Die Zukunft des Automobils wird aller Voraussicht nach nicht mehr in Europa und schon gar nicht in Deutschland entschieden. Daimler zum Beispiel denkt hinter gar nicht mehr so vorgehaltener Hand darüber nach, die nur in Europa gut laufenden T-Modelle zu streichen, Coupés (auch jene auf Stelzen) haben ebenfalls kein leichtes Standing bei der Sternenmarke und überhaupt geht wohl einzig das klassische SUV. Weil China. Weil USA. Geländegänger für die Stadt ohne echte Geländekompetenzen haben sie auch in Stuttgart zur Genüge im Angebot, den immerzu allradgetriebenen GLC hingegen schickten die Schwaben gleich zu Beginn der Erprobung in den Sandkasten.
Wer sich derlei nicht nur durch den Stadtdschungel kämpfen möchte, wählt die optionalen Pakete Offroad und Technik, erhält dadurch ein um bis zu 20 Millimeter höher gelegtes Schlechtwege-Luftfahrwerk, Hinterachslenkung, einen blechernen Unterfahrschutz und die Freischaltung der Offroad-Anzeige im Kombiinstrument. Freilich gibt es diese Extras nicht ohne Weiteres für die knapp 58.000 Euro teure Basismotorisierung GLC 200 4Matic zu bestellen (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,3 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 167 g/km)² – es müssen noch zusätzliche AMG-Trimms ausgewählt werden. Kostet dann halt einen Aufpreis von insgesamt 8.472 Euro und 80 Cent. Unser Testwagen als GLC 300 4Matic (ab 68.241 Euro) trägt hingegen schon ab Werk das „AMG Line Exterieur“, daher kosten die besagten Offroad-Features nur unbedeutende 3.831 Euro und, wer hätte es geahnt, ebenfalls 80 Cent (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 168 g/km)².
Das eigentliche Problem an der Sache: Den neuen Mercedes GLC willst du einfach mit der teuren Luftfederung haben, weil sie dich spätestens während der ersten Probefahrt beim Händler nicht mehr loslassen wird. Man kann ja über die Mercedes-Konzernstrategie denken, was man will: Komfort liegt ihnen allerdings weiterhin in den Genen. Wie samtig und ruhig der Zweitonner auf der Straße liegt, das ist in dieser Fahrzeugklasse beinahe ungekannt. Ob es den Mitreisenden im Fond dabei schlecht wird, steht auf einem anderen Blatt. Schließlich sitzt der Lenker vorne links und dieser erfreut sich gänzlich ungeniert am äußerst nachgiebigen Federungskomfort.
Auch in Sachen Lenkung gibt es nichts zu mäkeln. Der GLC folgt flott und präzise den Manövern am dick geschäumten Volant und wer zuvor den Dynamic Modus aktiviert hat, erntet überdies nur dezente Wankbewegungen. Etwas kläglich dann der Blick unter die Motorhaube. Vier Zylinder, zwei Liter Hubraum und 258 PS sind das Maß der Dinge, im GLC 300 4Matic derlei angereichert um einen 23 PS starken Elektromotor. Das wäre dann die vorläufige Top-Motorisierung bei den Benzinern, wobei es bei den Dieseln ja noch ein allerletztes Mal einen wohl ziemlich teuren Sechszylinder-Diesel geben soll. Irgendwann im Laufe des Jahres 2023. Dennoch gilt im Großen und Ganzen, dass sich Daimler, noch rigoroser als andere Premiummarken, dem erbarmungslosen Downsizing verschrieben hat, bis das Hubraummaß in absehbarer Zeit die Null erreicht.
