Mit dem gleichen Ansinnen startet jetzt der neue XF Sportbrake, der ausgerechnet das sich fest in deutscher Hand befindliche Premiumsegment der oberen Mittelklasse aufmischen soll. Keine leichte Aufgabe für den Briten. Auf die deutsche Auto-Elite haben es derzeit mehrere Hersteller abgesehen. Erst kürzlich erklärte etwa Cadillac, mit dem ATS direkt auf den 3er BMW zielen zu wollen. Allerdings lancierten die Amerikaner zwar ein gutes Fahrzeug, doch leider am Markt vorbei: Den ATS gibt es ausschließlich als Limousine mit Benziner - hierzulande stehen die Käufer aber vor allem auf Diesel-Kombis. Dieser Fehler zumindest passiert Jaguar nicht, der neue XF Sportbrake, den es nur auf dem europäischen Markt gibt, ist in Deutschland sogar ausschließlich als Selbstzünder zu haben.
Neues Volumenmodell
Um vorherzusagen, dass der neue Kombi innerhalb der XF-Baureihe, die sowieso Jaguars Bestseller ist, schnell zum meistverkauften Modell aufsteigen wird, muss man kein Hellseher sein. Ob er der Marke allerdings die erhofften Eroberungen, also Kunden, die von anderen Herstellern zu Jaguar wechseln, beschert, bleibt abzuwarten. Denn im Grunde hat der XF nur zwei – wenn auch gewaltige – Pfunde, die er in die Waagschale werfen kann: Er ist ein Jaguar und er sieht anders aus als die anderen.
Wer nämlich schon immer Jaguar fahren wollte, aber einen Kombi begehrt, wird jetzt bedient und kann fortan very british Kind und Kegel kutschieren. Wer den Mythos der Traditions-Marke dagegen weniger wertschätzt, sich aber von den 5er Tourings, A6 Avants und E-Klasse T-Modellen, die die Straßen bevölkern wie die Heerscharen asiatischer Touristen die Münchner Innenstadt, der wird ebenfalls bei Jaguar fündig.
Sieht gut aus
Der XF sieht anders aus, und nicht nur das: Er sieht gut aus. Vorne gleicht er seinem Limousinen-Bruder, ab der B-Säule fällt das Kombi-Dach weniger stark ab und endet an schwarz lackierten D-Säulen, die zusammen mit der immer getönten Heckscheibe einen edlen Abschluss bilden. Breite, zweigeteilte Rückleuchten dominieren das Heck mit der großen, stets elektrisch öffnenden und schließenden Klappe, durch die das Beladen des niedrigen, 540 Liter fassenden Kofferraums recht simpel von statten geht.
Zwar wartet das mit weichem Teppich ausgeschlagene Gepäckabteil mit klassenüblichen, praktischen Befestigungsschienen und der Möglichkeit, die asymmetrisch geteilte Rückbank vom Kofferraum aus flach zu legen und so einen ebenen Ladeboden mit bis zu 1.675 Liter Stauraum zu schaffen, auf - pfiffige Ideen sucht man aber vergebens. So lässt sich weder die Heckklappe per Fußschwenk öffnen, noch fährt das Gepäckrollo beim Öffnen automatisch nach oben.
Geräumiger Fond
Auch nicht pfiffig, aber sehr erfreulich ist, dass die Fondpassagiere im Spotbrake deutlich mehr Kopffreiheit haben und man die Rückbank nicht nur kleinen Gästen anbieten kann. Standardmäßig sitzen alle Passagiere auf kommoden Ledersesseln, und überhaupt wartet der Jaguar schon in der Basisversion mit einem hochwertigen Materialmix und reichlich Holz- und Metalldekor auf, für das man bei anderen Herstellern extra zahlen muss.
Auch der Drehregler für die Achtgang-Automatik - einen Handschalter gibt es nicht - ist aus Metall gefertigt. Die Antriebskraft selbst kommt entweder aus einem 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel, der es auf ausreichende 200 PS bringt oder einem 3,0-Liter-V6, den es wahlweise mit 240 oder 275 Pferdestärken gibt. Letzterer ist mit zwei Turboladern ausgestattet, weißt aber gegenüber dem kleineren Aggregat die gefühlt auffälligere Anfahrschwäche auf. Zwischen zwei- und viertausend Touren aber legt sich der V6 mit 500 beziehungsweise 600 statt 400 Newtonmeter Drehmoment allerdings deutlich mehr ins Zeug. Er absolviert den Sprint auf 100 je nach Version in 7,1 oder 6,4 Sekunden, der kleine braucht fast zwei Sekunden länger.
