Der Familienrat hat mich nun endgültig überzeugt. Mich, den alten Verbrennerhaudegen, der früher lieber dreimal auf der Strecke Frankfurt-München nachgetankt hätte, als auf den Spritverbrauch zu achten. Ein Elektroauto soll angeschafft werden. Der alte Benziner in der Garage kostet im Jahr immer mehr Geld in Form von Unterhaltskosten und stetig anfallenden Reparaturen.
Er wird auf der von der Dame des Hauses täglich gefahrenen Strecke von fünf Kilometern nicht warm, was weder gut für die laufenden Verschleißteile ist, noch für die Umwelt. Die Arbeitsstelle bietet nun kostenlose Lademöglichkeiten für Elektroautos der Mitarbeiter. Und das Leasing erscheint dank aktuell großzügig gewährter monetärer Unterstützung staatlicher Stellen auf den ersten Blick ebenfalls attraktiv.
Nur: Was soll es werden? Der neue Fiat 500e (Stromverbrauch kombiniert: bis zu 14,9 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²) macht dem weiblichen Geschlecht große Kulleraugen und selbst ich muss gestehen: Das sieht gut aus, was die Damen und Herren aus der Fabbrica Italiana Automobili Torino aus dem bisherigen 500er gemacht haben.
Feine Änderungen an Front und Heck schärfen das Design an den entscheidenden Stellen geschickt nach und verleihen dem 500e einen perfekt austarierten Look aus Retro und Moderne. Und im Inneren zieren feine Details die Tatsache, dass sich die Italiener ihrer Herkunft stets bewusst sind und das ganz bewusst nach Außen zelebrieren.
Rein technisch macht das Ganze ebenfalls einen soliden Eindruck. Der 42 kWh große Akku liefert Energie für den 87 kW/118 PS starken Elektromotor, der die Vorderräder antreibt und mit dem 500e leichtes Spiel hat. Die in Deutschland bereits für derzeit 23.560,00 Euro erhältliche Variante "Action" werden hierzulande vermutlich eher wenige Interessenten wählen.
Mit eher schmalbrüstiger Ausstattung und einem wirklich kleinen 23,8 kWh starken Akku richtet sich diese allenfalls an ausschließliche Stadtfahrer, die zuhause laden können.
Der "Icon" soll hingegen nach WLTP bis zu 320 Kilometer weit kommen. Dies erschien uns in unserem Test bei normaler Fahrweise als zu optimistisch: Die Reichweitenanzeige zeigte bei voller Akkuladung maximal 260 Kilometer an, die man auch wirklich abspulen kann. Mit dem sogenannten "Sherpa"-Modus, der die Leistung und die Höchstgeschwindigkeit auf maximal 80 km/h reduziert, mögen es etwas mehr sein.
Doch wahrer Fahrspaß kommt nur im Normalmodus auf. Leider erfolgt hier keine automatische Rekuperation. Diese gibt es nur im sogenannten "Range"-Modus, dem mittleren der drei Fahrmodi, der die Leistung wiederum etwas reduziert.
Hier kann der Fiat jedenfalls im Sprint auf 50 km/h elektrotypisch fast alle anderen Verkehrsteilnehmer locker hinter sich lassen. Das macht man nicht oft, ist aber witzig und sorgt für ordentliche Grinsmomente hinter dem Volant.
Auch Lenkung und Fahrwerk sind für alle städtischen Anforderungen perfekt - spielend leicht lässt sich der 500e durch engste Gassen zirkeln und mit der passenden musikalischen Untermalung fühlt man sich flugs nach Turin versetzt - selbst wenn man eigentlich gerade durch Groß-Gerau fährt.
Diesen Eindruck verstärken die mannigfaltigen Details im Innenraum. Angefangen bei den Sitzen mit klassisch designtem Stoffbezug, die dank weitem Verstellbereich auch für große Personen über 1,90 Meter eine gute Sitzposition zu bieten haben. Sie lassen sich auch endlich weiter richtung Fahrbahn verstellen.
Selbst das Lenkrad lässt sich sowohl horizontal als auch vertikal an die Größe der Lenkenden anpassen. Der Ur-Cinquecento auf den Türtafeln, die Skyline von Turin in der induktiv ladenden Handyablage und der Verzicht auf einen Mitteltunnel machen Spaß und verbessern das Raumgefühl erheblich.
Weniger verstanden haben wir hingegen den Kniff mit den auf Knopfdruck öffnenden Türschlössern im Innenraum. Auch das Mittendisplay ist zwar schön groß und hochauflösend gestaltet, die Bedienung allerdings fiel aufgrund der teilweise verschachtelten Menüführung und den teils winzig beschrifteten Schaltflächen etwas schwer - alleine für das Suchen und Finden der Uhrzeit brauchten wir im Fahrbetrieb gefühlt 30 Sekunden.
Gut, dass zumindest die Klimatisierung eine eigene Reihe physischer Schalter erhielt. Ebenfalls gut: Die kabellose Anbindung von Apple CarPlay.
Um noch einmal auf den Fahreindruck zurückzukommen: Auf der Autobahn machte uns der Cinquecento weniger Freude: Zum Einen verschlechterte sich oberhalb von 120 km/h die Leistungsentfaltung analog zum Stromverbrauch, sodass wir der Reichweite beim Schmelzen zusehen konnten.
So gefahren kamen wir auf einen Durchschnittsverbrauch von knapp 20 kWh pro 100 Kilometer, was eine realistische Reichweite auf der Autobahn von knapp 200 ergibt. Zu wenig für die Langstrecke, selbst wenn der 500e dank CCS-Port Zugang zu Schnellladesäulen erhält und dort mit bis zu 85 kWh geladen werden kann. An der städtischen AC-Säule war der 500e nach knapp drei Stunden wieder vollgeladen.
Doch auch die direkt abgestimmte Lenkung sorgte auf der Autobahn für Verdruss, denn sie ändert bei höheren Tempi weder Gewichtung noch Direktheit. Das führt dazu, dass selbst kleinste Korrekturen zu groben Schlenkern führen. Dies fördert auf der Autobahn Unsicherheiten, die in einem kleinen Auto ohne nennenswerte Leistungsreserven nicht angebracht sind.
Wer also nicht plant, den 500e auf längeren Strecken einzusetzen, der dürfte doch mit ihm bestens bedient werden, oder? Definitiv. Ernsthaft Negatives haben wir in unserer Testphase nicht finden können. Der Nuova 500 fährt knackig, macht Freude beim Zusehen und bietet in der Stadt absolut ausreichende Reichweite, um mehrere Tage ohne Nachladen durch die Gegend fahren zu können. Dass er jetzt trotzdem nicht in unserer Garage steht? Ich habe das Preis-Veto im Familienrat einlegen können. Für ein reines Stadtauto ist der Cinquecento schlichtweg zu teuer. (Text und Bild: Maximilian Planker)