Sportwagenbauer den Schlüssel gänzlich freiwillig in die Hand. Warum? Um die Zweifler rund um den automobilen Heiland aus der Dunkelheit zu führen.
Nach Regen in Silverstone folgt Sonne auf der Nordschleife
Denn auch wir wussten nach dem verregneten Debüt in Silverstone kaum ein eindeutiges Urteil zu fällen. Spielzeug oder Hardcore-Tracktool? Rasiermesserscharf, aber ob der ganzen Perfektion beinahe schon emotionslos? Bei Nässe lässt sich das Potenzial eines solchen Autos schlicht nicht erfahren. Ein paar trockene Runden auf der Nürburgring Nordschleife sollen daher helfen, den GT3 RS besser zu verstehen. Seine Essenz und die enorme Technik, die ihn auf ein Reglement-Level mit dem GT-Langstreckenwagen Porsche 911 RSR hebt. Aber gemach. Bevor es in die Grüne Hölle geht liegen zwei Stunden Autobahnfahrt ab Frankfurt Flughafen vor uns. Man hat Zeit sich an den Rennwagen mit Straßenzulassung zu gewöhnen. Sich mit den neuen Drehreglern am Lenkrad und ihren Funktionen vertraut zu machen. Zu probieren, was alles geht.
Und da kommt schon die erste Überraschung. Das radikalste Sportgerät, das die Schwaben derzeit im Programm haben, kennt so etwas wie Abrollkomfort. Klar: Aus dem 992 GT3 RS wird kein Panamera werden, aber die von -4 bis +4 regelbaren Druck- und Zugstufen der adaptierbaren Dämpfer lassen deutliche Veränderungen spüren. Alles auf -4 bedeutet hierbei, dass der Wagen am nachgiebigsten auf der Straße liegt. Bei +4 sollte es schon eine topfebene Grand-Prix-Strecke sein, um auf eine zeitnahe Vorstellung beim örtlichen Chiropraktiker verzichten zu können. Beeindruckend ist an dieser Stelle vor allem der große Unterschied zum Vorgänger GT3 RS der Generation 991.2, aber auch zum normalen GT3 (992) (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,0-12,9 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 294-293 g/km)². Beide Sportler schaffen nicht ansatzweise die gleiche Spreizung zwischen rundstreckentauglicher Härte und alltagsnaher Weichheit.
Ob ihr wirklich richtig schaltet, seht ihr, wenn das Licht angeht
Auch das Klangbild des 525 PS starken 4,0 Liter Sechszylinder Saugmotors hat sich zum Generationswechsel gewandelt. Ohrschützer braucht es wohl nach oben ausgedreht jetzt keine mehr. Liegt nicht an Porsche, sondern an den Gesetzgebern in Brüssel. Dennoch hat man zwischen Flacht und Zuffenhausen alle legalen Kniffe ausgenutzt, um das typische Sägen und Kreischen des Boxers so eindrucksvoll wie nur möglich zu erhalten. Das erzeugt dann schon noch Gänsehaut, wenn du vom Flugplatz in Richtung Schwedenkreuz das erste Mal bewusst die vollen 9.000 Touren anpeilst und am besten kurz davor auch den richtigen Punkt zum Hochschalten triffst. Dabei gelten die leicht abgewandelten Worte einer bekannten Kindershow: „Ob ihr wirklich richtig schaltet, seht ihr, wenn das Licht angeht“. Im Fall des GT3 RS ist hierbei der Schaltblitz gemeint, der deutlich anzeigt, wann es Zeit ist in die nächsthöhere Fahrstufe zu wechseln.
Damit befinden wir uns auch schon mitten im Perfektionstraining auf der Nürburgring Nordschleife. Angeführt vom Eifler Original Timo Kluck, seines Zeichens Reifengott, Testfahrer und Instruktor bei Porsche, zieht das Tempo nach ein paar Einführungsrunden spürbar an. Noch kann der Gruppenleiter im 992 GTS die Novizen auf Abstand halten. Doch mit jeder gefahrenen Runde wächst das Vertrauen in den GT3 RS und dessen ausgeklügeltes Aerodynamik-Konzept. Spätestens ab der Mittagszeit ist das persönliche Zutrauen bei der Medien-Gruppe so groß, dass ein anderes Führungsfahrzeug her muss. Aus dem pythongrünen 992 wird ohne groß Aufhebens einfach so das (und wir meinen das echte) Nürburgring-Rekordauto Porsche 911 (991.2) GT2 RS MR von Lars Kern.
Plötzlich steht der Endgegner vor der Tür
Ab hier beginnt die Sache interessant zu werden. Die Gruppe wird aufgeteilt. Wir wechseln in eine Art Einzelcoaching. Direkt nach der Startaufstellung ab Tiergarten wird klar: Das Geplänkel ist vorbei, Timo im schwarzen Manthey Racer hängt die Messlatte deutlich höher. Bereits auf den ersten Metern zieht der 700 PS starke Endgegner vor uns derart erbarmungslos von dannen, dass man kaum glaubt, in irgendeiner Weise aufholen zu können. Es fehlen zum Rekordboliden halt ganz einfach zwei Turbolader, 175 PS und 285 Nm Drehmoment. Doch irgendwann muss so ein GT2 RS auch mal bremsen – und der kann das eigentlich ziemlich gut. Aber die Keramikstopper allein können nichts gegen die zusätzliche Airbrake des GT3 RS ausrichten. Du stehst vor der Schikane einfach deutlich länger auf dem Gas, bremst anschließend vehementer und wesentlich schneller herunter. Das Resultat: Wir können plötzlich wieder die TÜV-Plakette des Vordermanns lesen.
