500 E. Es ist immer wieder beeindruckend, welche Reaktionen diese vierstellige Kombination aus drei Ziffern und einem Buchstaben bei (meistens) Männern auslöst. Das muss man sich gerade in der heutigen Zeit vor Augen führen. In einer Zeit, in der die Hersteller aller Welt mit Zahlen um sich werfen, als gäbe es kein Morgen. 560, 600 und 650 sind da ja keine Seltenheit. Doch 500 E, das sticht noch heute, über 25 Jahre nach seiner Präsentation. Vielleicht, weil man es so gut mit der Zunge aus sich herausdrücken kann, wenn man es ausspricht. Dagegen ist E 500 ja stinklangweilig. Und auch wenn der 500 E kurz nach Modellpflege derart umbenannt wurde: die Welt kennt eben nur ihn, ganz einfach. (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,0 - 13,5 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 308 - 320 g/km²)
Warum das so ist? Kein anderer prägte den Begriff des "King-of-Autobahn" in den Neunzigern so sehr wie er. Klar, es gab auch vorher schon Sportlimousinen und andere Kaliber, es gab den BMW M5, es gab den Porsche 911 turbo, es gab auch AMG mit "The Hammer". Doch niemand hatte es vor Daimler geschafft, eine derartige Längsperformance, die so ziemlich alles in Grund und Boden fuhr, in eine so unscheinbare Karosserie zu packen. An der nur Kenner absehen konnten: "ich geh' jetzt mal lieber rechts rüber."
Großer Motor, kleines Auto
Um das zu erreichen, ging man bei Daimler (wie selbst heute noch einigermaßen üblich) recht pragmatisch vor: der fünf Liter große V8 existierte bereits in SL und S-Klasse, die W124-Karosse selbstredend ebenfalls. Jetzt mussten beide nur noch zueinander finden. Doch schon bei den ersten Versuchsmontagen stand man vor einem Problem: der Motor baute zu hoch und war insgesamt zu groß für den verfügbaren Motorraum des 1985 präsentierten W124. Außerdem passte die deutlich breitere Karosserie nicht durch die Fertigungsstraße "beim Daimler". Da die Kollegen von Porsche aus dem Nachbarstadtteil Zuffenhausen zur Zeit der Entwicklung des 500 E mit einem unüberwindbaren Auslastungsdefizit zu kämpfen hatten, ging man - freundschaftlich verbunden - eine Kooperation ein: der 500 E wurde also bei Porsche endmontiert, nachdem die in Sindelfingen lackierte Karosserie und die aus Untertürkheim kommenden Technikkomponenten angeliefert worden waren.
Zuvor hatte man - ebenfalls in Zusammenarbeit mit Zuffenhausen - ein Kurbelgehäuse entwickelt, das sowohl auf den Fünfliter-V8 als auch auf den kleineren 4,2-Liter V8 passte. Damit baute der Motor rund 1,6 Zentimeter flacher als der des 500 SL. Außerdem wurden kürzere Pleuel eingebaut, um das Hub-Bohrungsverhältnis beizubehalten. Eine elektronisch gesteuerte Einspritzanlage (Bosch LH-Jetronic) samt Luftmassenmesser löste die in die Jahre gekommene mechanisch-elektronische Bosch KE ab. Doch was die Faszination 500 E letztendlich ausmachte, war ein Kniff, der heutzutage schon aus ökonomischen Gesichtspunkten nicht mehr machbar wäre: Eine deutlich verkürzte Hinterachsübersetzung. Sie macht es möglich, dass der 500 E auf der Autobahn den vierten (und letzten) Gang der Automatik als einzigen Fahrgang nutzen kann. Bei Richtgeschwindigkeit dreht der V8 bereits knapp über 3.000 Umdrehungen pro Minute. Und bei Tempo 250 steht die Nadel des Drehzahlmessers fast im roten Bereich. Was zu einem Antritt führt, der zwar unter heutigen Maßstäben nicht mehr spektakulär ist, doch bei so manchem Verkehrsteilnehmer immer wieder für überraschte Blicke in den Rückspiegel sorgt.
Serienausstattung: Sleeper
Denn der erwartet in der Hülle eines alten Taxis nicht die Performance eines Sportwagens. Und dies ist auch der nächste Grund für den Mythos 500 E: Mercedes schaffte es schon damals, einen waschechten Sleeper zu bauen, den nur der Kennerblick enttarnen konnte. Und das auch nur anhand der deutlich verbreiterten Kotflügel vorne und hinten sowie der veränderten Frontschürze - ansonsten könnte man ihn auch für einen 200 D halten. Doch wenn man den Schriftzug am Heck entziffert, ist es in der Regel bereits zu spät. Mit einer digitalen Reaktion auf den Gasbefehl sortiert der Wandler die 480 Newtonmeter, schickt sie an die pneumatisch gefederte Hinterachse, die Haube hebt sich und die Fuhre schießt mit einer unbändigen Kraft nach vorne. Das spürt man alles, denn man sitzt verhältnismäßig nah an der Kraftübertragung. Bei winterlichen Temperaturen ist es nicht die Heizung, die den Innenraum wärmt, es sind Motor und Getriebe. Dazu sitzt man irgendwie nur auf und nicht in den ansonsten guten Sportsitzen, ist aber nicht abgeschirmt von der Außenwelt. Damit man auch ja alles mitbekommt, was da vorne passiert. Und so stürmt man ohne nennenswerte Unterbrechungen der 250 entgegen, bis man vom nächsten Linksschleicher eingebremst wird, der schon wieder nicht kapiert hat, was da eigentlich von hinten angebraust kam.
Youngtimer mit Zukunft
In letzter Zeit wurden die 500 E immer wieder zum absoluten Sammlerstück der Zukunft hochstilisiert. Im Verhältnis dazu blieben die Preise ansich noch recht moderat - heute dürften ordentliche Exemplare für rund 30.000 Euro zu haben sein. Wir schätzen die Tendenz eher schwach steigend ein, gab es letztendlich nur 10.479 Stück vom 500 E und E 500 (inklusive Limited). Denkbar ist, dass das für die ersten Modelle jetzt anstehende H-Kennzeichen noch zu einer deutlichen Preissteigerung führt. Viele fielen dem Rost oder den Heizeskapaden mancher Geschäftsreisenden zum Opfer, die in wenigen Jahren gut und gerne über 300.000 Kilometer herunterspulten. Weil es auch heute noch kaum ein besseres Autobahnauto gibt. Unser Fotofahrzeug stammt ursprünglich aus Japan und trägt deshalb Seitenblinker sowie ein verkürztes Nummernschild. Doch egal woher er kommt und in welchem Zustand der Wagen ist: fährt man einmal damit, kommt man so schnell vom 500 E nicht mehr los. (Text: Maximilian Planker; Bilder: Maximilian Planker & Thomas Vogelhuber)