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Kia e-Soul 64 kWh im Test: Was kann das E-Auto im Alltag?

Elektrisch in die Zukunft? Der Selbstversuch im Kia e-Soul mit 64-kWh-Batterie soll Aufschlüsse geben, ob das heute schon funktioniert. Der Koreaner soll laut Datenblatt 452 Kilometer bewältigen können - was wir im realen Fahrbetrieb geschafft haben, zeigt unser Testbericht.

Wenn ein Petrolhead Strom „tankt“, dann dürften sich Befürwortern der angelobten Mobilitätswende eigentlich nur die Nackenhaare aufstellen. Doch versuchen wir nunmehr eine neutrale Sicht auf die Dinge. Wobei die Mehrzahl der Dinge zunächst reduziert wird auf den Kia e-Soul. Um ihn soll es schließlich gehen. Sein Design polarisiert, will für Gesprächsstoff sorgen und dürfte beileibe nicht jedem gefallen. Auch nach über zwei Testwochen wirkt er auf uns wie eine Kreuzung aus Toyota FJ Cruiser, einem aufgepumpten japanischen Kei-Car, gepaart mit einer Prise Familienvan. Wobei die Ähnlichkeit zum FJ Cruiser in unseren Augen vor allem durch die Kontrastlackierung zwischen Dach und restlicher Karosse entstand.

Kia-e-Soul-Front

SUV fahren ohne SUV zu fahren

Sei’s drum: Kia hat den Soul, den es außerhalb Europas auch noch mit Verbrenner gibt, in dritter Generation immerhin ansehnlicher gestaltet, die Front wirkt sogar sehr energisch gezeichnet, was man vom Heck nun eher nicht behaupten kann. Dafür sitzt man hoch und der Einstieg, zumindest vorne, gelingt einfach. Überdies wird einen niemand anfeinden, dass man ein böses SUV fährt, obwohl der cw-Wert mit gut 0,33 auf dem Niveau eines Audi Q5 liegt. Was zählt ist am Ende ohnehin die Kühlschranktabelle im Katalog, die verlautbart, dass alles in purer A+ Butter ist. Womit wir direkt bei den Elektroautoqualitäten angelangt wären. Unser Testwagen verfügte über die große 64-kWh-Batterie (ab 39.390 Euro), die, laut Hersteller, gut ist für eine rein elektrische Reichweite von 452 Kilometer (Stromverbrauch kombiniert 15,7 kWh/100 km; CO2-Emission kombiniert 0 g/km²). Hinzu kommt eine Maximalleistung von 150 kW beziehungsweise 204 PS. Wichtig ist auch das Drehmoment von 395 Newtonmetern – dazu aber später mehr.

Kia-e-Soul-Rear

Wo liegt die echte Reichweite?

Zunächst soll es um die Reichweite gehen. Sie schwebt über jedem neuen E-Auto wie eine böse Prophezeiung. Schafft man die Herstellerangaben? Wie weit komme ich im Winter? Wo lade ich die Kiste? Da wir den e-Soul im milden Münchner Winter des Jahreswechsels 2019 auf 2020 hatten, können wir direkt zwei Angstherde auf einmal bedienen. Die Herstellerangaben erreichten wir zu keiner Zeit, wobei eine „Winterreichweite“ von 300-360 Kilometer als realistisch erscheint. Allerdings ist die individuelle Reichweite nicht nur davon abhängig, wie vehement man das Fahrpedal betätigt, sondern auch davon, wie verfroren man ist. Jede Änderung an der Klimasteuerung wird mit weniger Reichweite quittiert. Ist also fast wie mit den Klimazielen.

Kia-e-Soul-Side2

Wo und wie lädt man den Kia e-Soul?

