Anmerkung der Redaktion: Der Hyundai Nexo wird in Österreich nur an Geschäftskunden mit direktem Bezug zum Thema Wasserstoff vertrieben. Einzelne Angaben im Artikel wurden an die landesspezifischen Gegebenheiten angepasst, das Fazit bezieht sich auf den regulär verkäuflichen Hyundai Nexo in Deutschland.
Berührungsängste mit Wasserstoffantrieben sind jedenfalls in der Theorie fast vollkommen unbegründet. Die vor etwa 15 Jahren vorherrschenden Probleme mit der Einlagerung des flüchtigen Stoffes in Fahrzeugtanks kann man dank druckfesten und hochwertigen Behältern getrost vergessen. Und sogar die Versorgung wird in Österreich mittlerweile besser. Zum aktuellen Zeitpunkt sind landesweit 6 Wasserstofftankstellen registriert, vor allem in Innsbruck, Graz und Wien. Weitere Anlagen folgen und wer beispielsweise in Salzburg wohnt, hat immerhin die Möglichkeit, in absehbarer Zeit in Rosenheim Wasserstoff zu tanken. Doch wie sieht der Alltag mit einem Brennstoffzellenfahrzeug aus? Um das herauszufinden, bekamen wir von Hyundai für zehn Tage einen Nexo.
Für Hyundai ist es ein „alter Hut“
Der Nexo ist nicht die erste Erfahrung der Koreaner mit der Brennstoffzelle. Als unmittelbarer Vorgänger gilt der ix35 FCEV, der bereits seit 2013 als Kleinserie in Korea vom Band lief. Während der ix35 FCEV auf dem mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren angetriebenen ix35 basierte, wurde der Nexo nun bewusst als eigenes Modell konzipiert und ebenso vermarktet. Das macht sich vor allem in der Optik bemerkbar. Mit seiner durchgehenden Tagfahrlichtleiste an der Front und den Klarglasleuchten am Heck sticht der Hyundai Nexo trotz seiner graublauen Lackierung aus der Masse heraus.
Die Optik: Mutig und hochwertig
Das wird er aus Sicht der potentiellen Kunden, die mit 69.000 Euro ein stattliches Sümmchen an den örtlichen Hyundai-Verteiler überwiesen haben, auch dürfen, wenn nicht sogar müssen, um sich vom SUV-Einheitsdesign abzuheben. Der Eindruck des Besonderen setzt sich glücklicherweise im Innenraum fort. Zwei Bildschirme schweben am Armaturenbrett oberhalb einer hoch positionierten Mittelkonsole, die von vielen Knöpfen gesäumt wird. Die Materialanmutung ist im Sichtfeld durchaus hochwertig, im Bereich des Gurtschlosses fiel der kratzempfindliche Kunststoff etwas negativ auf. Ansonsten wirkt das Interieur des Hyundai Nexo auch dank des weitgehenden Verzichts auf Klavierlack-Oberflächen freundlich, hell und aufgeräumt. Das Platzangebot ist für vier großgewachsene Personen gänzlich ausreichend, ebenso der 462 Liter fassende Kofferraum, der ausreichend Platz für mehr als ein verlängertes Reisewochenende bietet (aber mit diesem Wert etwas kleiner ist als der der Verbrennerkonkurrenz).
Das Fahren: Unauffälliger geht es kaum
Wer nach kurzer Sitzprobe den Startknopf betätigt, hört außer einem Warnton naturgemäß: Nichts. Mit dem Elektromotor unter der vorderen Haube beteiligt sich Hyundai nicht an den Leistungsspielchen anderer Hersteller: Solide 120 Kilowatt und 395 Newtonmeter Drehmoment treiben das etwa 1,9 Tonnen schwere SUV an den Vorderrädern an. Für den Sprint auf 100 km/h vergehen 9,5 Sekunden, bei 179 wird elektronisch abgeriegelt. Werte, die im Alltagsbetrieb allemal ausreichen. Zumal die Beschleunigung durch das sofort anliegende Drehmoment und das Einganggetriebe subjektiv einen deutlich stärkeren Eindruck hinterlässt, als es die Werte suggerieren mögen.
Komfortabel, leise, sicher
Im Übrigen fährt sich der Hyundai Nexo, wie sich ein modernes Elektroauto in Form eines vorderradgetriebenen SUV nunmal fährt. Sehr leise, sehr komfortabel, sehr unspektakulär. Die Lenkung zeigt sich weitestgehend frei von Einflüssen des Elektromotors. Nur bei starkem Leistungseinsatz und widrigen Witterungsbedingungen bemerkten wir auch hierüber einen Gripverlust an der Vorderachse. Das Fahrwerk federt überaus kommod und profitiert von der niedrig eingebauten Antriebs- und Tankeinheit. Der Schwerpunkt ist recht tief und verhilft dem Nexo zu einer wahrlich akzeptablen Kurvendynamik. Wohlfühlen kann man sich derweil auch: Die Rundumsicht ist dank der etwas erhöhten Sitzposition und der großen Glasflächen mehr als ordentlich und der Innenraum bietet auch für vier großgewachsene Personen genügend Raum auf sehr bequem gepolsterten Sitzen. Die Bedienung des sehr großen mittigen Bildschirms gelingt entweder mittels Dreh-Drücksteller auf der Mittelkonsole oder praktisch ohne Eingabeverzögerung direkt mittels Touchscreenfunktion. Einzig die Kartendarstellung des serienmäßigen Navigationssystems dürfte für unseren Geschmack etwas moderner ausfallen.
