Dieser leistet seit dem Generationswechsel zum 992 nunmehr 385 PS und das – zum Glück – weiterhin aus einem 3,0 Liter großen Sechszylinder-Boxer mit Biturbo-Aufladung. Die an die Hinterräder geleiteten maximal 450 Newtonmeter Drehmoment liegen dabei erfreulich früh ab gut 1.950 Touren an und selbst der normale Carrera schafft die 100 km/h aus dem Stand in 4,2 Sekunden. Mit dem optionalen Sport Chrono Paket gelingt der Standardsprint derweil nochmals um 0,2 Sekunden schneller. Wichtig? Vielleicht für den Stammtisch. Auf der echten Straße punkten dagegen echte Erfahrungswerte. Oder vielmehr kommt es auf die Harmonie zwischen den einzelnen Fahrkomponenten an.
Zu gut um wahr zu sein
Und genau hier, bei der Kerndisziplin eines Porsche, hat man sich in Zuffenhausen selbst ein Ei gelegt. Denn der Basis-Carrera ist einfach viel zu gut geworden und macht den in Österreich 18.000 Euro teureren Carrera S beinahe überflüssig! Das Zusammenspiel aus dem feinsinnigen PASM-Adaptivfahrwerk, der herrlich gewichteten und rückmeldungsfreudigen elektrischen Lenkung sowie dem rauchigen Sechszylinder-Boxer ist so perfekt gelungen, dass wir während unseres Tests nie an den stärkeren Bruder denken mussten. 385 PS auf mehr als 1,6 Tonnen Lebendgewicht mögen im Jahr 2019 niemanden mehr hinterm Garagentor hervorlocken, doch ist etwas dran, dass Porsche PS irgendwie mehr zählen. Doppelt, wie so oft von Fans gepoltert, mit Sicherheit nicht, aber sie fühlen sich stets ausreichend und nie zu wenig an.
Tolles PDK, teure Bremse
Es mag auch am 8-Gang-PDK liegen, dass man die vorhandene Leistung immer stets im perfekten Rahmen auf die Straße bekommt. Diesen Doppelkuppler darf man mit Fug und Recht als Benchmark bei den Sportgetrieben anführen. Und da wir eingangs etwas von Verzicht auf hohem Niveau geschrieben haben, müssen wir sie einfach empfehlen: Die normale Stahlbremse für den Elfer. Die am Testfahrzeug verbaute und 11.000 Euro teure Porsche Ceramic Composite Brake (PCCB) ist nichts, was man im Alltag benötigen würde. Und jene, die mit ihrem Basis-Carrera auf die Rennstrecke wollen, kann man wohl an einer Hand abzählen. Wobei selbst auf dem Rundkurs die Stahlbremse unter Umständen keine schlechtere, aber dafür weitaus günstigere Wahl darstellt.
Es fehlt an digitaler Übersicht
Womit wir direkt beim Preisgefüge des Porsche 911 Carrera (992) angelangt wären. Günstig waren Autos aus Zuffenhausen noch nie, aber bisher gab es die Basis in Österreich wenigstens für knapp über 100.000 Euro. Und als Handschalter. Zu beidem hat man sich im Südwesten Deutschlands noch nicht durchringen können und so sind 127.656 Euro derzeit die untere Fahnenstange. Natürlich gibt es für jenes Geld auch mehr Sportwagen als beim direkten Vorgänger. Allen voran das Porsche Communication Management (PCM) macht optisch hochaufgelöst einiges her, ist in der Bedienung allerdings weiterhin nicht der Weisheit letzter Schluss. Was auch auf die neue und überwiegend digitale Instrumentenkombi zutrifft. Sie kann nur als Notlösung gesehen werden, wenn man die jeweils äußeren Displays dank dem Lenkradkranz während der Fahrt nicht ablesen kann. Und wozu die Einblendung der Navigationskarte, wenn hier ebenfalls das Volant den Fahrweg verdeckt?
Weniger als 10 Liter sind möglich
Aber ein echter Porschefahrer hat freilich nur den zentralen Drehzahlmesser mit der analogen Nadel im Blick, der etwas unterhalb um eine digitale Geschwindigkeitsanzeige ergänzt wird. Jedem, der den Elfer auf langer Strecke nutzt, können wir an dieser Stelle drei elementare Dinge empfehlen: Die 18-Wege Adaptiv Sportsitze, den 90 Liter Kraftstofftank und ein klassisches Lederlenkrad. Letzteres hatten wir im Vorführer einmal mehr in Alcantara und sind dieser Kunstfaser mittlerweile überdrüssig geworden. Ohne Herrenhandschuh fühlt es sich nach einiger Zeit unschön an und zudem hätte man bei Porsche dafür gerne über 869 Euro. Dagegen klingen 234 Euro für den größeren Tank beinahe nach einem echten Schnäppchen. Wer sich auf langen Strecken (und mit dem großen Behältnis) am Gaspedal zurückhält, der peilt Reichweiten knapp unter 1.000 Kilometer an. Wir bewegten den Porsche 911 Carrera derweil im nicht langsamen Schnitt mit neun bis 12 Liter Super Benzin.
Sonst noch was?
Gibt es sonst noch etwas zu berichten? Ja, wir vermissen den zweiten Cupholder über dem Handschuhfach, können unseren rechten Arm dank dem Wählstummel nicht mehr lässig auf dem PDK Hebel abstützten und mussten zwischen 80 und 120 km/h ein nerviges Säuseln vernehmen. Woher es in regelmäßigen Abständen kam, konnten wir hingegen bis zum Schluss nicht feststellen. Das Verstellen der Klimaanlage in jede mögliche und unmögliche Lüftungsstellung brachte keine Abhilfe, sodass wir sie als Verursacher hintenanstellen würden.
Fazit
Der neue Porsche 911 Carrera (992) ist ein herrlich abgestimmter Sportwagen für die Langstrecke geworden, der mit einer großen Spreizung zwischen Dynamik und Komfort überzeugen kann. Seine 385 PS sind in jeder alltäglichen Lebenslage mehr als ausreichend und beim Kraftstoffkonsum hält er sich erfreulich zurück. Günstig ist das Elfer Fahrvergnügen allerdings auch weiterhin nicht und die sehr kleinteilige Aufpreisliste kann selbst den Basis-Carrera schnell in Sphären jenseits der 170.000 Euro treiben. An der digitalen Revolution im Inneren scheiden sich derweil die Geister. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Porsche 911 Carrera (992)
- Motor: Sechszylinder-Boxer, Biturbo, 2.981 ccm
- Leistung: 385 PS (283 kW) bei 6.500 U/min
- Drehmoment: 450 Nm zwischen 1.950 und 5.000 U/min
- Antrieb: Hinterradantrieb, 7-Gang-PDK
- Verbrauch: 9,0l SP/100 Km
- Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,2 - 4,0 s
- Höchstgeschwindigkeit: 293 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,52 m/ 1,85 m/ 1,30 m
- Gewicht DIN: 1.505 Kg
- Grundpreis in Österreich: 127.656 Euro
*Herstellerangaben