Kaum ein Auto der letzten Jahre hat einen so passenden Namen erhalten wie der mindestens 73.000 Euro teure Jeep Gladiator (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 9,7 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 257 g/km)². Halb Wrangler, halb Pritsche, erinnert dieser Freizeit-Pick-up in der Tat an einen altrömischen Kämpfer, der um Leben und Tod ringt. Der in Blech gegossene Gladiator balgt sich allerdings nicht mit wildem Getier, sondern kämpft getarnt als Nutzfahrzeug der Klasse N1 gegen CO2-Flottengrenzwerte und die soziale Ächtung eines unzeitgemäßen Spritvernichters. Letzteres entspricht dabei kaum der Wahrheit, denn ein Testverbrauch um 10 Liter auf 100 Kilometer zeugt nun eher nicht von einer übermäßigen Durstigkeit im Sinne anderer amerikanischer Hintenauflader.
Vielmehr ist der verbaute 3,0-Liter-Multijet-Diesel (hierzulande) der einzig wahre Antrieb für solch ein Fahrzeug und wohl auch der Motor, den sich viele Fans weiterhin für den regulären Wrangler wünschen würden. Dieser wiederum wird in Europa nur noch als Vierzylinder-Plug-in-Hybrid ausgeliefert (Jeep Wrangler 4xe Kraftstoffverbrauch kombiniert, gewichtet: 3,5 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 79 g/km)². Da wären sie wieder, die bösen CO2-Grenzwerte. Doch bleiben wir beim Gladiator. Sein 264 PS starker V6 ist nämlich nicht die einzige Besonderheit. Wo sonst legt der Hersteller ein Werkzeugset bei, mit dem du quasi das ganze Auto zerlegen kannst? So lassen sich, identisch zum Wrangler mit Hardtop, nicht nur Teile des Dachs und die Türen demontieren, die Doppelkabine als Ganzes kann abgenommen und die Frontscheibe nach vorne geklappt werden.
Das ist dann alles nicht mehr ganz so konform mit unserer Straßenverkehrsordnung und auch die Versicherung könnte etwas dagegen haben. Daher begnügen wir uns mit der simplen Entnahme der beiden Dachelemente und machen aus dem Gladiator eine Art Teilzeitcabrio mit Blickfangpotential. Für alle weiteren Arbeiten sollte man mindestens zu zweit sein und ein wenig Sachverstand walten lassen. Damit die zahlreichen Inbusschrauben im Zweifel nicht verloren gehen, liefert Jeep immerhin die passenden Sortiermöglichkeiten unter der zweigeteilt aufklappbaren Rücksitzbank mit.
Auf dieser reist es sich übrigens nur als Nachwuchs im eigenen Kindersitz dauerhaft bequem. Denn vor allem wenn vier größer gewachsene bei einer Reise aufeinandertreffen, wirkt das Raumangebot eher überschaubar. Die Rückenlehne ist betont steil angebracht und auch zur Seite hin ist weniger Platz als die Außenabmessungen das vielleicht vermuten lassen. 5,59 Meter in der Länge und gut 1,89 Meter in der Breite sind zwar Garanten für eine schwierige innerstädtische Parkplatzsuche, auf dem Fahrersitz wundert man sich hingegen über die nur begrenzte Sitzlängsverstellung. Überdies wird die Übersichtlichkeit, auch nach vorne und insbesondere im Stadtverkehr (vor der Ampel hängt meist der obere Scheibenrahmen), durch die kleinen Fenster deutlich eingeschränkt.
Abseits vom Raumgefühl punktet der Innenraum allerdings durch einen gesunden Schuss wohltuendem Purismus. Das einfach zu bedienende Uconnect-Infotainmentsystem steht nicht, wie heutzutage üblich, im Mittelpunkt, es gibt noch echte Drehregler und Knöpfe und die Verarbeitungsqualität ist für einen robusten Offroader auf einem angenehm hohen Niveau. Eine echte Handbremse wird ebenfalls noch gereicht – mittlerweile eine Seltenheit im Autobau. Links neben dem Automatikwählhebel findet sich derweil der Knüppel für den zuschaltbaren Allradantrieb. Dass es für einen echten Ami zur Ehrensache gehört, dass die verbaute (Alpine-)Soundanlage sehr gut und basslastig klingt, soll an dieser Stelle ebenfalls nicht verschwiegen werden.
Aber genug über die inneren Werte geschrieben. Wie fährt sich der Koloss denn nun? Ein wenig wie ein angeschlagener Gladiator in der Arena. Taumelig und schwerlich imstande die Spur zu halten. Zwar hat der verlängerte Radstand, im Vergleich zum normalen Wrangler, mitunter positive Auswirkungen auf den Geradeauslauf; ohne ständige Korrekturen am Lenkrad geht es aber auch hier nicht. Hinzu gesellt sich eine wenig verbindlich wirkende Fahrwerkskonstruktion, die an der Hinterachse auf eine Starrachse und Blattfedern setzt. Wer nun plant die Pritsche stets mit einer Palette Zement ruhig zu stellen – lediglich 430 Kilogramm Zuladung für den gesamten Gladiator in der Ausstattungsversion Overland (inklusive Ladefläche) machen den Plan wohl zunichte.
Doch ist der Jeep Gladiator, vorzugsweise auf gerade Strecke, erst einmal in Fahrt, kann es schon Laune bereiten dem 264 PS starken Diesel die Sporen zu geben. Dass dieser mit den 2,5 Tonnen Lebendgewicht des Amis überfordert wäre, können wir nicht berichten. Bereits ab 1.400 Umdrehungen pro Minute liegt das volle Drehmoment von 600 Newtonmetern an und sorgt für ein adäquates Vorwärtskommen. In 8,6 Sekunden gelingt der Standardsprint von null auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 177 km/h erreicht. Das hohe Drehmoment aus unteren Drehzahlen sorgt überdies dafür, dass Hängerpartien nicht zur Geduldsprobe werden. Dass allerdings nur Anhänger mit maximal 2,7 Tonnen gezogen werden dürfen, entlockt waren Pick-up-Fans ebenfalls nur ein müdes Lächeln.
Was uns abschließend noch zur eigentlichen Qualität des Hintenaufladers führt. Der Jeep Gladiator bietet eine Ladefläche von 1,53 Meter in der Länge und 1,44 Meter in der Breite, wobei die Ladebordwand eine Höhe von 44,5 Zentimeter aufweist. Die bereits genannten 430 Kilogramm Zuladung gelten indes für die Overland-Variante. Die Sport-Variante mit bis zu 565 Kilogramm Zuladung ist in Deutschland derzeit nicht verfügbar. Der hauseigene Zubehörspezialist Mopar liefert derweil eine passende Laderaumabdeckung für den Pick-up. Diese lässt sich zwar zusammenfalten, aber nur bis zum vorletzten Element, was im Zweifel den Nutzen der Pritsche spürbar einschränkt.
Der Jeep Gladiator wandelt zwischen den Welten. Auf der einen Seite will er als kerniger Offroader wahrgenommen werden, auf der anderen Seite als geschäftiger Pick-up. Die Wahrheit, insbesondere hierzulande, liegt irgendwo dazwischen. Als kolossale Freizeit-Pritsche mit Cabrioqualitäten taugt der große Bruder des Wrangler als Blickfang, für das Gartencenter oder als Zugfahrzeug für den Pferdehänger. Als reines Arbeitstier ist er allerdings viel zu teuer und kann auf der Pritsche deutlich zu wenig zuladen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
*Herstellerangaben