Automatisiert fahren kann der Nexo auch
Durch seinen nahezu geräuschlosen Antrieb gerät der Nexo zu einem überaus unauffälligen Alltagsbegleiter. Ihm fehlt es dabei auch nicht an diversen Assistenzsystemen, die selbigen noch etwas angenehmer machen sollen. Als besonderer Clou dürfen die Totwinkelkameras gelten, die sich selbständig bei Betätigung des Blinkers aktivieren und ihr Bild auf den Bildschirm vor dem Fahrer projizieren. Dies funktioniert auch bei Nässe und Dunkelheit anständig. Ferner verfügt der Nexo über einen Fahrspurassistenten, der ihn in Verbindung mit dem Abstandsregeltempomaten jedenfalls teilautomatisiert über die Autobahn gleiten lässt. Wem das noch nicht reicht, kann den Hyundai Nexo mittels Fernbedienung ohne Einsteigen nach vorne oder rückwärts aus einer Parklücke herausfahren. Und es war lediglich die Lichtautomatik, die in unserem Testwagen nie so arbeitete, wie wir es wollten.
Elektrisch fahren, tanken wie ein Verbrenner
Wer seine ersten 500 Kilometer Langstrecke abgespult hat, kommt mit den maximal 6,33 Kilogramm Wasserstoff fassenden Tanks des Nexo irgendwann zwangsläufig zu der Frage des „Nachtankens“. Der (in Deutschland) momentan pauschal für 9,50 Euro pro Kilo angebotene Brennstoff kann wie eingangs erwähnt an mittlerweile immer mehr Wasserstofftankstellen gezapft werden. Deren Verfügbar- und Funktionstüchtigkeit kann jederzeit auf der Smartphone-Applikation „H2-Live“ eingesehen werden. Auch der Nexo verfügt über eine Liste von verfügbaren Wasserstofftankstellen, hier werden jedoch auch solche aufgeführt, die nicht vom Marktführer H2 betrieben werden. Außerdem gibt der Nexo keinen Einblick darüber, ob die Tankstelle auch tatsächlich funktioniert - dem ist desöfteren nämlich nicht so.
Der Tankvorgang selbst gestaltet sich dabei nicht viel komplexer als das Tanken eines herkömmlichen Verbrenners und dauert - im Gegensatz zum direkt mit Energie gespeisten Elektroauto - auch nur rund fünf Minuten. Mit vollen Tanks erreicht der Nexo eine realistische Reichweite von etwa 580 Kilometern (und kommt damit locker von Innsbruck nach Wien), die sich bei häufigem Pendelverkehr und niedrigen Durchschnittsgeschwindigkeiten sogar noch geringfügig erhöhen kann. Selbst höhere Autobahntempi sind für die Brennstoffzelle offenbar längst nicht so problematisch wie für die mit Akkus bestückten Elektroautos. Wir maßen mit häufigem Autobahneinsatz einen Durchschnittsverbrauch von 1,1 Kilogramm Wasserstoff pro 100 Kilometer.
Lohnt sich der Hyundai Nexo?
Doch lohnt sich das für Umwelt und Geldbörse? Für letztere würden wir die Frage noch mit einem vorsichtigen „Nein“ beantworten. Dafür ist alleine der Einstandspreis des Nexo in Deutschland mit mindestens 69.000 Euro zu hoch. Hinzu kommen die Kosten für den Betriebsstoff selbst, die eine Tankfüllung mit Wasserstoff in etwa so teuer machen wie die eines herkömmlichen Verbrennerfahrzeugs. Ein Nachteil ist zudem die österreichweit unterschiedlich begrenzte Verfügbarkeit des Wasserstoffs, was dazu führen kann, dass zum Tanken schonmal mehrere hundert Kilometer zurückgelegt werden müssen. Dieser Umstand ist auch Hyundai bewusst und daher bietet man den Nexo in Österreich nur Firmenkunden mit direktem Geschäftsbezug zum Thema Wasserstoff an.
Fazit
Und auch das Thema Umwelt sollte man differenziert betrachten. Denn die Gewinnung des Wasserstoffs erfolgt zum aktuellen Zeitpunkt (je nach Quelle mehr oder weniger) über fossile Energieträger (Kohle, Rohöl und Erdgas) und gerade nicht mittels regenerativer Energien. Das soll sich zwar mit der Zeit ändern, doch momentan ist es die lokale Emissionsfreiheit, die für ein Brennstoffzellenfahrzeug wie den Hyundai Nexo spricht. Sein unschlagbarer Vorteil - insbesondere für die Langstrecke - ist die des stressfreien Nachtankens von mehreren 100 Kilometern Reichweite innert kürzester Zeit. Das dürfte bei einem herkömmlichen Elektroauto auch in ein paar Jahren noch nicht zum Standard werden. Wer sich über die Verfügbarkeit keine Gedanken machen muss, weil er in der Nähe einer Wasserstoff-Tankstelle wohnt, gerne und häufig weitere Strecken mit dem Auto elektrisch zurücklegen möchte und das nötige Kleingeld hat, für den ist die Brennstoffzelle tatsächlich die erste Wahl. (Text und Bild: Maximilian Planker)
Technische Daten*
- Modell: Hyundai Nexo FCEV Fuel Cell
- Motor: Elektromotor (Permanentmagnet-Synchronelektromotor)
- Leistung: 163 PS (120 kW)
- Drehmoment: 395 Nm
- Antrieb: Vorderradantrieb, 1-stufiges Reduktionsgetriebe
- Verbrauch: kombiniert 0,95 kg H2/100 km
- CO2-Emission: kombiniert 0 g/km
- Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 9,5 s
- Höchstgeschwindigkeit: 179 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,67 m/ 1,86 m/ 1,64 m
- Gewicht: 1.889-1.948 kg
- Grundpreis in Deutschland: 69.000 Euro
*Herstellerangaben