Der Hyundai Ioniq 5 N* auf einen Blick
- Performance-Elektroauto mit bis zu 650 PS
- Große Akkukapazität mit 84 kWh
- Künstlicher Motorsound simulierte Gänge
- Adaptive Dämpfer mit Quersperre
- Grundpreis ab 74.900 Euro
*(Stromverbrauch kombiniert (WLTP): 21,2 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km; Elektrische Reichweite kombiniert: bis zu 448 km; CO2-Klasse: A)²
Hyundai Ioniq 5 N – wie kriegt man große Gefühle in ein E-Auto?
Für BMW ist M der mächtigste Buchstabe der Welt. M wie Motorsport. Erst so legendäre Autos wie M1, M3 und M5 haben die bayerischen Autobauer zu dem gemacht, was sie sind: Die blauweiße Freude-am-Fahren-Fraktion, die weltweit begeistert. Für Hyundai ist N der mächtigste Buchstabe. Ihre besonders sportlichen N-Modelle (i20, i30) haben sich eine kleine, aber feine Fangemeinde erobert – und jetzt soll der elektrische Ioniq 5 N in die Herzen aller Sportwagenfreunde fahren. Und das, obwohl er einen Geburtsfehler hat: Dieser Hyundai ist ein Elektroauto. Kann er die ganz großen Gefühle wecken?
N steht für Namyang, das Entwicklungszentrum der Hyundai Motor Group unweit von Seoul. Aber auch für den Nürburgring und da für die legendäre Nordschleife. Immer noch die Maßeinheit für echten Motorsport. Gleich zwei N finden sich im Namen ihres Schöpfers, wenn auch erst am Ende. Albert Biermann war einst Entwicklungschef bei M, bevor er zum koreanischen Fahrzeugbauer wechselte. Sechs Jahre aktiv, dann als technischer Berater tätig, hat er Hyundai vor allem auf der sportiven Seite entscheidend mitgestaltet. Der Ioniq 5 N war sein letztes Baby. Und vielleicht war diese Geburt auch die schwierigste seines Entwickler-Lebens. Wie kriegt man die Emotion in ein Elektroauto? So lautete die Fragestellung. Denn an der Leistung von elektrischen Fahrzeugen liegt es bis dato nicht, warum sie noch nicht so richtig gezündet haben. Power steht im E-Zeitalter schließlich im Überfluss zur Verfügung. 1.000 PS und 1.000 Newtonmeter Drehmoment - das ist wie beim Metzger. Darf es a bisserl mehr sein? Bitte sehr, bitte gleich. Doch um den gemeinen Petrolhead restlos zu begeistern, müssen die Techniker noch ein weniger tiefer in den schwarzen Zylinder greifen. Fehlende Triebwerksemotionen werden da teilweise durch digitale Tricks ausgeglichen. Für manch Sportfahrer vielleicht ein Tabubruch.
Sound-Option: Achtzylinder-Verbrenner oder Düsenjäger
Erstens muss Stille in Klang verwandelt werden. Drei künstliche Klänge stehen im Ioniq 5 N zur Verfügung. „Ignition“, „Evolution“ und „Supersonic“. Wie der Name schon sagt, ahmt ersterer einen veritablen Achtzylinder nach, der zweite ist eine Mischung aus Sphärenklängen und Geräuschen aus dem All, während Supersonic an einen Überschall-Jet erinnert. Ab und zu hört man einen hohlen Schlag wie auf einen umgedrehten Blechkübel. Die Schallmauer. Aha, da wären wir nie draufgekommen. Übertragen werden diese Geräusche durch acht Lautsprecher im Innenraum und zwei für außerhalb. Einer vorne, einer hinten. Draußen hört man allerdings so gut wie nichts, die Passanten zeigen sich zumindest vom künstlichen Verbrenner-Geräusch unbeeindruckt. Und auch die eigene Hörprobe am Fahrzeug stehend erzeugt keine Gänsehaut, als der Kollege den Motor im Leerlauf mehrmals hochdrehen lässt. Innen Hölle, außen Stille.
Zweitens haben die Ingenieure von Hyundai ein virtuelles Doppelkupplungsgetriebe angelegt, mit mechanischen Schaltwippen. Wie beim Verbrenner stehen im sogenannte E-Shift-Modus acht Gänge zur Verfügung. Dabei beschleunigen die beiden E-Maschinen so, als ob ihre Power von Verbrenner-Drehzahlen abhängig wären. Das System, das dahintersteckt, ist so ausgefuchst, dass sogar die Zugkraftunterbrechung beim Gangwechsel nachgemacht wird. Selbst einen Drehzahlbegrenzer gibt es. Der Antrieb ist quasi ein digitaler Zwilling der guten alten Verbrennerwelt. Und klingt auch so. Da sprutzelt und spratzelt es, da röhrt und trompetet es aus den nicht vorhandenen Auspuffrohren. Beim Runterschalten wird die bis zu 0,6 g starke Rekuperation so eingesetzt, dass man glaubt, eine Motorbremse zu haben. Die Menschheit will betrogen werden, also betrügen wir sie – das wussten schon die alten Römer.
Test auf der Rennstrecke: Was kann der Ioniq 5 N wirklich?
