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Test: Land Rover Range Rover TDV8 – Some things never change

In Zeiten der Kompaktklasse-Offensive des VW-Konzerns ist der Alltag des Autoredakteurs oft einseitig vom Klon-Testen der Gölfe, Leons und A3 geprägt. Da nimmt man den neuen Range Rover als Salz in der Suppe wahr, fein abgeschmeckt mit vielen weiteren delikaten Aromen.

Allerdings: Bei mancher Zutat könnte man den Land-Rover-Ingenieuren vorwerfen, ein wenig verliebt gewesen zu sein. Kein Wunder, angesichts dieser hinreißenden Diva. Und wie es sich für eine Diva gehört, hat die Neuauflage des Range seine Fans lange warten lassen. Knapp elf Jahre lang begeisterten die britischen 4x4-Spezialisten mit dem noch unter BMW-Regie entwickelten und dann unter Ford- und Tata-Regie gebauten Vorgänger-Flaggschiff vor allem betuchte Landmenschen und Hollywood-Stars. Ein im Autobau bemerkenswert langer Modellzyklus, der eigentlich einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit hätte nach sich ziehen können.

Doch Fehlanzeige: Optisch knüpft die Neuauflage in klarer Weise an den Vorgänger an, bietet weiterhin diese monolithische, glattflächige, distinguierte Protz-Aura. Dem bekannten Erscheinungsbild hat Land Rover immerhin ein paar gefällige, moderne Akzente verpasst, mit denen der Allradriese zeitgemäßer, filigraner und technisch verfeinert daherkommt. Entscheidend aber ist: Der Range gibt sich weiterhin als verschwenderische Visitenkarte, die anderen Menschen signalisiert, die Insassen hätten es zu was gebracht.

Spartanische Kommandozentrale

Diesem Gefühl können sich die Fahrgäste vorbehaltlos und genussfreudig hingeben. Die Briten haben auch innen eine geschmackvolle Balance gewahrt, bei der die klassische Atmosphäre eines Range mit top-modernen Elementen harmoniert. Herrlich ist die aufgeräumte Mittelkonsole, die lediglich einen großen Touchscreen und ein paar wenige runde Schalter beherbergt. Statt die Kommandozentrale mit einem redundanten Schalter-Wirrwarr zu überfrachten, hat man sich bei einigen elementaren Funktionen (Getriebe, Klima) auf Direktwahlknöpfe beschränkt, während die meisten Funktionen über den berührungsempfindlichen Bildschirm geregelt werden.

Der zentrale Bildschirm dient als Steuerelement für alle audiorelevanten Funktionen, fürs Navi, Telefon oder die Einstellmöglichkeit der Ambientebeleuchtung, die in zehn verschiedenen Farben für behagliche Stimmung bei Nachtfahrten sorgen kann. Außerdem zeigt der Touchscreen das TV-Bild, wobei es gegen Aufpreis eine Splitscreen-Funktion gibt, die es während der Fahrt ermöglicht, gleichzeitig dem Fahrer den Navi- und dem Beifahrer das TV-Bild zu kredenzen. Ebenfalls smart: Die Schalter für das Automatikgetriebe und die Fahrprogramme des Terrain-Response-Systems sind versenkbar, wodurch während der Fahrt der horizontale Bereich der Mittelkonsole eine aufgeräumte, glatte Ebene bildet.

Alles digital

Ebenfalls eine schöne ebene Fläche bietet das Kombiinstrument, welches keine echten Rundinstrumente beherbergt, sondern ein großes Display, das alle wichtigen Fahrinformationen übersichtlich aufbereitet. Allerdings: Die Grafiken könnten für ein Fahrzeug dieser Klasse feiner, edler wirken und mehr Premium-Schick vermitteln. Zumindest verwendet Mercedes in der neuen S-Klasse eine ähnliche Kombiinstrumenten-Lösung, bei der die grafische Darstellung jedoch deutlich mehr Edelanmutung versprüht. Auch sonst vermag der Range nicht an jeder Stelle seinen doch sehr hohen Preis rechtfertigen. Hier und dort knarzt es, gibt es kratzempfindliche Oberflächen (D-Säulen Kofferraumverkleidung) und findet sich auch manch unsaubere Pfalz in der großzügig mit Leder gepflasterten Luxushöhle.

