Seit kurzem kann beim Nissan-Händler auch der Oma-taugliche Leaf bestellt werden, der ab April 2012 an die Kunden in Deutschland ausgeliefert wird. Er ist das erste Elektroauto in der Kompakt-Klasse. Schon vor ein paar Monaten kamen einige Nissan Leaf nach Europa, die ersten Länder, die den Stromer erhielten waren unter anderem Portugal, England und die Niederlande. Dort wurden mittlerweile gut 3.000 Fahrzeuge zugelassen; freilich inklusive der Händleranmeldungen. Nun ist auch Deutschland an der Reihe.
Für das erste Jahr stehen hierzulande 700 Fahrzeuge zur Verfügung. Dass die alle zugelassen werden, ist wahrscheinlich, denn 400 davon gehen bis zum Jahresende allein als Vorführwagen an die Nissan-Standorte. Noch kommt der 4,45 Meter lange Kompakt-Stromer aus Japan, doch schon im nächsten Jahr soll er im englischen Nissan-Werk in Sunderland gefertigt werden. Bis zu 50.000 Leaf könnten dort für den europäischen Markt jährlich hergestellt werden.
Drei Lade-Möglichkeiten
Doch wie bei allen Elektrofahrzeugen wird auch der Verkauf des Leafs mit der Ladeinfrastruktur stehen und fallen. Immerhin kann beim Nissan der Akku aus 48 Lithium-Ionen-Modulen mit je vier Batteriezellen auf drei Arten geladen werden: Entweder per Hausladestation, die Nissan allen Käufern empfiehlt; so dauert es circa acht Stunden, bis der 24-Kilowattstunden-Speicher voll ist.
Schneller geht es an öffentlichen Schnellladestationen, die den Stromspeicher mit 50-Kilowatt-Gleichstrom befüllen. Nach weniger als 30 Minuten soll der Akku zu 80 Prozent geladen sein, derzeit gibt es in Deutschland rund 1.200 dieser Quick-Charge-Stationen von RWE.
Oma-Kabel inklusive
Zusätzlich wird jeder Leaf mit dem sogenannten EVSE-Kabel ausgeliefert, mit dem der Nissan an jede haushaltsübliche Steckdose angestöpselt werden kann. Allerdings wird der Ladestrom hier auf zehn Ampere begrenzt, um Überlastungen auszuschließen und der Ladevorgang dauert rund 13 Stunden. Bei Nissan nennt man die fünf Meter lange Strippe übrigens Oma-Kabel; so kann man mit dem Leaf auch die etwas weiter entfernt wohnende Oma besuchen und dort über Nacht sein Auto laden.
Steht zwischen Heimat und Oma nicht zufällig eine Schnellladestation und will man innerhalb eines Tages die Großmutter erreichen, sollte diese nicht allzu weit entfernt wohnen. Als maximale Reichweite gibt Nissan 175 Kilometer an; diesen Laborwert nach dem Neuen europäischen Fahrzyklus wird allerdings kaum jemand erreichen, schließlich muss der Akku nicht nur den E-Motor bedienen, sondern auch alle bei der Testmessung ausgeschalteten Verbraucher wie Scheibenwischer, Radio oder Klimaanlage mit Strom versorgen. Realistisch ist ein Aktionsradius von 100 bis 130 Kilometer.
Kompletter Kompakter
Damit sollten allerdings die meisten täglichen Fahrten möglich sein; Studien zufolge fahren weltweit gut 80 Prozent aller Autofahrer täglich weniger als einhundert Kilometer. Doch ganz gleich, ob die Reichweitenangst nun begründet oder nur ein psychologisches Problem ist: Sie muss den Käufern erst einmal genommen werden, ehe sie zum Nissan-Händler marschieren und 36.990 Euro auf den Tisch legen.