Verlassen wir das Reich der Polemik und beschäftigen uns mit der dritten Frage. Denn wo und vor allem wie man den Kia e-Soul lädt, ist eine Grundsatzfrage. Sie entscheidet über persönlichen Sinn und Unsinn eines Elektroautos. Zunächst halten wir fest: Man sollte daheim oder auf der Arbeit laden können und die Koreaner haben gespart. Nicht umsonst kommen Einstandspreise (für die 39,2-kWh-Batterie) um 34.990 Euro zustande (Stromverbrauch kombiniert 15,6 kWh/100 km; CO2-Emission kombiniert 0 g/km²). So mangelt es dem e-Soul beim AC-Laden (Wechselstrom) an einem ordentlichen Bordlader. Lediglich einphasig gelangt bis zu 7,2 kW Strom pro Stunde in die Batterien, obwohl selbst einfache öffentliche Ladesäulen mittlerweile 12 bis 22 kW offerieren. Bei einem Testverbrauch von 21,4 kWh/100km (laut Bordcomputer über mehr als 1.800 Kilometer hinweg erzielt) bedeutet dies: drei Stunden laden für 100 Kilometer Wegstrecke.

Kia-e-Soul-Loading

Ladezeiten variieren kräftig

Schneller geht es nur mit Gleichstrom aus der DC-Säule. Mittels CCS-Typ-2-Stecker schafft der Kia e-Soul in der Theorie 100 kW Ladeleistung. Sowohl an Ladestationen von Ionity, als auch an der Infrastruktur von EnBW gelang es uns aber nicht, diesen Spitzenwert zu erreichen. Vielmehr dümpelte der maximale Strombezug kurzzeitig bei 30-50 kW herum, was immerhin noch einigermaßen vertretbare Ladezyklen ermöglichte. Von 20 auf 80 Prozent konnten wir die Batterien mittels Schnellladestation in der Regel in etwas über einer Stunde laden. Bis auf 100 Prozent vergingen dagegen gerne mehr als zwei Stunden. Am Hausstrom versuchten wir ebenfalls unser Glück. Von 15 auf 100 Prozent vergingen mehr als 25 Stunden, bis das Batteriepack wieder voll im Saft stand.

Kia-e-Soul-Side

Schweres Batteriepack sorgt für angenehmes Fahrverhalten

Dieses wiegt übrigens 457 Kilogramm und ist so groß, dass es unter dem eigentlichen Fahrzeugboden etwas herausragt. Der sehr niedrige Schwerpunkt sorgt allerdings dafür, dass der Kia e-Soul satt und komfortabel auf der Straße liegt, wobei er seine eigentliche Verbrenner-Konstruktion nie verbergen kann. So verfügt der Koreaner weiterhin nicht über ein vorderes Gepäckabteil, obwohl sehr viel Bauraum zur Verfügung stehen würde. Auch gibt es noch einen Mitteltunnel nach hinten und insgesamt weiß der e-Soul nicht sonderlich durch große Platzreserven zu überzeugen. So fasst der eigentliche Kofferraum lediglich magere 310 Liter (Golf 7 rund 380 Liter) und wenn vorne zwei Sitzriesen Platz genommen haben, wird es hinten bedenklich eng.

Kia-e-Soul-UVO

UVO Connect kennt nur wenige Ladesäulen

Was mitunter auch auf die elektrische Reichweite zutrifft. Anders als bei anderen Navigationssystemen (z. B. BMW iDrive) ist Kias UVO Connect nicht in der Lage, die Topographie mit in die Routenführung aufzunehmen. So gibt der Kia e-Soul ab München (519 m) zwar an, dass man locker bis zum Brenner (1.310 m) nach Italien kommt – dort angekommen wird aus dem „locker“ aber eher ein „gerade so“. Weiterhin mangelt es dem Kia-System an einer aktuellen Ladepunktkarte, die viele Stationen schlichtweg nicht kennt und meist auch nicht anzeigt, ob Stationen in Betrieb oder frei sind. Bleibt in diesem Zusammenhang das stetige Ärgernis mit den verschiedenen Bezahlsystemen zu erwähnen. Über das Auto bezahlen geht selbstredend noch nicht und sogar über das Handy lässt sich nicht jede Ladestation ansteuern. In Italien konnten wir teils überhaupt nicht laden, da für direkte Bezahlvorgänge eine italienische Steuernummer verlangt wurde.

