Dem Kleinwagensegment geht langsam, aber sicher die Puste aus. Ford streicht Mitte 2023 den Fiesta, Audi stellt den A1 ein und Volkswagen zweifelt laut am Fortbestand des Polo. Wie schaut es bei Hyundai aus? Die Koreaner werden spätestens mit der Einführung der neuen Abgasnorm Euro 7 ab 2025 ihr Modell- und Motorenprogramm weiter straffen. Dass Rabauken wie der 204 PS starke Hyundai i20 N (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,0 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 158 g/km)² ohne teilweise Elektrifizierung überleben, scheint unwahrscheinlich.
Falls das benzingetriebene Kompaktwagensegment bei Hyundai dem anstehenden Streichkonzert standhält, dann nur mit Motoren wie dem 1,0-Liter-Dreizylinder-Turbo, der um eine Mild-Hybrid-Einheit erweitert wurde. Zwischen 100 und 120 PS leistet der 48V-Dreiender im Hyundai i20 (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 5,6-5,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 128-123 g/km)², wobei die stärkste Ausbaustufe den Ausstattungslinien Prime und N Line vorbehalten ist. Letztere kostet, mit dem im Testwagen verbauten 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, nicht unerhebliche 27.035 Euro und damit sogar 1.375 Euro mehr als der „echte“ N.
Die Sache scheint also klar: Die Unterschrift wandert auf den Kaufvertrag für den emotionaleren i20 N. Oder doch nicht? Denn anders als der brettharte Sportskollege erwies sich das 84 PS schwächere Geschwisterchen als uneingeschränkt alltagstauglich. Eine halbdynamische Optik inklusive. Wer nun die Nase ob des Dreizylinders rümpft, sollte wissen, dass auch eine zukünftige Ikone wie der Ford Fiesta ST (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 6,6 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 149 g/km)² zuletzt nur eine ungerade Anzahl Brennräume zu bieten hatte. Mit seinen 120 PS geht der kleine Turbo derweil quirlig zur Sache, mehr noch tragen die 200 Nm ab 2.000 U/min dazu bei, dass ansprechende Fahrleistungen zustande kommen. Das hat auch Auswirkungen auf den Testverbrauch: Zügig erfahrene 7,5 Liter auf 100 Kilometer sind nicht gerade wenig, zeigen aber auch, dass man mit dem kleinen Koreaner gerne flotter unterwegs ist.
Wer dem Hyundai i20 N Line die Sporen gibt mag nicht glauben, dass aus dem Stand auf Tempo 100 mehr als 10 Sekunden vergehen. Die Höchstgeschwindigkeit mit Automatik ist bei 185 km/h erreicht. Grund zur Kritik bieten diese Fahrwerte im normalen Straßenverkehr nicht, nur das Zusammenspiel aus Benziner, 48V-Technik und dem Doppelkuppler sollte bei einer Probefahrt länger einwirken. Die Spritspartechnik schaltet selbst im Sportprogramm ungewohnt früh den Verbrenner ab, teils noch, wenn das Gaspedal einige Millimeter auf Vortrieb getrimmt ist. So ergeben sich ungeschliffene Fahrmomente, die sicherlich nicht sein müssten.
Anders als der große Bruder mit optionalem Performance-Zusatz, verzichtet die i20 N Line auf eine Sperre an der Vorderachse. Macht aber nichts. Denn trotz der fehlenden Technik lässt sich der gut 1,3 Tonnen schwere i20 ordentlich in die nächste Biegung zwiebeln. Die Lenkung sehr direkt, mit deutlichen Antriebseinflüssen beseelt, beschönigt nichts, wirkt dadurch aber auch nicht aufgesetzt oder gar synthetisch. Wer es am Kurveneingang übertreibt, erntet gut kontrollierbares Schieben über die Vorderräder, Traktions- und Stabilitätskontrolle lassen sich in zwei Stufen deaktivieren.
Und endlich: Ein Hyundai ohne kritikwürdiges Fahrwerk. Jung und wild gebliebene dürfen gerne zum hölzernen i20 N greifen, die N Line hingegen trifft subjektiv betrachtet genau den Mittelweg aus Performance und Komfort. Wie der knapp vier Meter lange Kompaktwagen auf guten Asphaltbändern abrollt, ist schon eine Schau. Doch auch schlechte Wege, grobes Flickwerk und Querfugen werden noch ausreichend kommod gemeistert. Auf längeren Etappen sitzt es sich in den leicht konturierten Sitzen bequem, Beifahrerin oder Beifahrer müssen allerdings auf eine Höhenverstellung verzichten. Gleichermaßen hätte Hyundai sich den wenig wohlklingenden Sportauspuff der N Line sparen können, dessen Geräuschintensität nicht an einen speziellen Fahrmodi gekoppelt ist.
Weiter im Text mit dem Innenraum. Hier fährt Hyundai gewohnten Kleinwagen-Chic auf. Sprich: Nichts Besonderes, aber immerhin gut verarbeitet. Etwas mehr Liebe zum Detail zeigen nur die roten Ziernähte der N Line, die sonst auf tristen Kunststoff treffen. Keine Spielereien bei der Bedienung: Echte Knöpfe, echte Schalter, ein anständiges Infotainment-System. Hier fällt das Beklagen schwer. Wobei es der Hyundai-Konzern endlich schaffen dürfte, allein schon wegen der mittlerweile stattlichen Summen, die bezahlt werden sollen, auf eine kabellose Smartphone-Integration umzustellen.
Wenngleich es sich vorne auch für Menschen über 1,90 Meter gut sitzen lässt, sind die Platzverhältnisse im Fond klassenüblich limitiert. Der Mild-Hybrid knapst zudem einen Teil vom Kofferraum ab, der bei den 48V-Varianten nur zwischen 262 und 1.075 Liter fasst. Und was sprechen die Assistenzsysteme? Es gibt eine echte Handbremse und einen Zündschlüssel zum Reinstecken, Umdrehen und Zünden. Alles andere – hier vor allem der Spurhalteassistent – lässt sich glücklicherweise leicht deaktivieren.
Ansprechende Fahrleistungen, ein schnittiger Auftritt und die umfangreiche Ausstattung lassen kaum Wünsche übrig: Der Hyundai i20 N Line ist mehr als ein einfacher Alltagsbegleiter – er bereitet wahrlich Fahrfreuden. Echte Tracktool-Fans greifen weiterhin zum brettharten i20 N (Performance), alle anderen sind bestens mit der N Line bedient. Ein entscheidender Nachteil bleibt allerdings: Die Kompaktklasse ist, anständig ausgestattet, auch bei Hyundai mittlerweile schlicht zu teuer geworden. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
*Herstellerangaben