Wenn das Fahrzeugkonzept eines Sport Utility Vehicle nicht schon per se die Gesellschaft spaltet, dann schafft es der GLC 63 S auf jeden Fall (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 12,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 282 g/km²). „Dynamische“ Hochbeiner gibt es ja mittlerweile viele, doch kaum eines dieser Autos dürfte so konsequent auf Sportlichkeit ausgelegt sein wie der Mercedes. Es ist schon die Erscheinung, die verrät, dass hier mit viel Krawall zu rechnen ist. Grimmig blickt der Sternenkreuzer drein, breit steht er vor einem und trägt seine 21 Zoll großen Sportreifen selbstbewusst zur Schau.
Geländefahrten sind mit dem AMG-GLC tabu, dementsprechend fehlen auch etwaige Offroad-Programme im MBUX-System. Und schon werden sich die ersten fragen, weshalb man das dann tut, mit der hochbauenden Karosse, die anschließend wieder tiefergelegt wird. Die etwas einfache Antwort lautet: Weil der Markt ein solches Nischenprodukt toleriert, es vielleicht sogar fordert.
Wenngleich in diesen Zeilen etwas Argwohn gegen die Fahrzeugkategorie herauszulesen ist; an den harten Leistungsfakten des 63ers gibt es nichts zu kritteln. So leistet der 4,0-Liter-Biturbo-V8 in der getesteten S-Variante mehr als potente 375 kW/510 PS, stemmt 700 Newtonmeter und rennt in unter vier Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Wer es darauf anlegt, erreicht mitsamt des optionalen AMG Driver’s Package eine Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h.
Das sind Werte, die vor einigen Jahren noch ausreichten, um einen 911 Turbo gehörig einzuheizen. Wer nun argumentiert, dass der Porsche aber schneller in der Kurve sei, dem sei ein „Jein“ zwischen die Beine geworfen. Es kommt darauf an mit wem du dich messen willst. Denn was sie da in Affalterbach für einen Aufwand betrieben haben, um aus einem Vertreter-SUV, einen Performance-Geländewagen zu bauen, ist enorm.
Eine Dreikammer-Luftfederung arbeitet mit adaptiv regelbaren Dämpfern daran, Wank- und Nickbewegungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Ein mechanisches Hinterachsdifferenzial bringt ein Extraquäntchen Leben in den Heckbereich. Dass, je nach Fahrmoduseinstellung, der 4Matic-Allrad ebenfalls sehr heckbetont ausgelegt ist, erhöht die Dynamik zusätzlich. Der Benz fragt seinen Fahrer zudem, wie es denn um sein fahrerisches Können bestellt ist und legt die Zügel der Fahrstabilitätsprogramme entsprechend enger oder weiter.
Und beileibe: wer in den Master-Modus des AMG wechselt, muss gehörig auf der Hut sein, damit der Zweitonner auch wirklich auf Kurs bleibt. Der Grat zwischen schnell und schnell mal abgeflogen ist beim GLC 63 S ein schmaler, aber durchaus fahrfreudiger. So gehört durchaus etwas Mut und Erfahrung dazu, den Allradler auf letzter Rille zu bewegen. Verstehst du allerdings irgendwann, wie er tickt, macht das Schnellfahren umso mehr Spaß. Positiv zu bewerten ist außerdem die optionale Keramik Hochleistungs-Verbundbremsanlage, die nicht nur rabiat den Anker wirft, sondern gleichzeitig über einen sehr sauberen Druckpunkt verfügt.
Doch kein Pro, ohne ein Contra. Denn auf der Sollseite steht klar der Federungskomfort. Selbst in der Comfort-Stellung federt der Daimler erbarmungslos in den Rücken und lässt dich sogar auf der topfebenen Piste jede kleine Bodenwelle spüren. Dank der montierten 21 Zöller fehlt es zudem an dämpfendem Gummi, die aufgezogenen Michelin Pilot Sport 4 S rollen gleichermaßen laut ab. Ein weiterer Hemmschuh für lange, entspannte Autobahnfahrten sind die im Testwagen verbauten AMG Performance Sitze, die sehr konsequent ausgeformt und äußerst straff gepolstert sind.
