Strenggenommen schreiben wir hier über ein altes Auto. Denn den Honda Civic gibt es in den USA bereits in elfter Generation zu kaufen, wohingegen hierzulande noch die zehnte Auflage bei den Händlern steht. Doch soll uns diese Tatsache erst einmal nicht weiter stören. Denn der noch aktuelle Civic mit großem Spoilerwerk (gibt es als Type R S auch ohne) und rotem Sportabzeichen dürfte einer der wohl letzten echten Hot Hatches auf dem Markt sein. Weder weichgespült noch aufgesetzt zeigt der Japaner, wie sich Sportlichkeit im Automobilbau eigentlich anfühlen sollte. Wer nun eine bockharte Kiste vor Augen hat, die nach 100 Kilometern Fahrt das Aufsuchen eines Chiropraktikers erfordert, liegt allerdings falsch.
Das serienmäßige Adaptivfahrwerk wurde nach dem Facelift zwar eine Spur verbindlicher, bleibt aber breit aufgestellt, verfügt über drei Härtegerade und ist selbst im schärfsten „R-Fahrmodus“ nie so knochentrocken wie manch Münchner Produkt bereits in der Komfortstellung. Es bereitet große Freude wie der Honda Civic Type R (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,7 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 177 g/km²) Bodenwellen schluckt, Querrillen meistert und dank der ausgeklügelten Fahrwerksgeometrie in der Kurve liegt. Nicht umsonst war der Type R zwischen April 2017 und April 2019 mit einer Rundenzeit von 7:43:80 Minuten der schnellste Fronttriebler auf der Nürburgring Nordschleife.
Selbstredend verdienen auch die aufgezogenen Continental Sport Contact 6 Pneus im 20-Zoll-Format einen Teil des Lobs, liegt deren Griplevel einfach auf einem solch hohen Niveau, dass man schon groben Unfug treiben muss, um ins Kurvenaus getragen zu werden. Die Lenkung ist feinfühlig und rückmeldungsstark und lässt dich stets spüren, was die Antriebsräder gerade machen. Die Tendenz zum Untersteuern ist nur minimal gegeben.
Der hohen Kurvengeschwindigkeit ebenfalls zuträglich ist das serienmäßige mechanische Vorderachsdifferenzial, welches den Type R förmlich in die Kehre hineinsaugt. Ein schier suchterzeugendes Schauspiel, was man vom nervtötenden Auspuffraunen eher nicht behaupten kann. Es passt nicht zum sonst feudalen 2,0-Liter-Vtec-Turbo, der 235 KW/320 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment stemmt und damit über eine beachtliche Literleistung von 160 PS verfügt.
Die Kraftentfaltung ist sehr linear, fein zu dosieren und selbst im niedertourigen Bereich steht der Vierzylinder ordentlich im Futter. Ein Turboloch kennt der Japaner nicht. Gekoppelt ist das Triebwerk an ein sehr gutes Sechsgang-Handschaltgetriebe, dessen Schaltwege kurz und die Gassenführung ausreichend präzise ausfallen. In Kombination ergibt sich, egal ob auf Landstraßen oder Autobahnen, ein sehr überlegenes Fahrverhalten, dem nur wenige andere Verkehrsteilnehmer Paroli bieten können.
Dass der Honda Civic Type R in unter sechs Sekunden auf Tempo 100 eilt und maximal 270 Stundenkilometer erreicht, mögen ihm manche nicht zutrauen. Auch die eigene Brembo-Bremsanlage tut beinahe überrascht, wenn doch einmal eine Vollbremsung aus solchen Geschwindigkeiten nötig ist. So bedarf es viel Nachdruck, um die Fuhre passabel zum Stehen zu bekommen. Es stellt sich ein gewisses Fadinggefühl ein.
Recht lange lässt sich der Honda ohnehin nicht so schnell fahren, denn die Füllstandanzeige des winzigen, nur 46 Liter fassenden Kraftstofftanks ermahnt bei einem Durchschnittsverbrauch jenseits der zehn Liter auf 100 Kilometer früh zum Nachtanken.
Der Blick in den Innenraum offenbart derweil Licht und Schatten. Die sehr bequemen Sportsitze sind definitiv ein Highlight des Type R Interieurs, genauso wie der griffige Aluminiumschalthebel (der sich im Sommer leider zu sehr aufheizt). Auch das in Alcantara ausgeführte Sportlenkrad liegt gut in der Hand, die Sitzposition könnte aber insgesamt eine Spur tiefer ausfallen. Die Verarbeitung geht in Ordnung, wenngleich die frequente Abgasanlage dafür sorgt, dass es teils zu dauerhaft unschönen Vibrationsgeräuschen kommt.
Wer sich für einen Honda Civic Type R interessiert sollte auch wissen, dass das Infotainment-System zwischen vorgestern und gestern hängengeblieben ist. Ja, die Navigation bringt dich ans Ziel. Nein, Radiosender lassen sich alles andere als einfach einstellen. Auch die gereichte Soundanlage ist eher von rudimentärer Qualität – wenn man ob des Kabinenlärms überhaupt etwas hört.
Der Honda Civic Type R muss sich einer rundum erneuerten Konkurrenz stellen. Kaum ein Kompaktsportler ist so lange im Programm wie der Japaner. Das hat klare Vor-, aber auch entscheidende Nachteile. Für den Type R spricht definitiv sein unverfälschter Sportcharakter, das superbe Fahrwerk sowie die sehr starke Motor-Getriebekombination. Deutlich ins Hintertreffen gerät der Honda dagegen im Innenraum und beim Infotainment. Dass auch die laute, wenig sonor klingende Abgasanlage kein Quell an Fahrfreude ist, sollte insbesondere Daily Driver aufhorchen lassen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)