Kia-e-Soul-KI

Die Stromkosten bleiben undurchsichtig

Überdies verliert man schnell die Übersicht über die Kosten. Es gibt zeitbasierte, kW-basierte, kombinierte Abrechnungsmodelle und Pauschalangebote, wobei sich die Preise auch regional nochmals stark unterscheiden. Während unseres Tests reichten die reinen Stromkosten auf 100 Kilometer von etwa 6,20 Euro bis 8,60 Euro. Zum Vergleich: Ein ähnlich stark motorisierter zwei Liter Vierzylinder-Diesel benötigt bei angenommenen 6,5 Liter Durchschnittsverbrauch derzeit 8,45 Euro (Diesel 1,30 Euro/Liter). Was nach einem hauchdünnen Sieg für die Verbrennertechnik aussieht, bleibt in Wahrheit aber ein Triumph des E-Antriebs. Denn auch beim Kia e-Soul dürften sich die reinen Stromkosten im Sommerbetrieb und auch die längerfristigen Wartungskosten in Grenzen halten. Auch beim Thema Bremse hat der Elektro-Kia die Nase vorn, benötigt er kaum die gut dimensionierten Scheiben, sondern rekuperiert (über vier Stufen einstellbar) fleißig die überschüssige Antriebsenergie in die Batterie.

Kia-e-Soul-Interieur

Viel Drehmoment, Hartplastik im Innenraum

Und dann wäre da freilich noch das eingangs erwähnte Drehmoment von 395 Newtonmetern. Es steht ab dem Fahrzeugstart zur Verfügung und zieht den 150 kW starken Kia e-Soul in lediglich 7,9 Sekunden auf Tempo 100. Gerade im Sport-Modus und bei nassen Straßenverhältnissen hat die Traktionskontrolle mit der abrupt einsetzenden Leistung ordentlich zu kämpfen, die Lenkung ist alles andere als frei von Antriebseinflüssen. Im Innenraum wirkt der Kia e-Soul derweil nicht immer so wertig verarbeitet, wie wir das zuletzt bei ProCeed und Stinger gesehen haben. Wohl auch aus Kostengründen ist Hartplastik das bestimmende Material, die Türen wirken dünn, wenig gedämmt und ab etwas über 100 Stundenkilometer gab es ein deutliches Zugluftgeräusch. Dennoch ist der Wagen klapperfrei montiert, die digitale Instrumentenkombi gefällt und so auch der überarbeitete Infotainment-Bildschirm in der Mittelkonsole. Mittlerweile ein No-Go ist das ausfahrbare Head-up-Display, das nicht nur fürchterlich aussieht, sondern für große Fahrer auch schlecht abzulesen ist.

Kia-e-Soul-Backseat

Fazit

Soll ich mir nun einen Kia e-Soul oder überhaupt ein Elektroauto anschaffen? Ja und nein. Dabei spielen das persönliche Fahrprofil und die individuelle Ladesituation weiterhin eine große Rolle. Für weite Strecken in den Urlaub oder für Wochenendheimfahrer ist der 64-kWh-e-Soul nur bedingt geeignet. Zu sehr ist man auf die teils immer noch mäßige Infrastruktur angewiesen, die schnell schlechter wird, verlässt man Großstadtbezirke, nebst umliegender Gemeinden. Möchte man mit dem Kia e-Soul allerdings ein gut zu fahrendes, zuverlässiges, üppig ausgestattetes und im Unterhalt kostengünstiges Pendlerauto für den Nahstadtbereich haben, dann kann er sich lohnen. Voraussetzung ist allerdings eine Lademöglichkeit in der eigenen Garage über eine Wallbox oder in der Arbeit. Für die allermeisten Nutzer reicht dann wohl auch der in Österreich immerhin 4.400 Euro günstigere Kia e-Soul mit der 39,2-kWh-Batterie samt 276-WLTP-Kilometern Reichweite. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)

Technische Daten*

  • Modell: Kia e-Soul 64 kWh/150 kW
  • Motor: E-Antrieb
  • Leistung: 204 PS (150 kW)
  • Drehmoment: 395 Nm
  • Antrieb: Vorderradantrieb, Reduktionsgetriebe
  • Verbrauch kombiniert: 15,7 kWh/100 km²
  • CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²
  • Beschleunigung (0 – 100 km/h): 7,9 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 167 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 4,20 m/1,80 m/1,60 m
  • Gewicht: ca. 1.833 Kg
  • Basispreis Österreich: ab 34.990 Euro

*Herstellerangaben

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