Hamburg-Berlin Klassik-Rallye unterwegs, und baten ihn gleich noch zum Generationentreffen. Kaum ein anderes Auto steht so sehr für Frieden, Freiheit und den American Way of Life wie ein Jeep. Immerhin hat es die Marke geschafft, über die Jahrzehnte zum Gattungsbegriff für das gesamte Segment der Geländewagen und SUVs zu werden; etwas, das sonst nur Marken wie Tempo oder Tesa gelungen ist. Entsprechend hoch ist die Begeisterung, wo auch immer wir mit unserem Willys entlang der rund 750 Kilometern langen Strecke der Klassik-Rallye auftauchten.
Gestapelt übern Ozean
Den D-Day am 6. Juni 1944, als die Amerikaner am Omaha Beach landeten, hat unser Willys allerdings selbst nicht miterlebt; er wurde erst zwei Wochen später in Amerika an die Armee ausgeliefert. Da es schnell gehen musste, kam er gleich danach aufs Schiff, zusammen mit zahlreichen Artgenossen: Eine Besonderheit des Willys MB ist nämlich, dass er stapelbar ist. Schraubt man Dach und Scheibe ab, kann problemlos ein weiterer Jeep darauf gestellt werden. Nach Tetris-Manier beladen, machte sich das Schiff auf den Weg nach Frankreich, wo es wohl Mitte Juli ankam; dass dieser eine Willys bei der Eroberung von Paris am 25. August 1944 dabei war, gilt als gesichert.
Wie der Jeep zu seinem Namen kam, ist heute dagegen nicht mehr so genau belegt. Entweder ist der Name eine Abwandlung der gesprochenen Form von GP („Dschieh-Pieh“), was für General Purpose, also Allzweck steht. Oder aber er geht auf „Eugene the Jeep“ zurück, ein Fabelwesen aus früheren Popey-Folgen mit übernatürlichen Fähigkeiten. Daran sollen sich die Entwickler erinnert gefühlt haben, als ihnen das Lastenheft für die Entwicklung eines Militär-Geländewagens überreicht wurde.
Zuschlag für Willys
Für letztere Theorie spricht, dass der Hersteller Willys-Overland die Fahrzeuge nie als GP bezeichnet hat, sondern zunächst als MB und kurze Zeit später bereits als Jeep. Lediglich bei Ford liefen sie unter diesem Namen GP vom Band; Willys konnte den enormen Bedarf alleine nicht decken und so wurde die Produktion in Lizenz auch an Ford vergeben. Deren Entwurf eines Geländewagens musste sich bei der Ausschreibung des US-Militärs dem Willys geschlagen geben, nicht zuletzt weil dieser den stärkeren Motor vorweisen konnte.
Diesen Zuschlag würde der 2,2-Liter-Vierzylinder mit seinen circa 60 PS heute sicher nicht mehr bekommen, zieht doch selbst ein Fiat Panda spielend an dem Urgestein vorbei. Wie schnell der Willys wirklich wird, lässt sich nicht so genau feststellen; die Nadel des Meilentachos wippt fröhlich hin und her, rund 80 Sachen schafft der alte Herr aber immer noch. Und dann zieht es ohne Dach und Scheibe doch beträchtlich. Wie gut, dass das vordere Fenster mit wenigen Handgriffen hochgeklappt werden kann.
Ein Zelt als Dach
Für die Dachkonstruktion ist etwas mehr Geschick gefragt, doch nach einiger Übung, und ein paar plötzlichen Regengüssen, schafft man auch dies spielend und ohne sich die Finger einzuquetschen. Wärmer oder kälter wird es im Jeep dadurch nicht, doch hält das Stoffverdeck erstaunlich gut den Regen ab, und auch durch die offenen Seiten kommt kaum Spritzwasser ins Wageninnere – was dem abgesehen von den dünnen, nicht wirklich Komfort verschaffenden Sitzkissen komplett aus Blech gebauten Willys aber auch ziemlich egal wäre.
Zumindest egaler als Fahrer und Beifahrer. Letzterer darf übrigens bei Nässe die Funktion eines Regensensors übernehmen, und mit einer einfachen Hebelkonstruktion die beiden kleinen Scheibenwischerärmchen über die Frontscheibe schwenken, um damit mehr oder weniger Tropfen zu entfernen, sie zumindest aber zu verschmieren.
