Die leichten Jobs hat der Opel Corsa schon immer gerne anderen überlassen, erwies er sich doch in aller Regel als hart im Nehmen. Nach dem Start der ersten Generation (Opel Corsa A ab 1982) als Dreitürer samt kecken Hüftknick am Gesäß hat er viel mitgemacht. Er trug mit dem Zusatznamen „TR“ ein kastenförmiges Stufenheck spazieren. Er ließ sich mit Steffi Graf, die auf der Motorhaube posierte, vor die Kamera des Werbefotografen zerren. Als rundliche zweite Generation (Opel Corsa B ab 1993) ertrug er Kupplungsfolter und die geringschätzende Einparkakrobatik vieler meist jüngerer Fahrerinnen und Fahrer. Und er ließ sich auf Kooperationen ein.
Bevor wir aber damit endlich den Bogen zum neuen Opel Corsa spannen, erlaubt uns noch kurz einen Ausflug in das Jahr 2006 (Opel Corsa D). Denn auch damals war der Kleinwagen ein Gemeinschaftsprodukt, und zwar eines von der ehemaligen Opel-Mutter General Motors und Fiat. Auf gleicher Basis entstand auch der Fiat Punto (der je nach Baujahr auch mal Grande Punto oder Punto Evo hieß).
2019 war es dann so weit. Nach 14 Millionen gebauten Autos fuhr die sechste Generation des Opel Corsa zu den Händlern und Kunden. Wieder mit einem Unterbau, der geteilt wird. Doch anders als sein Vorgänger, entstand der neue Corsa F erstmals komplett unter der Führung von PSA. Dem nunmehr neuen Eigner von Opel. Nerdwissen zwischendurch: Crossland X und Grandland X nutzen auch französische Konzerntechnik, wurden aber schon vor der Übernahme von Opel durch PSA als Kooperationsprodukte entwickelt.
Technische Basis von Peugeot 208 und DS3 Crossback
Die CMP-Plattform, die unter anderem auch Peugeot 208 und DS3 Crossback trägt, ist nicht nur für Benzin- und Diesel-Antriebe, sondern auch für Elektroantriebe ausgelegt. Vorteil für Opel – relativ schnell ließ sich damit der elektrische Opel Corsa-e realisieren, der seit diesem Frühjahr verfügbar ist. Und damit einige Monate vor dem großen Aufschlag des Volkswagen ID.3, der den Corsa aber in Größe, Batteriekapazität und wohl auch im Preis überflügeln wird.
Die technischen Eckdaten des Opel Corsa-e (Stromverbrauch kombiniert: 16,8 kWh/100 km; CO2 Emissionen kombiniert: 0g/km2) sind von französischer Seite vorgegeben. 50 kWh (brutto) beträgt die Speicherkapazität der Lithium-Ionen-Batterie. Laut Norm soll damit eine Reichweite von bis zu 337 Kilometern möglich sein. Ein Märchen aus dem bunten Prospekt? Nicht unbedingt.
Nach den ausführlichen Testfahrten zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 16 kWh pro 100 Kilometer an. Nachladen war aus Zeitgründen leider nicht möglich, der Test des mit gleicher Technik ausgestatteten DS3 Crossback E-Tense (hier nachzulesen) zeigte aber, dass die Reichweitenangaben durchaus realistisch sein können.
Maximal 100 kW/136 PS
Die in der Batterie vorgehaltenen Elektronen verarbeitet derweil ein Elektromotor zu maximal 100 kW (das waren mal 136 PS) Leistung. Sie stehen, ebenso wie 260 Newtonmeter Drehmoment, im Sport-Modus zur Verfügung. Dann surrt der Opel Corsa-e auch ziemlich flott voran. Im Alltag ausreichend ist die Normalstellung des Fahrmodus-Schalters, der wie fast alle Bedienelemente aus dem PSA-Baukasten stammt.
Damit stehen bis zu 80 kW (109 PS) und 220 Newtonmeter zur Verfügung, womit schnelles Einfädeln aus der Seitenstraße ebenso gut funktioniert wie sachtes Dahincruisen auf der Landstraße. Der oben genannte Verbrauch wurde in diesem Fahrmodus eingefahren. Sparsamer könnte es in der Eco-Stellung vorangehen, dann wirkt der Corsa mit 60 kW (82 PS, 180 Newtonmeter) aber merklich zugeschnürter.
