Bösartig, boshaft, garstig, unbarmherzig, teuflisch, ordinär – es gibt viele Wörter, die auf den Dodge Charger SRT Hellcat zutreffend erscheinen (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 14,7 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 395 g/km²). Es sind Wörter, die allen voran den 6,2 Liter großen HEMI V8 mitsamt seines 2,4 Liter (!) großen Kompressors beschreiben. Kein deutsches, kein europäisches und kaum ein amerikanisches Auto ist in seiner Machart derart roh und peinigt so genussvoll die aufgezogenen Allwetterreifen (dazu später mehr) im rundherum 305er XXL-Format.
Eigentlich könnte ich den Testbericht an dieser Stelle beenden, gleichzeitig noch auf die Fahreindrücke des beinahe gleichbauenden Challenger SRT Hellcat von vor zwei Jahren verweisen und noch gezielt hinterherschieben, dass die Tage solcher Autos auf jeden Fall gezählt sind. Doch ist da noch ein wenig mehr zwischen Himmel und Hölle, was mich beim Charger bewegt hat. Beginnen wir mit der Tatsache, dass Autobauer Dodge, über seinen Generalimporteur AEC Europe, eine unverbindliche Preisempfehlung für die viertürige Hellcat von gerade einmal 88.990 Euro ausweist.
Weiterhin viel Geld, keine Frage. Allerdings erhält man dafür satte 527 kW/717 PS in Tateinheit mit 881 Newtonmeter Drehmoment. Kein werksseitiger Audi, kein werksseitiger Mercedes bietet mehr Power und erreicht gleichzeitig eine Höchstgeschwindigkeit von 322 km/h. Zwischen den Zeilen muss allerdings erwähnt werden, dass die 3,7 Sekunden von null auf Tempo 100 beim samstagabendlichen Stammtisch kaum für eine Topplatzierung reichen und die süddeutsche Konkurrenz dem einzig hinterradgetriebenen Kollegen hier bereits mehrere Zehntel abnimmt.
Weniger paradeverdächtig ist auch, dass der etwas mehr als zwei Tonnen schwere Charger ab Werk auf Pirelli P Zeros mit Allwetterkennung steht. Mit ihnen tänzelt die 5,10 Meter lange Limousine in etwa so grazil durch Biegungen, wie ein Elefant auf Rollschuhen. Dabei bringt das elektronisch verstellbare Billstein-Fahrwerk durchaus kurvenräubernde Qualitäten mit, die sich, ob der stets schmierenden Reifen, jedoch nicht wirklich erfahren ließen. Übersteuern in allen Formen ist das, was der Charger Hellcat mit Bravour beherrscht – selbst auf gerader Strecke. Da muss es eigentlich kaum noch erwähnt werden, dass das Fahrverhalten auf leicht nasser Fahrbahn nur noch anspruchsvoller wird.
Zwar könnte man es an regennassen Tagen auch beim Ökosetting mit nur 500 PS (nach US-Norm) belassen, doch die Testtage sind knapp bemessen und das Monster im Bug klingt einfach zu gut, um es im Teillastbereich nur etwas warmlaufen zu lassen. Dabei ist es die von AEC ab Import-Hafen Antwerpen nachgerüstete Klappenanlage, die aus der Höllenkatze auf Knopfdruck eine akustische Bestie werden lässt. Es tönt nach allen Regeln der Kunst und selbstverständlich TÜV-konform. Ob man den deutschen Ordnungshüter in seinem Diesel-Touran allerdings bei offener Klappe mit einem Zwischengasstoß grüßen sollte, lasse ich an dieser Stelle einmal dahingestellt. Besser ist es, das blitzschnelle ZF-8-Gang-Torqueflite-Getriebe eine Fahrstufe höher zu schalten.
Im Bereich zwischen 50 und 60 km/h fällt das V8-Gekreische kurz in sich zusammen (irgendwelche Geräuschregularien mussten eben doch eingehalten werden), um dem respekteinflößenden Surren des Kompressors die Oberhand zu gewähren. Wäre die in blechgegossene Hellcat ein Tier, es würde gewiss nicht im Streichelzoo ausgestellt, sondern als Trophäe für eine Großwildjagt dienen. Politische Korrektheit kennt der Dodge Charger SRT Hellcat so gut wie nicht und so ist es auch egal, dass der Bordcomputer Momentanverbräuche nur aufgerundet, ohne Kommastelle anzeigt. Wer im Kopf die Formel 70 Liter (Tankvolumen) geteilt durch 20 Liter (Druchschnittsverbrauch) verinnerlicht, ist immerzu auf der sicheren Seite.
Aber man kann es auch positiv sehen: 350 Kilometer Reichweite sind mehr als viele moderne Elektroautos zu bieten haben. Es ist halt immer der Standpunkt, der definiert, ob man moralisch richtig oder falsch liegt. Deutlicher auf der falschen Seite stehen die Amis, wenn es um den Innenraum geht. Ja, die belederten Sofa-Sportsessel sind bequem, das war es dann aber auch schon mit den positiven Aspekten. Die Plastiklandschaft wirkt ein wenig traurig, das Volant mit seinen merkwürdigen Schaltpaddels liegt in der Hand wie ein Buslenkrad und das Infotainment-System gehört dringend (sehr dringend!) überarbeitet. Die Uconnect-Navigation mag die ewig geraden Strecken des mittleren Westens kennen, im oberbayerischen Niemandsland streicht es dagegen die Segel und leitet Höllenkatze nebst Fahrer auf Radwege und gesperrte Privatstraßen. Aber irgendwo muss der günstige Preis ja herkommen.
Gefragt nach Assistenten ist mir einzig der Totwinkelwarner in Erinnerung geblieben. Ansonsten bleibt der Dodge, der zur Basis weiterhin die Daimler-Chrysler-Plattform der E-Klasse aus den 1990er Jahren hat, ein äußerst analoges Fahrzeug. Ja selbst Drehzahlmesser und Tachometer sind noch mit Nadeln ausgestattet. Auch das könnte man wieder positiv sehen: So umgeht man zumindest ansatzweise die vorherrschende Chipknappheit im Automobilsektor.
Der Dodge Charger SRT Hellcat bleibt ein Spaßgerät für all jene, denen ein M BMW, ein RS Audi oder ein AMG Mercedes zu langweilig, zu gradlinig und insgesamt zu teutonisch erscheint. Mehr Hubraum, Leistung und echten Klang bietet zu diesem Preis keiner. Ist der Charger Hellcat unvernünftig? Auf jeden Fall! Doch auch die Höllenkatze kann ihre Krallen einziehen und erzielt auf gemächlichen Überlandfahrten Verbräuche von weniger als 10 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer. Ganz gewiss ist an dieser Stelle, dass sich das Konzept des spritvernichtenden V8 nicht mehr auf ewig halten wird. Dodge selbst denkt derweil laut über einen elektrischen Nachfolger nach. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)