Wer das Abenteuer wagt, bekommt mit dem Leaf einen nahezu ganz normalen Kompaktwagen. So unspektakulär das klingt, so beeindruckend ist es: Der Nissan ist kein Raumschiff vom anderen Stern, kein nur mit viel Pioniergeist zu ertragendes Bastelbuden-Auto und erst recht keine Verzichtserklärung. Der fast komplett ausgestattete Nissan (nur Metalliclack und Lenkradheizung stehen auf der Optionsliste) bietet ausreichend Platz für bis zu fünf Personen, zahlreiche Ablagen und der Kofferraum schluckt zwischen 330 und 680 Liter; zudem beschleunigt der Stromer mit 80 Kilowatt starkem E-Motor in unter zwölf Sekunden auf Tempo 100 und wird maximal 145 km/h schnell. Werte, die ihn zum Alltagsauto befähigen.
Es piept
Da der komfortabel gefederte Leaf nach dem Start per Knopfdruck lautlos losrollt, pfeift er dezent, bis er Tempo 30 erreicht hat. So sollen Fußgänger vor der leisen Gefahr gewarnt werden. Die 30-km/h-Marke ist aber schnell geknackt, schließlich liegen die 280 Newtonmeter des Wechselstrom-Synchronmotors aus dem Stand weg an den Vorderrädern an und reicht ein kleiner Tritt aufs Gas- oder besser Strompedal, um den 1,6-Tonner flink los eilen zu lassen.
Da der Stromer mit einer festen Übersetzung fährt, entfällt auch das Schalten; mit einem kleinen Knubbel auf dem Mitteltunnel wechselt man zwischen Vorwärts- und Rückwärts-Modus. Neben dem normalen Fahrbetrieb gibt es noch einen Eco-Modus, der unter anderem mit einer anderen Gaspedalkennlinie dem Fahrer das Spritsparen oder Reichweitevergrößern erleichtern soll.
Bremsen durch Rekuperation
Zusätzliche Kilometer sammelt man übrigens auch durch die Bremsenergierückgewinnung; tritt man aufs linke Pedal, verzögert der Leaf zunächst durch Rekuperation, der E-Motor arbeitet also wie ein Dynamo. Erst wenn die dadurch entstehende Bremskraft nicht ausreicht, greifen die mechanischen Stopper ein. Der Übergang ist fließend und kaum spürbar, allerdings muss man sich anfangs ein wenig an die recht starke Verzögerung gewöhnen.
Das grüne Gewissen wird übrigens auch von den sich im oberen Bereich des zweigeteilten Armaturenbretts – bei ökonomischer Fahrweise – peu à peu aufbauenden Bäumchen unterstützt; die Anzeige ist simpel und lässt den Fahrer durchaus ehrgeizig werden, noch eine Tanne zu erreichen. Auf dem großen Touchscreen in der Mittelkonsole lassen sich außerdem noch weitere, teils unübersichtliche und verwirrrende Verbrauchsstatistiken anzeigen. Praktisch ist dagegen die Aktionsradiusanzeige im serienmäßigen Navigationssystem: Per Tastendruck am Lenkrad sieht der Fahrer auf der Landkarte, wohin er mit der aktuellen Batterieladung noch kommt. Außerdem informiert das System darüber, wo die nächste Ladestation ist und ob sie frei ist. So langsam kommen sie auf den Markt, die Elektroautos. Der Smart electric drive und die Mitsubishi-iMiEV-Brüder sind im Kleinwagen-Segment unterwegs, der Renault Fluence Z.E. in der Mittelklasse. Nissan besetzt mit dem Leaf nun als erster Hersteller das Kompaktsegment und bietet ein gelungenes Rundumpaket.
Der Japaner kommt komplett ausgestattet, bietet klassenüblichen Komfort und Platz und ist mit gut 100 Kilometern Reichweite in der Praxis für die meisten Einsätze gerüstet. Zudem kann der Leaf gleich auf drei Arten aufgeladen werden, unter anderem an Gleichstrom-Ladestationen in gut einer halben Stunde. Und verglichen mit anderen Stromern ist auch der Preis von knapp 37.000 Euro ein gutes Angebot, zumal beim Leaf die Akkus nicht geleast werden müssen, sondern im Kaufpreis enthalten sind.