Doch das Staunen geht weiter. Man muss es zwar verinnerlichen, aber erst wer volles Lottchen in die Biegung geht, wesentlich höhere Kurvengeschwindigkeiten anpeilt als normalerweise gut für Mensch und Maschine, wird die ganzen Vorteile des DRS-Systems erfahren. Nur so hat man am Ende auf dem Rundkurs eine Chance gegen all jene, die deutlich mehr Leistung zur Verfügung haben. An dieser Stelle wollen wir noch erwähnen, dass wir mit Sportreifen im Format 335/30/21 an der Hinter- und 275/35/20 an der Vorderachse unterwegs waren. Wie viel Grip der 992 GT3 RS damit und der Aero-Technik wirklich aufbaut, erkennt man dabei eigentlich erst, wenn man die Heckbewegungen des vor sich fahrenden 991.2 GT2 RS MR beobachtet. Im Vergleich zu diesem sichtlichen Höllenritt gleicht die halbwegs ambitionierte Runde im 992 GT3 RS einer sonntäglichen Spazierfahrt.
Alles auf 0
Fehlt es dem neuesten Porsche Straßenrennwagen also doch an Emotionen, wenn dieser nicht andauernd versucht dich umzubringen? Wenn er stur jeder Lenkbewegung folgt, sei die Geschwindigkeit auch noch so hoch. Wir müssen an dieser Stelle unser erstes Fazit aus Silverstone ein wenig revidieren. Mehr Freude, mehr Nervenkitzel und mehr Erfolgserlebnisse auf dem Rundkurs hatten wir selten. Außerdem ermöglichen dir die zusätzlichen Einstellungsoptionen des GT3 RS in der Tat, mehr aus deinen Rundenzeiten zu machen. Wenngleich das durch Porsche Chef-Testfahrer Jörg Bergmeister eingefahrene Grundsetup „alles auf 0“ für die Nordschleife entwickelt wurde, kann es sich lohnen, die ein oder andere Feinkorrektur am Drehregler vorzunehmen. Denn jeder fährt schließlich anders schnell.
Epilog
Mit einem richtig schnellen Auto zu einer richtig schnellen Rennstrecke zu fahren, dort seine Runden zu drehen und anschließend wieder nach Hause zu fahren. All das war wohl nie einfacher, aber gleichzeitig auch spaßiger als mit dem neuen Porsche 911 (992) GT3 RS. Dass wir bislang noch nichts zur rasiermesserscharfen und ultradirekten Lenkung geschrieben haben, hat derweil einen Grund. Wenngleich der gewollt instabile Grundzustand des GT3 RS auf Strecken wie der Nürburgring Nordschleife ein bis dato ungekanntes Maß an kurvenfreudiger Präzision erreicht, auf der Autobahn ist Vorsicht geboten.
Schon kleinste Bewegungen am Volant können, vor allem wenn sie bei höheren Geschwindigkeiten aus Unachtsamkeit geschehen, in Kombination mit welligen Fahrbahnbelägen zum plötzlichen Aufschaukeln des GT3 RS führen. Hieraus können schnell gefährliche Situationen entstehen. Trotz aller Regelsysteme bewegt man sich mit dem bisher radikalsten 992 sehr nah entlang eines schmalen Grat zwischen verdammt schnell und verdammt schnell abgeflogen. Respekt und Demut gegenüber dem Wagen, aber auch die ehrliche Einschätzung des eigenen Fahrkönnens bleiben für ein schnelles und sicheres Vorankommen im GT3 RS unerlässlich. Für alle anderen gilt: Gran Turismo ist der bessere Toll- und Übungsplatz.
Fazit
Wer dann noch keinen hat… wartet einfach auf den neuen Porsche 911 (992) GT2 RS. Eingangs hatten wir die Quotenregelung erwähnt, die wohl viele potenzielle Kunden leer ausgehen lässt. Besser also heute schon ans Morgen denken und sich über den wahrscheinlich ersten elektrifizierten 911 der Porsche-Geschichte informieren. Es ist anzunehmen, dass das herausragende Aerodynamik-Konzept des hier gefahrenen GT3 RS in Kombination mit Turboaufladung und/oder Elektro-Boost für ein noch extremeres Fahrerlebnis sorgen wird. Denn das Einzige, was dem aktuellen GT3 RS nach unserer Testfahrt auf der Nordschleife zu fehlen scheint, ist eine ordentliche Portion Leistung auf der Geraden. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Porsche/Rossen Gargolov)
Technische Daten*
- Modell: Porsche 911 (992) GT3 RS
- Motor: Sechszylinder-Boxer-Sauger, 3.996 ccm
- Leistung: 525 PS (386 kW) bei 8.500 U/min
- Drehmoment: 465 Nm bei 6.300 U/min
- Antrieb: Hinterradantrieb, 7-Gang-PDK
- Verbrauch kombiniert: 13,4 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 305 g/km²
- Beschleunigung (0–100 km/h): 3,2 s
- Höchstgeschwindigkeit: 296 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,57 m/1,90 m/1,32 m
- Gewicht: ca. 1.450 kg
- Grundpreis: ab 230.112 Euro
*Herstellerangaben