Die Kundin hierzulande hat von dieser Firmenpolitik allerdings kaum etwas. Zwar dürfte es in der Tat den allermeisten herzlich Wurscht sein, ob im Mercedes GLC nun vier oder sechs Zylinder wummern, unterm Strich bringt der Verzicht aber keinerlei Vorteile beim Verbrauch. Die während des Tests ermittelten 10 Liter Kraftstoffverbrauch auf 100 Kilometer schafft heute jeder neue Reihensechser, auch bei Daimler. Die Leistungsausbeute ist okay, die emotionalen Höhepunkte eher gering. Auch so kann man seine Kundschaft auf die nahende E-Mobilität vorbereiten. Immerhin haben sie es in Sindelfingen geschafft, den dieseligen Grundton von „M 254“ im Normalbetrieb fern der Fahrgastzelle zu halten. Weswegen der Vierzylinder im Sportmodus dann aber derart künstlich plärren darf, weiß wohl nur der jung gebliebene Produktentscheider.
Gekoppelt ist das etwas freudlose 2,0-Liter-Maschinchen an eine weitestgehend unauffällig schaltende Neungang-Automatik, die einzig im Grenzbereich zwischen achter und neunter Fahrstufe (irgendwo bei 100 bis 120 km/h) oft zu wechselfreudig unterwegs ist. Wechselnd fällt auch die Innenraumqualität des Mercedes GLC aus. Nun geht die mittlere SUV-Klasse bei Mercedes schon grundlegend nicht als Sonderangebot durch, für die 88.500 Euro des Testwagen hätten wir dann aber doch etwas mehr erwartet. Von allem. Das Leder der Sitze ist nur eine Nachbildung, der Kunststoff der extrem auftragenden Mittelkonsole von der Machart billig und zudem äußerst kratzempfindlich. Insgesamt fallen viele Ecken im Daimler, insbesondere in der zweiten Sitzreihe auf, die dem hohen Preis nicht gerecht werden.
Weniger lumpen lässt man sich indes beim Infotainment-System. Wer nach kurzer Zeit hinter die Logik der zahlreichen Menüs gestiegen ist, wer weiß, auf was die Sprachsteuerung gut reagiert, der wird in aller Regel keine Sorgen mit der Bedienung haben. Dass die Sensortasten am Lenkrad derweil ein Irrglaube der Industrie sind und das Volant ohnehin völlig überfrachtet daherkommt, wird hoffentlich zukünftig das Kundenfeedback richten. Dass auch ein Mercedes GLC gegen Aufpreis mit allen modernen Assistenten ausgerüstet ist, versteht sich mittlerweile von selbst. Sie erlauben sich nur wenige Schnitzer, wobei es gerade die Verkehrszeichenerkennung ist, die hin und wieder nach dem Zufallsprinzip zu arbeiten scheint.
Zum Schluss noch ein Blick auf die praktischen Qualitäten des Mercedes GLC 300 4Matic: Im Vergleich zum Vorgänger ist die Karosse um sechs Zentimeter auf 4,72 Meter angewachsen, was vor allem den Kofferraum um 70 Liter, auf jetzt 620 Liter anwachsen lässt. Wird die Rücksitzbank umgeklappt, stehen bis zu 1.640 Liter Stauvolumen parat. Der 258 PS starke GLC kann Anhänger mit einem gebremsten Maximalgewicht von bis zu 2,4 Tonnen ziehen.
Komfort und Konnektivität rücken beim Mercedes GLC mehr denn je in den Mittelpunkt. Hier hebt er sich ab, hier ist er ganz weit vorn dabei. Das Antriebskapitel hingegen ist nurmehr Mittel zum Zweck, der 300er Vierzylinder ein grundsolider, aber eher emotionsbefreiter Vorwärtsbringer mit teils hohen Verbräuchen. Auch kann der äußerliche Pomp mit tollen Digital-Scheinwerfern, ausladenden Trittbrettern und einer teuren Lackierung nicht darüber hinwegtäuschen, dass an vielen Stellen im Innenraum der Rotstift regiert. Das alles zu Preisen, die an die 100.000 Euro heranreichen können. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
*Herstellerangaben