Liebling, sie haben die S-Klasse geschrumpft – und ihr noch dazu ein Kombiheck verpasst! Natürlich haben sie das bei Daimler nicht gemacht, doch der Vergleich zur elitären Luxusklasse drängt sich bereits beim Öffnen der Türen auf. Das große Mitteldisplay, das Dekorholz mit den horizontalen Metallapplikationen – beides bekannt aus der aktuellen „Sonderklasse“.
Mit dem Modellwechsel hin zur Baureihe 206 trat die C-Klasse aus ihrem eigenen Schatten hervor, konnte sie zuletzt nicht mehr in allen Belangen mit BMW 3er und Audi A4 schritthalten. Vor allem bei der Bordelektronik hatte der Mercedes mit dem Comand Online genannten Navigationssystem immer deutlicher das Nachsehen. Das neue MBUX-System ist dagegen eine Wohltat und empfiehlt sich als durchaus tauglicher Alltagsbegleiter.
Wie schon aus anderen aktuellen Mercedes-Modellen bekannt, arbeitet die Benutzeroberfläche flott, operiert auf einem großen 11,9 Zoll Touchdisplay (Serie: 9,5 Zoll) und wird flankiert durch ein immerzu digitales Instrumentenkombi. Endlich haben in der C-Klasse zudem die alten Touchpads am Lenkrad ausgedient, wobei die Steuerung des Bordcomputers über die neuen Sensortasten ebenfalls etwas Eingewöhnung verlangt und stellenweise unnötig kleinteilig wirkt.
Materialauswahl und -anmutung sind dagegen, bis auf einige Ausnahmen in den Türen sowie der Mittelkonsole, auf einem insgesamt hohen Niveau, vorausgesetzt natürlich, es werden in der knackig bepreisten Optionsliste zahlreiche Kreuzchen gesetzt. Der knapp 77.000 Euro Testwagen dürfte demnach auch nicht ganz den Alltag vieler Dienstwagennutzer widerspiegeln, die sich eher um eine günstige Leasingrate als um ein Burmester-Soundsystem Gedanken machen. Letzteres ist übrigens aktuell nicht bestellbar – die Lieferkrise lässt grüßen.
Was das generelle Raumgefühl betrifft, so bleibt sich die 4,75 Meter lange C-Klasse ihrer selbst treu. In der ersten Reihe sitzen zwei Erwachsene stets kommod, hinten wird es dagegen selbst für eine Kindersitzstation schnell eng, will man vorne nicht auf allzu viel Beinfreiheit verzichten. Keine Kritik dagegen am Kofferraum. Im Normalfall fasst das Gepäckabteil gut nutzbare 490 Liter, klappt man die Rücksitze um stehen maximal 1.510 Liter zur Verfügung. Mit einer Anhängelast von 1.800 Kilo darf der C 300 d als T-Modell zudem gestandene Wohnwagen ziehen.
Und wie fährt sich die neue C-Klasse? Kurzum: so sänftenartig, wie man das von einem Mercedes gemeinhin erwarten kann. Das adaptive Komfortfahrwerk gefällt in jeder Fahrsituation und federt selbst grobe Unebenheiten aus der Asphaltdecke heraus. Dennoch lässt sich das T-Modell einigermaßen sportlich in die nächste Kehre drapieren, wobei die Kurvenautorität nicht nur aus der sehr präzisen Lenkung vorne, sondern erstmals auch aus der optionalen Hinterachslenkung herrührt.
Kombiniert wird das Ganze im Falle des hinterradgetriebenen C 300 d mit einer ziemlich perfekten Antriebseinheit (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 5,2 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 135 g/km²). Ölmotor 654 D ist zwar grundlegend aus dem Vorgänger bekannt, erhielt zum Generationswechsel aber geringfügig mehr Hubraum und eine milde Elektrifizierung spendiert. Aus nunmehr 1.993 ccm (zuvor 1.950 ccm) schöpft der Vierzylinder-Biturbo 265 PS und wird dabei durch einen integrierten Startergenerator unterstützt, der ebenfalls noch einmal bis zu 20 PS beisteuert. Der Selbstzünder alleine stemmt derweil ab 1.800 Touren 550 Newtonmeter und wird durch das 48-Volt-System im Ernstfall um bis zu 200 Newtonmeter „geboostet“.
Das Ergebnis sind Fahrleistungen mindestens auf Sechszylinder-Niveau mit einer Sprintzeit von 5,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. Wenngleich die Leistungswerte als Einladung erscheinen, ständig zu heizen, lässt man es im C 300 d T-Modell gerne etwas ruhiger angehen. Denn der Antriebsstrang, der durch einen sehr gut schaltenden 9-Gang-Wandlerautomaten komplettiert wird, begeistert gleichzeitig durch seinen niedrigen Verbrauch.
Nach knapp zwei Testwochen zeigte der Bordcomputer einen durchwegs flott erfahrenen Verbrauch um 5,9 Liter auf 100 Kilometer, wobei sich dieser Wert mit etwas Zurückhaltung locker unterbieten lässt. Wann immer es der Mercedes für sinnvoll erachtet, wird der Vierzylinder gänzlich abgeschaltet. Vor Ortseingängen, scharfen Kurven oder Kreisverkehren wird durch Navigationsdaten und Frontkamera intelligent rekuperiert, was anhand von Radarsensoren auch beim Annähern an andere Verkehrsteilnehmer funktioniert.
Einzig wirklicher Kritikpunkt im Fahrkapitel: die Art und Weise wie die Bremse abgestimmt wurde. Der Pedalweg fällt vergleichsweise lang aus, die Verzögerung setzt erst spät, dann aber sehr vehement ein.
In Sachen Fahrerassistenz bietet die neue C-Klasse beinahe alle Funktionen, die auch bei E- und S-Klasse erhältlich sind. Allerdings arbeiten die Systeme nicht immer fehlerfrei. So könnte der Abstands-Tempomat insbesondere im Stopp-and-Go-Verkehr seine Arbeit deutlich feinfühliger verrichten und der aktive Brems-Assistent erkennt Hindernisse, wo keine sind. Das Resultat ist eine Vollbremsung auf offener Strecke. Dagegen im wahrsten Sinne ganz großes Kino ist die optische Darstellung der aktiven Systeme im Kombiinstrument.
In einem mittlerweile gesetzten Mitbewerberumfeld übernimmt die neue Mercedes C-Klasse klar die Führung in Sachen Fahrkomfort und Digitalisierung. Speziell der C 300 d als T-Modell empfiehlt sich derweil als starker und zugleich sparsamer Wegbegleiter, der kleinere und auch größere Ladeaufgaben bewerkstelligen kann. Wer die C-Klasse allerdings wirklich zur kleinen S-Klasse aufwerten will, muss sehr tief in die Geldbörse greifen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)