Petitessen, die auch angesichts des verschwenderischen Platzangebots schnell in den Hintergrund rücken. Für Fahrgäste und Gepäck gibt es reichlich Entfaltungsspielraum, ob seitlich, überm Kopf (trotz edlem Glasschiebe-Panoramadach) oder für die Beine, zumal im Fond kein wuchtiger Kardantunnel stört. Vorbildlich: Ein Riesenfach in der Mittelkonsole, ein doppeltes Handschuhfach und dann noch offene und geschlossene Ablagen in den Seitentüren, die allesamt viel Platz für viel Kleinkram bieten.

Große Hürde, großer Platz

Mit größerem Gepäck steht man allerdings vor einer Hürde: Die Ladekante vom Kofferraum, der immerhin über einen elektrischen Öffnungsmechanismus für den oberen wie unteren Teil der Klappe verfügt, ist vergleichsweise hoch. Cool: Eine Schalter-Batterie im Kofferraum ermöglicht es, die Lehne der Rückbank in der Neigung zu verstellen oder ganz umzulegen. Die Erweiterung auf den maximal 2.030 Liter großen Kofferraum zieht sich allerdings etwas in die Länge. Apropos ziehen: Außerdem kann man von hier per Knopfdruck auch noch die im Unterboden versteckte Anhängerkupplung ausklappen, die für bis zu 3,5 Tonnen Zuglast gut ist.

Obwohl ein Transporttalent, ist beim Range feinster Fahrkomfort angesagt, trotz der gewaltigen 20-Zöller, auf denen der Trumm thront. Aber wie man es auch dreht und wendet: Eine Kurvengaudi kann der Riese dennoch nicht bieten. Sein weiterhin hohes Gewicht und sein hoher Aufbau verwehren ihm die höheren Weihen dynamischer Fahrfreuden. Selbst der kräftige und schwere Diesel kann da keine Wunder bewirken, wenngleich sein Drehmoment von irrwitzigen 700 Newtonmeter für mächtigen Schub sorgen kann. Jedoch schlucken Gewicht, Luftwiderstand und Allradantrieb einiges von dieser eigentlich übermächtigen Kraft. Wer es drauf ankommen lässt, kann in knapp sieben Sekunden den 100-km/-Sprint abhaken.

Durstig und schwer

Und trotz der Achtgang-Automatik ist der Range auch in Hinblick auf die Effizienz ein Unhold alter Schule. Laut Datenblatt soll sich der 339 PS starke 4,4-Liter-Diesel mit 8,7 Liter auf 100 Kilometer bescheiden, doch ist dieser bereits recht hohe Wert von theoretischer Natur. Auf langer Strecke sind es 12 bis 13 Liter, in der Stadt noch deutlich mehr. Insofern ist der neue Range wohl doch nicht der von Land Rover angekündigte große Sprung in Richtung Effizienz.

Die im Vorfeld der Markteinführung so verheißungsvoll kommunizierten Verbrauchs- und Gewichtseinsparung beziehen sich vor allem auf den V6-Diesel. Der neue Range mit V8-Diesel bleibt seinem dekadenten Wesen treu, denn beim Gewicht driftet das Dickschiff trotz Leichtbau-Alukarosserie in absurde Sphären ab. Mit dem fast vollen 105-Liter-Tank brachte es das Schwergewicht auf einer Waage der Dekra München Ost auf knapp über 2,7 Tonnen.

Mehr Luxus frisst den Alu-Vorsprung

Das „Ja-aber“ von Land Rover Deutschland ist ein nur teilbefriedigender Einordnungsversuch. Denn nach Angaben des Pressesprechers haben neue Luxus- und mehr Komfort-Features einen großen Teil der Gewichtseinsparungen aufgezehrt. Massagesitze oder das riesige Glas-Panoramadach konterkarieren also den erhöhten Einsatz von Aluminium bei Karosserie und Fahrwerk. In Hinblick auf Dynamik und Umwelt ist diese schizophrene Entwicklung bedauerlich. Aber der Range Rover ist damit nur der Tenor in einem vielstimmigen Orchester der Autoindustrie von Pseudo-Diät-Troubadouren. Trotz der oft und gerne kommunizierten Leichtbau-Maßnahmen vieler Hersteller ist es in nur wenigen Fällen bei Generationswechseln zu deutlichen Einsparungen beim Realgewicht gekommen.

Das hohe Gewicht und den gehobenen Durst hat der Range zu einem erheblichen Teil seiner Allradkompetenz zu verdanken. Der Vorteil: Wenn irgendwo der Asphalt fehlt, ist dies dem Allradtier schlichtweg egal. Die 4x4-Luxusikone wühlt sich überall hindurch. Zumindest haben wir diesen Eindruck in einer größeren Sandkuhle gewonnen, in der trotz des losen Untergrunds und der für Offroad-Aktivitäten nicht sehr vorteilhaften Straßenbereifung kein Augenblick der Unsicherheit aufkam.

