Schließlich haben die Münchner mit Mini bereits viele Erfahrungen im Thema Vorderradantrieb gesammelt, und zeichnet sich ein BMW durch mehr aus als die angetriebene Achse - wie der neue Van bei der ersten Ausfahrt unter Beweis stellte. Die Frage, ob Front-, Heck- oder Allradantrieb, ist eigentlich überflüssig, wenn das Ergebnis, also die Fahrdynamik, stimmt; und dafür ist auch der Hinterradantrieb kein Garant. Zwar bringt er bauartbedingt etwas mehr Agilität mit, doch stellen nicht nur 1er- und 3er-Fahrer fest, dass ihnen so mancher Golf oder Audi A4 mit Vorder- oder Allradantrieb davon fährt; zumal wenn der Fahrer die technischen Vorteile nicht zu nutzen weiß.
Für Freizeitsportler und Rentner
Bevor wir also den ersten frontgetriebenen BMW schon im Vorfeld verteufeln, wie es viele Kritiker seit Bekanntwerden der Van-Pläne eifrig tun, führen wir ihn aus - und zwar in den Alpen. Genau dort, wo die, nach BMW-Wünschen, junge, dynamische Zielgruppe ihren Freizeitaktivitäten wie Gleitschirmfliegen, Klettern oder Snowboarden nachgeht. Dass in der Realität auch BMW das Schicksal vieler Mitbewerber teilen wird, dass entsprechende Fahrzeuge für “junge Leute” vornehmlich von Rentnern gekauft werden, die etwas höher sitzen wollen als in ihrem 1er oder 3er, sei dahingestellt; den Verkaufszahlen ist es schließlich egal, wer die mindestens 27.200 Euro für den Active Tourer auf den Tisch legt.
Ob man nun Freizeitsportler oder Rentner ist: Die Alpen sind mit ihren tiefen Tälern, steilen Pässen und engen Serpentinen eine optimale Teststrecke für den Active Tourer. Und dort offenbarte der Van, dass er zweifelsohne ein echter BMW ist. Die Münchner haben es geschafft, dem Hochdachkompakten trotz erhöhtem Schwerpunkt und neuem Antriebskonzept eine Fahrdynamik anzutrainieren, die einem 1er oder X1 in nichts nachsteht.
Typische Fahrdynamik
Lange, sehr lange hält der sich auf 4,34 Meter erstreckende 2er Active Tourer die Spur und folgt artig der mit der direkten elektromechanischen Servolenkung vorgegebenen Linie; optional gibt es auch eine noch schärfere variable Sportlenkung. Antriebseinflüsse in der Lenkung? Fehlanzeige. Und auch Traktionsprobleme offenbart der Münchner nur bei ganz rasant angegangenen Kehren - allerdings gutmütig und gut kontrollierbar, wenn das nicht ohnehin das ESP im Vorfeld tut. Wer sich darauf nicht verlassen will - oder sich partout nicht mit der Idee eines frontgetriebenen BMWs anfreunden will - kann ab November 2014 übrigens auch auf einen Allradantrieb zurückgreifen; spätestens dann dürfte die Welt wieder in Ordnung sein.
Für beide Antriebskonzepte bietet BMW ein M-Sportfahrwerk an, dass den Active Tourer 10 Millimeter näher an den Boden rückt, alternativ gibt es auch für den Van dynamische Dämpfer, die sich über den Fahrerlebnisschalter entweder auf Sport oder Komfort trimmen lassen. Während der Sportbetrieb durchaus mit gewissen Härten aufwartet, schluckt das Fahrwerk im Bequemmodus die meisten Unebenheiten souverän weg.
Viele Extras
Was das Fahrwerk übrig lässt, absorbieren die kommoden Sitze, die allerdings, zumindest in der optionalen Sportausführung, recht eng geschnitten sind. Überhaupt geht es in der ersten Reihe BMW-typisch etwas kuscheliger zu, während hinten auch Großgewachsene ordentlich sitzen können und vor allem nach oben bleibt dank Hochdach reichlich Luft - selbst wenn das Panoramaglasdach geordert wurde. Wie es sich für einen Kompaktvan gehört, wartet auch der BMW mit einer ordentlichen Portion Flexibilität auf, allerdings kostet das meiste Aufpreis: So gibt es sowohl den umklappbaren Beifahrersitz als auch die verschiebbare Rückbank nur gegen Geld. Dreigeteilt umlegbar ist die zweite Reihe aber serienmäßig und lässt so zwischen 468 und 1.510 Liter Stauraum hinter der auf Wunsch auch per Fußschwenk öffnenden Heckklappe zu.