Vergessen sind diese Einbußen allerdings, lauschst du dem Achtzylinder-Konzert aus der optionalen AMG Performance-Abgasanlage. Galt der C 63 einst als deutsches Muscle-Car, so hat Mercedes diese Tugend eins zu eins auf den GLC 63 übertragen. Das stets vehement am Gas hängende 510-PS-Aggregat, das an eine schnelle und zugleich unauffällige 9-Gang-Wandlerautomatik gekoppelt ist, bollert ganz so als hätte es mindestens einen Liter mehr Hubraum. Zeitweilig lässt es sich sogar zu ein paar Pops und Bangs hinreißen. Dass aber auch bei Mercedes-AMG die Auspuffendrohre nur noch Zierde sind, ist dem hohen Preisgebaren nicht angemessen.
Und was spricht der Verbrauch? Definitiv sind keine Wunder zu erwarten, ein getesteter Langstreckenverbrauch von 10 Liter auf 100 Kilometer geht aber in Ordnung. Wer den Benz hin und wieder durch den Stadtverkehr quält, wird mit mindestens 14 Liter rechnen müssen. Der Blick in den Innenraum offenbart derweil Stuttgarter-Nüchternheit. Designeskapaden sucht man im GLC 63 vergebens, gelbe Ziernähte und reichlich Carbon werten das Cockpit aber spürbar auf.
Die Verarbeitung ist gut, die eingesetzten Materialien fühlen sich überwiegend hochwertig an. Kritik gibt es jedoch an der Sitzposition zu äußern. Nicht nur, dass die Performance-Sitze auf längeren Etappen unbequem sein können, sie sind insgesamt zu hoch montiert. Dank des nur begrenzt einstellbaren Lenkrads wird so ein Teil der Tachoanzeige verdeckt – ganz gleich wie sehr man sich mit den Verstellmöglichkeiten auch spielt. In Sachen Platzangebot wird klassenübliches gereicht, mit etwas Kommunikation zwischen erster und zweiter Reihe sitzen auch vier Erwachsene vergleichsweise kommod. Der Kofferraum fasst indes 395 bis maximal 1.600 Liter. Reicht das nicht, kann der GLC 63 S auch bis zu 2,2 Tonnen schwere Anhänger hinter sich herziehen.
Abschließend noch ein paar Worte zu den umfangreichen Assistenzsystemen des Daimlers. Abgesehen vom etwas nervösen Frontkollisionswarner arbeiten die Systeme überwiegend frei von Fehl und Tadel. Auch der Spurwechselassistent macht seine Sache gut und ist in Verbindung mit dem aktiven Spurhaltesystem eine sinnvolle Unterstützung auf längeren Strecken. Allerdings ließ sich die Assistenz, die es normalerweise erfordert, dass der Fahrer seine Hände am Lenkrad behält, mit einer simplen Wasserflasche überlisten. Warnmeldungen werden so keine gezeigt, der Mercedes fährt stur mehrere Minuten ohne das Zutun des Lenkers. Ein Gefahrenpotential, das andere Hersteller bereits früher erkannt und ausgemerzt haben.
Mercedes befindet sich inmitten der Antriebswende. Hat der Achtzylinder zunächst in der C-Klasse ausgedient, wird das gleiche Schicksal demnächst wohl auch den GLC treffen. Bis es so weit ist, ist der aktuelle GLC 63 S 4Matic+ die kleinste Sternenkarosse, die noch auf den feudalen M 177 V8 setzen darf. Hier präsentiert er sich ein letztes Mal von seiner besten Performance-Seite, hat Pferdestärken im Überfluss zu bieten und kann sogar einigermaßen sparsam gefahren werden. Wenngleich der AMG querdynamisch ein starkes Stück SUV geworden ist, in Sachen Federungskomfort muss man Einbußen akzeptieren. Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist – los geht der Spaß ab 97.520,50 Euro. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)