Aktuelle Ausbaustufe ist der R2, der gegenüber dem Basis-Cupfahrzeug wesentlich verschärft wurde. Wir haben bei einer kurzen Ausfahrt den Thüringer Wald erschüttert - akustisch. Sportwagen sind das eine, Rennautos etwas völlig anderes. Auch wenn die Leistung des neuesten Rallyezwerges von Opel bescheiden klingt, macht er von Beginn an deutlich: Rallye ist auch auch mit 190 PS eine ernste Sache. So ist der Zustieg durch den Seitenaufprallschutz des Käfigs verbaut, die Sitze gegenüber dem Cup-Adam wesentlich enger geschnitten, die Seitenwangen deutlicher ausgeformt - das Entern des unaufgeräumten Cockpits gestaltet sich für den Normalo unwürdig.
Details
Doch ich brauche mich um die Einzelheiten nicht zu kümmern, habe ich doch Horst Rotter als Copilot neben mir sitzen, der mir die für mich wichtigen Details erklärt.
Schalthebel: “Kannst kuppeln, musst aber nicht. Beim Herunterschalten hilft kuppeln aber.” Handbremse: “Musst Du nicht benutzen...” Ganganzeige: “Nicht so wichtig. Achte lieber auf die Gangwechselanzeige.” Reifen und Straße: “Obacht: Es ist feucht und da haben die Intermediates eigentlich keinen Grenzbereich.” ABS: “Nee!”
Crazy
Der Sound des kleinen Vierzylinders ist markerschütternd, zwischen Krümmer und Endrohr scheint der Schalldämpfer zu fehlen. Die 190 PS Leistung des Saugmotors liegen erst bei 7.750 Umdrehungen an, das maximale Drehmoment (190 Newtonmeter) bei 6.200, das verspricht noch mehr Lärm auf der anstehenden Wertungssektion. Ich versuche die 1.030 Kilogramm leichte Knallbüchse ohne Abwürger in die Startposition zu bugsieren, das geht nur mit hohem Standgas, denn einen Kupplungsweg gibt es für das sequenzielle Fünfgang-Getriebe eigentlich nicht. Auch innen ist es unverschämt laut.
Mein Helm hat kein Intercom, also muss Horst entweder noch lauter schreien als das Auto, oder mir per Handzeichen Anweisungen geben, denn die kurvige Landstraße die vor uns durch den Wald führt, kenne ich überhaupt nicht - wir werden unterwegs rausfinden, was besser funktioniert: Schreien oder Fuchteln. Es soll blinde Kurven geben die mit Vollgas gehen und Horst steckt gelassen seinen Schrieb weg, darauf stehen Sachen wie “L4 schmiert” und “L3+ ! no cut” aber ich denke, dass er sich auch ohne Kladde daran erinnern kann. Ich finde das irgendwie bescheuert aber geil und werde zu Hause diese Details lieber nicht erzählen,
Roh
Schon auf den ersten Metern spürt man wie roh und ruppig ein Rennauto ist. Die elektrohydraulische Lenkung ist eines der wenigen Serienteile, ansonsten hat der R2 mit einem Opel Adam nur noch die Karosserie gemein. Federbeine, Querlenkeraufnahme, Hilfsrahmen, Stabis, alles verstärkt und modifiziert, härter, direkter, performanter. Bremskraftverstärker? Fehlanzeige, diese Auto muss mit Kraft bewegt werden: Schalten, Kuppeln, Bremsen, Lenken - alles ungefiltert.
Versemmelt
Der erste Start missrät mir völlig. Der Motor hängt derart bissig am Gas, dass mir, mit durchdrehenden Rädern, die blau blitzende Gangwechselanzeige das Drehzahlende ankündigt und ich den zweiten Gang reinhaue, für den ich noch gar nicht die passende Geschwindigkeit habe und viel zu untertourig, naja, losfahre. Doch schon in den ersten Kurven fasse ich Vertrauen zum kleinen Brüller und kann mich gut auf die Strecke und das Schreien von Horst konzentrieren.
Vertrauen
Der zweite Start gelingt schon wesentlich besser wenn man beherzigt, dass der giftige Motor von einem feinfühligen Gasfuß gestreichelt werden will. Ich vertraue auch mehr und mehr auf die Gangwechselanzeige, drehe die Gänge höher aus. Dank Vorderachs-Sperrdifferenzial zerrt sich der Rallye-Adam auch in Haarnadelkurven in den Radius hinein, beim Bremsen bekomme ich schnell ein Gefühl für die Haftgrenze und kann nun zügig die Bremspunkte in Richtung Einlenkpunkt verlegen. Durch den Verzicht auf ABS funktioniert Trailbraking ganz vorzüglich: Beim Hineinbremsen in die Kurve drängt das Heck nach außen, während die Vorderräder mehr Grip erhalten und enger einlenken können, schneller als wieselflink geht es um die Kurven, ein Heidenspaß, ich glaube ich könnte bald ein paar saubere Drifts auch ohne Handbremseingriffe von Horst hinkriegen wofür uns leider die Zeit fehlt. Wenn 190 PS auf eine Tonne Fahrzeuggewicht treffen und diese Kombination mit einem sequenziellen Getriebe, Achssperre und großzügig verstellbarem Fahrwerk garniert wird, kommt eine zünftige Rennsemmel heraus. Der Fahrspass ist weit jenseits dessen, was in einem Serienauto erlebbar ist, weshalb der Einsatz des Opel Adam R2 vernünftigerweise auf Rallyes beschränkt bleibt - was der Petrolhead natürlich schade findet, denn die Verbindlichkeit des Adam R2 ist vorbildlich, sein Fahrer weiß jederzeit wo der schmale Grenzbereich liegt und kann ihn nach gusto austesten.
Der Spaß kostet neben ernsthaftem Engagement auch Geld. Für den Adam Cup mit 140 PS sind schmale 25.000 Euro fällig, der deutlich potentere R2 kostet den Rallye-Aspiranten schon 70.000. Dazu kommen nochmals einige zehntausend Euro in einer laufenden Saison für Motorrevisionen, Reifen, Ersatzteile, Mechaniker und so weiter. Für Racer mit dem Messer zwischen den Zähnen ist Opels Rallye-Kracher jedoch ein vergleichsweise günstiger Einstieg in den Motorsport.
An eine Straßenversion des Rennsport-Adam denkt man derzeit nicht bei Opel, sind sie doch noch damit beschäftigt, sich selbst von der Umsetzung des vom VLN-Auto abgeleiteten Astra OPC Extreme in einer Kleinserie zu überzeugen.