Ortstermin auf der Rennstrecke Castellolí bei Barcelona. Erst mal die Launch-Control ausprobieren. Wir haben uns in weiser Voraussicht das Frühstück gespart, der 770 Newtonmeter-Drehmoment-Punch in die Magengrube bleibt deshalb folgenlos. 448 kW/609 PS bringt der Ioniq 5N normalerweise auf die Straßen, dank der hervorragenden Traktionskontrolle auch ziemlich sauber. In 3,5 Sekunden fällt die Tempo-100-Marke (0-200, 12,1 s). Wir bleiben auf dem Fahrpedal, um dann ruckartig das Bremsvermögen der fetten Scheibenbremsen (400 und 360 mm dick) zu testen. Stillstand. Dann geht’s in den 4.146 Kilometer langen Rundkurs mit seinen sieben Rechts- und vier Linkskurven.
Das Besondere an Castellolí: Hier geht es bergauf und bergab (9 Grad rauf, 8 Grad runter). Wir schalten in den E-Shift-Mode und schon nach kurzer Zeit ist das Gefühl weg, in einem Simulator auf vier Rädern zu sitzen. Sauber den Gang runterschalten, im Scheitel Vollgas herausbeschleunigen, einmal ziehen an der Wippe, zweimal ziehen und sauber nach oben schalten. Volle Lotte Speed. Hilfreich ist in der Geraden dabei der Grin-Boost. Ja – er hat tatsächlich, was mit Grinsen zu tun. Denn für zehn Sekunden kitzelt er sogar 458 kW/650 PS aus den beiden E-Maschinen. Warp-Time.
Reichweite: 448 Kilometer oder zwei Mal die Nordschleife
Technisch ist der Ioniq 5 N jedenfalls gut ausgerüstet für die Rennstrecke: Adaptive Dämpfer, hinten eine elektronische Quersperre, Drehmoment-Verschiebung zwischen Vorder- und Hinterachse, Bremseingriffe, um die Kurvendynamik zu erhöhen. Dazu kommt eine ausgefeilte Aerodynamik mit einem Kühlergrill, der normalerweise im üblichen Betrieb geschlossen ist, aber die Lamellen auch öffnen kann, um die Batterie zu kühlen. Denn wenn sie zu heiß wird, büßt sie (wie auch bei Kälte) Leistung ein. Und von der Reichweite her, sollte der Ioniq 5 N mindestens zwei Mal die Nürburgring Nordschleife (rund 42 km) unter Volllast schaffen.
Normalerweise soll man mit dem 84 kWh starken Akku bis zu 448 Kilometer weit fahren können. Wie die zivile Version wird die Batterie über ein 800-Volt-System im Bestfall in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufgeladen. Wie erkennt man den rund 75.000 Euro teuren Hyundai Ioniq 5 N? Er ist ein bisschen tiefer und steht insgesamt spürbar bulliger auf der Straße. Sportliche Akzente wie der Heckdiffusor schärfen das Bild ebenfalls nach. Das klassische N-Rot wird derweil von einem kräftigen Orange als Akzent-Farbe abgelöst. Im Innenraum gibt es gut geformte Sportsitze und ein paar neue digitale Track-Spielereien - sonst unterscheidet sich das Innenleben wenig von einem "zivilen" Ioniq 5.
Erstes Fazit
Der Ioniq 5 ist wirklich eine verrückte Kiste. Man kann das Elektroauto wie einen Verbrenner schalten. Mit der Soundkulisse eines gestandenen V8 nebst Sportauspuffanlage. Sogar einen (virtuellen) Drehzahlbegrenzer gibt es. Die (fast) perfekte Illusion. Ein echter Sportwagen ist der Hyundai nicht. Da fehlt die tiefe Sitzposition und die Vibration eines echten Sechszylinder-Boxer oder V8 lässt sich auch nicht einfach so digital inszenieren. Insofern hat der Ioniq 5 zwar unsere Gefühle geweckt, aber unser Herz hat er nicht erobert. Jedenfalls noch nicht ganz. (Text: Rudolf Bögel | Bilder: Hersteller)
Technische Daten - Hyundai Ioniq 5 N*
Modell | Hyundai Ioniq 5 N |
Motor | 2x Elektromotoren |
Max. Systemleistung | 478 kW/650 PS |
Drehmoment | 770 Nm |
Antrieb | Allrad, 1-Gang-Getriebe |
Batterie | 84 kWh Lithium-Ionen |
Ladeleistung max. AC/DC | 11/240 kW |
Stromverbrauch kombiniert | 21,2 kWh/100 km² |
CO2-Emissionen kombiniert | 0 g/km² |
CO2-Klasse | A² |
Elektrische Reichweite kombiniert (WLTP) | ca. 448 km² |
Beschleunigung (0–100 km/h) | 3,4-3,5 s |
Höchstgeschwindigkeit | 260 km/h |
Abmessungen (L/B/H) | 4,72 m/1,93 m/1,59 m |
Kofferraumvolumen | 480-1.540 Liter |
Anhängelast | k. A. |
Gewicht | ca. 2.275 kg |
Grundpreis | ab 74.900 Euro |
*Herstellerangaben