King of cross

Dabei braucht es keiner speziellen Offroad-Erfahrung, um abzuschätzen, wann manuell die Getriebereduktion oder die Differenziale aktiviert werden, sondern reicht es, mit einem Drehschalter einfach eines von fünf Fahrprogrammen anzuwählen. Den Rest managet die Elektronik, um den Range in einen eindrucksvollen Never-Stopp-Modus zu versetzen. Das Terrain-Response-System analysiert den Untergrund und entscheidet dann automatisch, ob eine Untersetzung oder Sperrung von Mitten- oder Heckdifferenzial oder mehr Bodenfreiheit hilfreich sind. Clever für die Schlammpartie: Schmal konstruierte Schweller, über die die Türbleche reichen und so beim Aussteigen schmutzige Hosenbeine verhindern.

Im Gelände ist der neue Range also der alte Routinier. Als Autobahn-Express erlebt man hingegen nur bis zu mittleren Geschwindigkeiten angenehm und kompetent. Der Wohlfühlbereich endet irgendwo jenseits der 160 km/h. Darüber wird es recht laut, ab 200 km/h wird die Autobahn zudem etwas eng und verspürt man nur wenig Lust, noch schneller zu fahren, obwohl der Range bis immerhin 217 km/h könnte.

Klangwelten

Wer im Temporausch noch seiner Musik lauschen will, kann die Meridian-Anlage einfach lauter drehen, ohne dabei von unfeinen Resonanzen belästigt zu werden. Der Edelsound ist mit 4.800 Euro allerdings recht kostspielig. Enttäuschend hingegen der Klang des Motors, der im Stand rumpelig läuft und trotz einer eigentlich niedrigen Standrehzahl so wirkt, als wäre das Standgas zu hoch eingestellt.

Apropos Drehzahlen: Die Schaltwippen der Acht-Gang-Automatik halten wir für überflüssig. Am liebsten fahrt man den Range gelassen und sortiert dabei die Automatik souverän die vielen Gänge, um die Drehzahlen meist zwischen 1.000 – 2.000 Touren zu halten. Mehr braucht es nicht, und schon gar nicht ein manuelles Eingreifen des Fahrers.

Teuer, einzigartig

Doch wie so oft im Autobau, will auch Land Rover möglichst vielen Wünschen der meist anspruchsvollen Kunden gerecht werden, wodurch am Ende dieses hochgerüstete und entsprechend teure Produkt mit einigen Dingen überfrachtet wurde. Wenig verwunderlich also, dass man für den Alleskönner auch noch richtig tief in die Tasche greifen muss. Für den großen Diesel verlangt Land Rover in der unteren Ausstattung Vogue mindestens 107.100 Euro.

Gekauft wird allerdings in der Regel die volle Packung und damit ist der durchschnittliche Range in Deutschland zumeist gut 140.000 Euro teuer.

In Relation braucht man das eigentlich nicht zu setzen, denn einen direkten Mitbewerber gibt es nicht. Die deutschen V8-Diesel-SUVs (Touareg/Q7) sind keine echten Offroader und der Toyota Land Cruiser V8 hat ganz einfach nicht die Klasse. Insofern: Das viele Geld für einen Range gibt man gerne, weil man diese Diva einfach will. Punkt. Vor seiner Markteinführung hat Land Rover den neuen Range als Meilenstein des Leichtbaus propagiert. Jetzt ist der V8-Diesel da und benimmt sich auf der Waage mit über 2,7 Tonnen nach alter Sitte. Auch wenn jetzt viele neue Ausstattungsoptionen verfügbar sind, die das Gewicht nach oben treiben: Erfolgreiches Downsizing sieht anders aus.

Doch Fans des Range können sich über noch mehr Luxus und noch mehr Technik freuen und genau das ist es, was die meisten Kunden wollen. Ein paar zu viele Kilogramm oder ein unzeitgemäßer Verbrauch spielen da keine Rolle.

Was den Range auch in seiner Neuauflage so begehrenswert macht, ist seine Aura und Wirkung auf andere. Sofort wird man als Ausnahmeerscheinung wahrgenommen und schlüpft man als Insasse unweigerlich in eine aristokratische Rolle. Genau deshalb sind Range-Käufer bereit, entsprechend tief in die Tasche zu greifen und ein politisch unverändert unkorrektes Auto zu fahren. Insofern hat Land Rover alles richtig gemacht.

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