Es ist eine Evolution, bisweilen noch keine Revolution, die leise, im Verborgenen und weitestgehend abseits des Mainstreams geschieht. Hyundai und Toyota positionieren sich im Pkw-Bereich (aber vor allem beim Frachtverkehr) als Brennstoffzellen-Vorreiter und haben bereits in zweiter Generation je ein Wasserstoff-Auto im Handel. Was bei Toyota der Mirai, war bei Hyundai der ix35 FCEV und ist jetzt der hier gefahrene Nexo (Wasserstoffverbrauch kombiniert: 0,84 kg/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²). Letzteren hatten wir bereits vor zwei Jahren erstmals zum Test gebeten, seither ist es betont still um den koreanischen Brennstoffzellen-Stromer geworden. Von Januar bis Oktober 2021 wurden lediglich 82 Einheiten verkauft, im gleichen Zeitraum konnte selbst Ferrari mehr SF90 zum Stückpreis von über 400.000 Euro absetzen.
Dabei hat Hyundai den Nexo Anfang des Jahres vor allem beim Infotainment-System nochmals nachgebessert. Doch bevor wir zum Innenraum kommen, sollte erst einmal geklärt werden, was das SUV weiterhin so besonders macht. Es ist allen voran die Tatsache, dass der Nexo einer von derzeit nur zwei in Deutschland erhältlichen Wasserstoff-Neuwagen ist. Drei 700 bar Tanks im Unterboden des Fahrzeugs lassen sich mit insgesamt 6,33 Kilogramm gasförmigen Wasserstoff betanken, der in der Praxis dann für rund 450 bis 500 Kilometer Wegstrecke ausreichend ist.
Wie auch beim Toyota Mirai II (Wasserstoffverbrauch kombiniert: 0,89-0,79 kg/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²) sitzt die Brennstoffzelleneinheit unter der vorderen Haube, teilt sich hier aber gleichermaßen den Platz mit dem 163 PS starken Elektromotor. Mit den gebotenen 395 Newtonmeter Drehmoment sprintet das rund zwei Tonnen schwere Gefährt in knapp unter 10 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 177 bis 179 km/h - abhängig von der Bereifung.
Wenngleich die serienmäßige 17-Zoll-Bereifung des frontgetriebenen Hyundai Nexo meist gut mit der sofortigen Leistungsabgabe zurechtkommt, ringen die Vorderräder vor allem bei Nässe um Halt. Insgesamt sportlich-komfortabel abgestimmt präsentiert sich das Stahlfahrwerk des Koreaners, der tiefe Schwerpunkt trägt sein Übriges dazu bei, dass Kurvenkombinationen trotz der sehr synthetisch und entkoppelt wirkenden Lenkung gemütserhellend durchfahren werden können.
Betankt wird der Brennstoffzellen-Stromer derweil wie ein herkömmlicher Verbrenner per Zapfsäule, oftmals integriert in eine ganz normale Tankstelle. Die H2 Mobility GmbH ist hierzulande der größte Wasserstoff-Infrastrukturbetreiber, wobei mit Stand Dezember 2021 91 Anlagen in Deutschland betriebsbereit sind. Doch auch wenn sich die Übersichtskarte langsam, aber beständig mit neuen Versorgungspunkten füllt – als flächendeckend kann das Netz, insbesondere in den anderen europäischen Ländern, noch lange nicht bezeichnet werden.
Während der Tankvorgang als solcher recht simpel ist, erfordert das Suchen einer Wasserstoff-Tankstelle etwas Routine. So hat Hyundai zwar das Infotainment-System des Nexo auf den aktuellen Stand innerhalb des Konzerns gehoben, doch weiterhin kennt die Bordnavigation, das mit Here-Kartenmaterial arbeitet, nicht alle Wasserstoff-Tankstellen und schon gar nicht deren Live-Status. Letzterer ist wichtig, da sich viele Stationen oft tagelang im Wartungsmodus befinden oder schlichtweg defekt sind.
Hierfür benötigt man eine gesonderte Handy-App, die, wie die zwingend erforderliche Tankkarte, von H2 Mobility ausgegeben wird. Angesprochen auf den Verbrauch des Hyundai Nexo zeigte der Bordcomputer zwischen 1,3 und 1,4 Kilogramm Wasserstoff auf 100 Kilometer, wobei wir beim ersten Test des Koreaners 2019 auch Werte um 1,1 Kilogramm für möglich erachteten. Analog dazu kann festgehalten werden, dass Autobahnetappen nicht so stark auf die Reichweite schlagen wie etwa beim rein batteriebetriebenen Elektroauto.
Bleibt noch der Blick in den Innenraum. Mittlerweile Hyundai-typisch ist der Nexo gut verarbeitet, bietet vorne ausreichend Platz für selbst großgewachsene Personen, hinten wird das insgesamt gute Raumangebot durch die fehlende Kopffreiheit für alle über 1,80 Meter aber spürbar eingeschränkt. Der Kofferraum fasst derweil gut nutzbare 462 Liter Gepäck, eine Anhängerkupplung ist indes nicht lieferbar. In Sachen Infotainment gibt es seit dem neuen Modelljahr einen überarbeiteten Zentralbildschirm (12,3 Zoll) mit aktualisiertem Bluelink-Betriebssystem sowie ein neues digitales Kombiinstrument (10,25 Zoll) im Stile der aktuellen Konzerntechnik.
Dort werden beim Abbiegen unter anderem auch die Bilder der Totwinkelkamera eingebunden – ein Feature, das mittlerweile auch bei vielen anderen Hyundai-Modellen Einzug gehalten hat. Etwas enttäuschend fällt dagegen die Leistung der Assistenzsysteme aus. Die Schildererkennung erfolgt im Alltag oftmals nach dem Zufallsprinzip, der Spurhalteassistent arbeitet überkorrekt und teils werden Fahrspuren nur unzureichend erkannt. Ebenfalls ärgerlich: Im Falle einer Reifenpanne fehlt passendes Bordwerkzeug.
Platz für vier, ein ausreichend großer Kofferraum und komfortable Fahreigenschaften: Der Hyundai Nexo bietet viel Auto für einen ebenfalls großen Preis. Mindestens 77.290 Euro muss man sich leisten können und wollen, wobei zwischen den Zeilen immer wieder der ein oder andere Kritikpunkt durchblitzt. An eine synthetische Lenkung und die fehlende Traktion bei Nässe kann man sich gewöhnen, an ein überarbeitetes Infotainment-System, das nicht jede der weiterhin spärlichen 91 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland findet, nicht. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)