Hinten mit Luftfederung
Dafür langt der stärkere Motor auch kräftiger beim Treibstoff zu. Glatte sechs Liter verbrennen beide Sechszylinder-Varianten im europäischen Zyklus auf 100 Kilometer, der 200-PS-Motor nimmt für diese Distanz nur 5,1 Liter und ist damit der sparsamste Jaguar überhaupt. Beiden Motoren gemein ist dagegen ihre ausgesprochene Laufruhe, nur sehr selten wird es im XF laut.
Damit sich auch ein voll beladener Kofferraum nicht auf das Fahrverhalten auswirkt, haben alle Sportbrakes an der Hinterachse eine Luftfederung, die automatisch die Höhe reguliert. Der Fahrer selbst kann dagegen auf die Fahrwerksabstimmung keinen Einfluss nehmen; muss er aber auch nicht, denn der von Jaguar vorgegebene Kompromiss dürfte, abgesehen von ausgesprochenen Sport-Fanatikern und Liebhabern weicher Sänften, die meisten Fahrer ansprechen.
Die meisten Unebenheiten schluckt das Fahrwerk ebenso anstandslos, wie es auch höhere Kurvengeschwindigkeiten verträgt. Nur das frühe Untersteuern und der darauffolgende ESP-Eingriff dürften manchem Dynamiker missfallen. Gegenüber einem 5er BMW, mit dem der Jaguar als Hecktriebler direkt konkurriert, hat er in Sachen Fahrdynamik das Nachsehen. Und: Der ab Ende des Jahres für XF und XJ angebotene Allradantrieb bleibt dem Kombi in Deutschland erst einmal verwehrt. Die Vierrad-Technik gibt es zunächst nur mit einem neuen V6-Benziner, den es bei uns im Kombi nicht gibt.
Kleinigkeiten
Trotzdem: Die meisten Fahrer werden an den Fahreigenschaften des Jaguars nichts auszusetzen haben. Vielmehr kommen noch ein paar Kleinigkeiten hinzu, die die Kaufentscheidung zu Gunsten der Mitbewerber beeinflussen könnten. So bietet der Jaguar zum Beispiel keine Quer-Kameras, die beim Ausparken oder bei engen Ausfahrten zeigen, was auf der Straße oder dem Gehweg los ist. Auch das Bedienkonzept dürfte manchem vielleicht nicht gefallen, fast alles wird über einen Touchscreen und kaum mehr etwas per Taste gesteuert. Und das Navigationssystem ist schlichtweg nicht mehr zeitgemäß - wer sieht, mit welcher Brillanz andere Hersteller die Landkarte auf den Bildschirm, in die Windschutzscheibe oder zwischen die Rundinstrumente zaubern, kann dem Jaguar-Navi nicht mehr viel abgewinnen.
Das macht der Jaguar auch mit dem Preis nicht wett. Mit mindestens 48.550 Euro für den kleinen Diesel (52.550 und 56.550 Euro für die Sechszylinder) liegt er exakt auf dem Niveau von 5er und Co. Den Vorteil, dass der XF ein wenig besser ausgestattet ist, dürften oftmals die fehlenden technischen Schmankerl zunichte machen. Die Einbauraten bei den deutschen Herstellern belegen schließlich, dass die Kunden den Fußöffner für die Heckklappe oder das Head-up-Display gerne ordern - und sei es nur, um am Stammtisch damit prahlen zu können. Der XF ist ein tolles Auto, und mit dem Kombi legt Jaguar eine Variante nach, die nicht nur praktisch, sondern auch ausgesprochen schick ist - und die sich von der Masse abhebt. Wer anders sein will, greift zum Sportbrake, wer auffallen will auch, und wer es einfach toll findet, Jaguar zu fahren, sowieso.
Wer aber 5er, E-Klasse und A6 genauso hübsch findet und überlegt, was er wo für seine fünf, sechs oder mehr Scheine bekommt, der wird schnell feststellen, dass ihm die deutschen Hersteller die neuere, modernere Technik bieten. Zudem findet sich dort das breitere Antriebsportfolio, und in Sachen Fahrdynamik und Komfort sind Mercedes, BMW und Audi mindestens ebenbürtig.
Bleibt nur zu hoffen, dass es auch viele Käufer gibt, die nicht so rational an die Entscheidung rangehen - denn eine Bereicherung im Straßenverkehr ist der XF Sportbrake auf jeden Fall.