Satte Rekuperation, solide Verarbeitung
Viel wirksamer ist der beharrliche Einsatz der Energierekuperation. Über einen Zug am Wählhebel in der Mittelkonsole wird der B-Modus aktiviert. Dann nutzt der Antrieb den Elektromotor für eine Verzögerung von 1,3 m/s2. Wie bitte? Einfacher erklärt: Die Rekuperation wirkt gut doppelt so stark wie die Motorbremse eines Benziners, die Bremslichter bleiben aber aus. Anhalten bis zum Stillstand gelingt so auch nicht. Ein oft bei Elektroautos erwähntes „One-Pedal-Feeling“, bei dem das Bremspedal kaum mehr genutzt werden muss, gibt es damit aber nicht. Einstellbare Energie-Rückgewinnungsstufen, idealerweise mit Schaltpaddels am Lenkrad, fehlen ebenfalls.
Unterwegs gefällt die gute Verarbeitung von Karosserie und Möblierung. Selbst auf schlechten Straßen knistert und klappert nichts, außerdem lässt das bauartbedingt ziemlich ruhige Elektroauto auch kaum Abrollgeräusche an die Ohren der Passagiere gelangen. Trotz der optionalen 17-Zoll-Leichtmetallfelgen und dem hohen Gewicht – das Batteriepack allein wiegt 345 Kilogramm – ist der Opel Corsa-e nicht zu straff abgestimmt. Der niedrige Schwerpunkt macht beim Kurvenfahren Freude, die gefühllose Lenkung weniger.
Eine halbe Stunde an der Schnellladesäule
Am Schnelllader zieht der Elektro-Corsa mit bis zu 100 kW Ladeleistung Gleichstrom, der über den CCS-Anschluss ins Auto fließt. In knapp einer halben Stunde ist der Akku dann zu 80 Prozent geladen. Bei Wechselstrom ist mehr Geduld gefragt. Vor allem dann, wenn nicht extra in den dreiphasigen OnBoard-Lader investiert wurden. Einphasig kann der Kleinwagen dann mit maximal 7,4 kW an der städtischen oder heimischen Ladesäule laden. Beim Längsparken in der Stadt ist dabei das links in der C-Säule eingesteckte Kabel suboptimal. Zum An- und Abstecken muss man an der dem fließenden Verkehr zugewandten Seite des Autos hantieren.
Besser gefällt die Inneneinrichtung im Corsa. Das Armaturenbrett wendet alle Bedienelemente in Richtung Fahrer, wirkt aufgeräumt und modern. Gegen Aufpreis steht ein zehn Zoll großer Touchscreen zur Bedienung von Infotainment und Navigation zur Verfügung, serienmäßig müssen sieben Zoll Bildschirmdiagonale genügen. Die Menüstruktur ist, ähnlich wie das digitale Kombiinstrument hinter dem Dreispeichenlenkrad, von den Schwestermarken Citroen, DS und Peugeot bekannt.
Hinter den bequemen Sitzen für Fahrer und Beifahrer wird es im Opel Corsa F, unabhängig vom Antrieb unter der Haube, recht eng. Der Kofferraum schrumpft im Corsa-e auf 267 Liter. Außerdem gibt es kein Extrafach für die Ladekabel. Vor allem bei Schmuddelwetter liegen sie dem Gepäck nicht nur im Weg herum, sondern verschmutzen es im schlimmsten Fall auch noch.
Fazit
Wieder muss der Corsa einen Job erledigen. Dieses Mal den, der erste in größeren Mengen verfügbare Elektro-Opel (ja, Ampera-e, du zählst nicht!) zu sein. Der noch dazu mit verhältnismäßig günstigen Preisen eine gewisse Volksnähe beweist. Das Basismodell startet in Österreich bei 29.999 Euro, der umfangreich ausgestattete Testwagen liegt in Deutschland bei knapp über 38.000 Euro. Das „Power Orange“ des Testwagens, das nicht ohne Grund an Hochspannungskabel erinnert, ist übrigens gratis zu haben. Auch da spielt der Corsa mit, ohne die Fassung zu verlieren. (Text: Bernd Conrad | Bilder: Hersteller)
Technische Daten*
- Modell: Opel Corsa-e
- Motor: Elektromotor
- Leistung: maximal 100 kW (136 PS)
- Drehmoment: maximal 260 Nm
- Antrieb: Frontantrieb, Reduktionsgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 16,8 kWh/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 8,1 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,06 m/1,77 m/1,43 m
- Gewicht: ca. 1.530 kg
- Grundpreis Corsa-e AT: 29.999 Euro
*Herstellerangaben