Ohne Dach und Scheibe – auch heute noch
Ansonsten ist der Beifahrer gut damit beschäftigt, sich festzuhalten. Denn während schon normalgroße Fahrer gut hinter dem großen Lenkrad verkeilt sind, bleibt dem Copiloten nur, den rechten Fuß in pseudocooler Manier auf die Türschwelle zu stellen, um sich in Kurven ein wenig abzustützen. Das ist wirksam und sieht obendrein auch noch nach machoartiger Actionhaltung aus. Den eine Tür simulierenden Gurt lässt man dagegen, aus optischen Gründen, am besten weg und sicherheitsrelevant ist er sicher nicht.
Beim Generationentreffen mit seinem Ur-Ur-Ahn, dem aktuellen, 200 PS starken Jeep Wrangler, fuhr der Willys demnach standesgemäß ohne Dach und ohne Scheibe vor; der Wrangler könnte dies auch, allerdings mit erheblich mehr Aufwand. Vor allem das Wieder-Anbringen des Softtops braucht heutzutage deutlich mehr Geduld als seinerzeit und auch das Wegklappen der Scheibe und Aushängen der Türen geht nicht mehr ganz so simpel wie früher.
Schaufel und Spaten statt Sperren
Etwas weiterentwickelt präsentiert sich die Allradtechnik. Beim Willys lässt sich mit einem Hebel die Vorderachse zuschalten und mit einem zweiten die Geländeuntersetzung einlegen, das war‘s. Wenn das nicht reicht, bleiben nur noch Schaufel und Spaten, die Griffgünstig neben dem Fahrersitz angebracht sind. Auch der aktuelle Wrangler vertraut auf zuschaltbaren Allradantrieb mit einer zuschaltbaren Untersetzung. Schaufel und Axt allerdings werden dank elektronischer Traktionshilfe und ESP – und nicht zuletzt auch wegen 460 Newtonmeter Drehmoment – heute meist überflüssig. Erst recht in der Rubicon-Ausstattung, die noch zwei elektrisch betätigte Sperren vorn und hinten und einen per Tastendruck zu entkoppelnden vorderen Stabilisator drauflegt, der die im Gelände die Verschränkung zusätzlich fördert.
Schnickschnack, der seinerzeit nicht vorhanden war. Das Auto musste leicht sein, und leicht zu reparieren; alles nicht zwingend Nötiges wurde weggelassen. Zum Beispiel der Blinker, der allerdings aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nachgerüstet werden musste. Die mit nur sechs Volt Spannung arbeitende Lichtanlage ist dagegen noch original, und kann, wenn sie mal ausfällt, getrost durch zwei Teelichter ersetzt werden – die dürften ähnlich hell sein.
Weniger Licht
Wenn das immer noch zu auffällig war, konnte man stattdessen sogenannte Verdunklungslampen anknipsen, die nur noch mit einem minimalen Leuchtstrahl direkt entgegenkommenden Fahrzeugen signalisierten, dass da ein Willys fährt. Ähnlich effektiv arbeitet auch die Instrumentenbeleuchtung, die aus zwei schmalen Schlitzen gerade mal so viel Licht entlässt, dass man sieht, ob die Tanknadel wackelt oder nicht.
Die Spritanzeige arbeitet nämlich mit gleicher Präzision wie der Tacho: Ist sie rechts am Anschlag, ist der Tank voll, wackelt sie wild hin und her, sind die rund 40 Liter gut zur Hälfte aufgebraucht und verweilt sie am linken Anschlag, sollte man schleunigst Benzin nachfüllen – oder zumindest einen prüfenden Blick durch die große Tanköffnung unter dem Fahrersitz werfen.
Präzision ade
Und wo wir schon beim Thema Präzision sind: Auch die drei Vorwärts-Gänge erfordern reichlich Gefühl und während der Fahrt vom zweiten in den nicht synchronisierten ersten Gang zu wechseln, ist jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung. Vor allem in den Wertungsprüfungen einer Rallye, wo es doch auch auf Hundertstel Sekunden ankommt. Nein, damit nimmt es der Willys, der die drei Tage der Hamburg-Berlin übrigens problemlos gemeistert hat, nicht so genau. In Frankreich saß schließlich auch niemand mit der Stoppuhr am Beifahrersitz…