Der sauber verarbeitete Innenraum setzt sich aus bekannten (Kombiinstrument) und neuen (Mittelkonsole) Bauteilen zusammen. Erstmals setzt BMW auf ein Head-up-Display, dass alle relevanten Informationen nicht direkt in die Windschutzscheibe projiziert, sondern auf eine kleine, ausklappbare Plastescheibe über dem Instrumententräger. Das erfüllt seinen Zweck, sieht aber nicht so elegant aus wie die Frontscheibenlösung. Neu ist auch der Schalthebel für die Automatik (je nach Motor mit sechs oder acht Gängen) der nun wieder einen klassischen Entriegelungsknopf hat. Und natürlich lässt sich nach guter BMW-art viel Geld in Ausstattungslinien und Spielereien stecken, von der Lenkradheizung über zahlreiche Fahrerassistenzsysteme bis hin zum Online-Navigationssystem - schnell sind auch 50.000 Euro erreicht. Hinzu kommen Zubehörteile wie ein Heckfahrradträger, der sich unter dem Kofferraumboden verstauen lässt oder ein iPad-Halter der an den Kopfstützen befestigt wird und eine günstige Rear-Seat-Entertainmentlösung bietet.
Sechs Motoren zur Wahl
Noch wichtiger als die Extras sind aber die Motoren, von denen es kurz nach dem Marktstart im September 2014 je drei Benziner und Diesel geben wird. Der bereits erwähnte Basispreis von 27.700 Euro bezieht sich auf den Einstiegsbenziner 218i, den ein 1,5 Liter großer Dreizylinder(!)-Turbo antreibt, der es auf 136 PS bringt und der rund fünf Liter konsumieren soll. Darüber rangiert bereits mit großem Abstand der 192 PS starke 220i (30.850 Euro), der sich gut einen Liter mehr nimmt - auf dem Prüfstand. Vorläufiges Topmodell ist der 225i, der aus zwei Litern Hubraum satt 231 PS schöpft und schon bei 1.250 Umdrehungen 350 Newtonmeter Drehmoment bereitstellt, die serienmäßig automatisch verwaltet werden - dass dann allerdings zum happigen Preis von mindestens 38.950 Euro - oder 39.950 Euro mit Allrad.
6,6 Sekunden von Null auf 100 klingen sportlich und auch die 240 km/h Höchstgeschwindigkeit können sich sehen lassen; allerdings wirkte der 225i Active Tourer bei der ersten Ausfahrt in bergigem Geläuf etwas weniger Potent als er tatsächlich ist. Aber: Gefühlte 200 PS sind immer noch mehr als ausreichend und wer sich hier beklagt - über die Leistung, nicht den Preis-, jammert auf hohem Niveau. Jammern darf man höchstens über den Verbrauch, der zwar auf dem Papier mit sechs Litern genügsam ist, aber bei flotter Fahrt um mehrere Liter in die Höhe steigt.
Spardiesel aus dem Mini
Wer Sprit sparen möchte, muss zum 28.950 Euro teuren Basisdiesel greifen; ein aus dem Mini bekannter Dreizylinder-Diesel macht den 116 PS starken 216d zum Knauser, der bei entsprechender Fahrweise gerade mal 3,9 Liter Diesel je 100 Kilometer verbrennen soll. Ob er das schafft, ist noch nicht bewiesen, zur Testfahrt stand nur sein größerer Bruder 218d bereit, der wohl das für die meisten Fahrer ausgewogenste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.
Er entwickelt immerhin 150 PS und stemmt stramme 330 Newtonmeter auf die Kurbelwelle, die ab 1.750 Touren kräftigen Durchzug realisieren; darunter allerdings fällt der Motor in ein Turboloch, was vor allem in Kombination mit dem straffen manuellen Sechsganggetriebe und kurvigen Bergpässen manchmal ein wenig unangenehm ist - oft stellt der zweite Gang zu viel, die dritte Übersetzungsstufe jedoch zu wenig Kraft bereit. Die rund 2.000 Euro für den Wandlerautomaten sind hier sicher gut investiert. Noch kräftiger geht nur der 190 PS starke Top-Diesel im 220d ans Werk, der ebenfalls mit Allrad geordert werden kann, für den aber auch mindestens 34.500 Euro bezahlt werden müssen. BMW betritt mit dem 2er Active Tourer gleich in mehrfacher Hinsicht Neuland: Einen Van gab es bislang aus München noch nicht, und auch kein Modell mit Frontantrieb. Das beides möglich ist, hat der 2er bei der ersten Testfahrt bewiesen. Er ist zwar nicht geräumiger als andere Vertreter dieser Klasse, zum Beispiel die optisch zum Verwechseln ähnliche B-Klasse von Mercedes-Benz oder der VW Golf Sportsvan, bietet aber im Verhältnis zum 1er oder X1 deutlich mehr Platz und Variabilität. Und er transportiert die markentypische Freude am Fahren und steht in Sachen Fahrdynamik seinen heckgetriebenen Brüdern - im Normalbetrieb - in nichts nach.
Allerdings startet BMW mit ziemlich selbstbewussten Preisen in das neue Segment. Unter 27.200 Euro ist der Active Tourer nicht zu haben - einen Mercedes-Benz B 180 mit 122 PS bekommt man mit einem Preis ab 26.834 Euro etwas günstiger, den Mitbewerber aus Wolfsburg mit 125 PS starkem Turbomotor gibt's für 24.525 Euro. Gegenüber dem Einser muss man ebenfalls tiefer in die Tasche greifen, der 218d etwa schlägt mit über 3.800 Euro mehr zu Buche. Zum Glück haben die Best Ager einiges auf der hohen Kante liegen…